Annekatrin Hendels Dokumentarfilm »Fassbinder« versucht den Mythos um den mit 37 Jahren früh verstorbenen Filmregisseur zu enträtseln – mit teilweise berührenden Äußerungen seiner Wegbegleiter(innen) und mit einer großen Dosis RWF aus den Archiven. Das Phänomen Fassbinder lässt die Autorin durch such und seine Wegbegleiter sprechen. Bis 25. Februar 2018 ist der Film in der rbb-Mediathek abrufbar.
Fassbinder (rbb- Mediathek)
(Video laut Sender abrufbar bis 25. Februar 2018)
Die vielleicht berührendste Szene in Annekatrin Hendels Dokumentarfilm »Fassbinder« kommt fast am Ende der mit Bilder, Emotionen und Erinnerungen übervollen Strecke von 90 Minuten: Irm Hermann, eine Fassbinder-Muse und -Mimin und heute vielleicht noch jene Schauspielerin aus RWFs Gefolgschaft, die das Animalische des Meisters am beeindruckendsten verkörpern kann, wird von der Regisseurin gefragt, was sie dem vor 33 Jahren Verstorbenen gerne noch sagen würde. Da stimmt sie einfach ein Lied an: »Danke für diese große Zeit, danke für dieses schöne Glück.« Ein Kinderlied für den großen Zampano, der ja über seinen Tod hinaus auch immer ein pubertierender Junge geblieben ist. Manchmal sagt ein Lied einfach alles aus.
Es ist dem Fleiß der Filmemacherin zu verdanken, dass von RWF neue, zarte Seiten sichtbar werden. Hendel hat umfassend, wenn nicht gar erschöpfend, mit dessen Mitarbeitern, Schauspielern, Rivalen und Liebesabenteuern gesprochen. Sie berichtet von Machtkämpfen und davon, wie er mit seiner offen zur Schau gestellten Bisexualität umging. Der Film ist auch eine Wiederbegegnung mit Fassbinders Stars – mit Hanna Schygulla, mit Irm Hermann und Margit Carstensen. Sie und seine Weggefährten, Freunde und Förderer wie Harry Baer, Günter Rohrbach, Thomas Schühly, Fritz Müller-Scherz und Juliane Lorenz erzählen, als sei es gestern gewesen.
RWF hat den deutschen Film verändert und seine Wegbegleiter:innen gezeichnet. Hanna Schygulla nennt ihn »berührend und zugleich ängstlich, verletzlich und raubtierhaft«, Irm Hermann schwärmt wie eine Frischverliebte: »So hat noch nie im Leben jemand mit mir gesprochen.«
Und so hat noch kein anderer deutscher Filmregisseur mehr gewütet und sich selbst vergossen. Als Fassbinder 1982 starb – nur 37 Jahre alt – hinterließ er 44 Filme und Fernsehserien. Hendelt gestaltet ihr ungeheuer dichtes Porträt wie einen Eintritt in einen archivierten Minikosmos. Die Kamera fährt gleich zu Beginn in diese »Black Box RWF« hinein und am Ende wieder hinaus. Zwischen Anfang und Ende gelingt es Hendel, dieses Phänomen Fassbinder durch sich und seine Begleiter sprechen zu lassen.