Berlinale-Buch: Dieter Kosslick „Immer auf dem Teppich bleiben“
Dieter Kosslick war lange das Gesicht der Berlinale. Nun hat die „lebende Imagekampagne für den Kinofilm“ (Maria Furtwängler) eine kurzweilige Autobiografie vorgelegt. In „Immer auf dem Teppich bleiben“ blickt Kosslick hinter die Kulissen der Film- und Festivalbranche.
Ein wenig gute Unterhaltung steht dem ernsten Corona-Jahr Zwei durchaus gut zu Gesicht. Die Branche ächzt, das Haar sitzt nicht und der rote Teppich staubt ein anstatt Stars und Sternchen pressewirksam zum alljährlichen Festival-Zirkus zu geleiten.
Berlinale einmal anders
„Wie Schrödingers Katze liegt das Programm der Berlinale vor uns, gleichzeitig tot und lebendig“, schreibt das Artechock Filmmagazin in einer amüsanten Abhandlung der zweigeteilten Internationalen Filmfestspiele. Die starten am 1. März 2021 rein virtuell als geschlossenes Industry Event hinter dem digitalen Vorhang und setzen sich – so Corona mitspielt – erst im Juni als öffentliche Publikumsveranstaltung in den Berliner Kinos fort. Eine vertrackte Lösung, die wenig(er) Spaß als sonst verspricht und geradezu nach einem legendären Kosslick-Satz verlangt.
Für die Geschichtsbücher
Denn schon 2002 drohte die Stimmung einmal ausgerechnet bei einer Berlinale-Eröffnung zu kippen. Und was macht der frisch gebackene Festival-Chef? Dieter Kosslick schreibt sich damals kurzerhand radebrechend mit dem englischen Satz-Ungetüm „I promise you, no more pans“ in die Geschichtsbücher ein. Die geladene nationale und internationale „A-List“ im Saal vergisst vor lauter Lachen und Verwunderung glatt den Ärger über die schrillen Rückkopplungen, die fast das Opening verhagelt hätten. Humor hilft eben. Also meistens.
Dieter Kosslicks Berlinale-Spuren
Einen bleibenden Eindruck hinterlässt Dieter Kosslick auch danach in den gut zwei Jahrzehnten als Festivaldirektor –„einem der schönsten Jobs der Welt“, wie er betont. Obwohl er weiß Gott nicht immer pfannen- und pannenfrei unterwegs ist, ist der Mann mit Hut und rotem Schal ein Unikum, der es schafft, die deutsche und internationale Prominenz in den meist bitterkalten Hauptstadt-Winter zu locken. Kosslick setzt sich zudem für Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität und Toleranz ein und zaubert mit seinem Team etliche Furore machende Weltpremieren auf die Berlinale-Leinwände.
Es menschelt in Berlin und Hollywood
„Entscheidungen im Filmgeschäft erscheinen Außenstehenden oft irrational und nicht nachvollziehbar. Es gibt unausgesprochene und ausgesprochene Regeln, wenn man sich erfolgreich darin bewegen will“, erklärt der 1948 geborene Baden-Württemberger – allerdings nicht, ohne auch sein Erfolgsrezept zu verraten: nur über „persönlichen Kontakt und wechselseitige Sympathie“ geht’s. Und wenn Kosslick etwas kann, dann Beziehungen knüpfen.
Aus der Provinz in die große weite Welt
Es folgt jede Menge Namedropping (Meryl Streep, Cate Blanchet, George Clooney, Madonna, die Rolling Stones, Bill Murray, die Coen-Brüder, und und und), das mit launigen Anekdoten verknüpft wird. Diese beschreiben den langen Weg aus Ispringen an der badisch-schwäbischen Provinzgrenze über München und Hamburg, die prägende Zeit bei der Filmstiftung NRW in Düsseldorf bis hin nach Berlin und Los Angeles so pointiert, wie man Kosslick eben kennt. Ein Plädoyer fürs Kino und die Filmförderung (Motto: es geht nicht ohne, aber es muss sich etwas ändern) rundet das kurzweilige Lesevergnügen für Film- und Berlinale-Fans ab.
Dieter Kosslick: IMMER AUF DEM TEPPICH BLEIBEN. Von magischen Momenten und der Zukunft des Kinos. 1. Auflage. 336 Seiten. Hoffmann und Campe Verlag Hamburg, 2021. ISBN:978-3-455-00360-4