Das schon lange etablierte britische Sheffield DocFest findet vom 4. bis 13. Juni in Englands Kinos und als online Version statt. Geboten werden 78 lange Dokumentarfilme und 88 dokumentarische Kurzfilme aus 57 Ländern, die meisten Welt- und internationale Premieren.
Vier Debütfilme im internationalen Wettbewerb
Im internationalen Wettbewerb des Sheffield DocFest werden elf lange Dokumentarfilme präsentiert. Darunter sind vier Debütfilme als Weltpremieren: „Factory to the Workers“ von Srđan Kovačević zeigt eine Werkzeugfabrik in Kroatien, die 2005 besetzt und in Selbstverwaltung als Kollektiv weitergeführt wurde. „Rancho“ von Pedro Speroni als Doku über den Alltag in einem argentinischen Hochsicherheitsgefängnis und die Beziehungen in diesem geschlossenen Raum. Weiter läuft mit „Charm Circle“ von Nira Burstein das Porträt einer exzentrischen Familie in New York und das Chaos, das sie trennt. In „Summer“ von Vadim Kostrov werden zwei Jugendliche im Ural mit der Kamera begleitet.
Sheffield DocFest 2021: Konflikte und Traditionen
Eine historische Rekonstruktion des Biafra-Krieges 1967 unternimmt der Portugiese Silas Tiny in „Equatorial Constellations“. Mit der Familiengeschichte und den Verstrickungen ihrer Eltern – beide sowjetische Spione in Paris vor dem Zweiten Weltkrieg – konfrontiert der Regisseur Vladimir Léon seinen Bruder in „My Dear Spies“. Sie begeben sich auf eine gemeinsame Spurensuche nach Russland. Die indigenen brasilianischen Filmemacher Isael Maxakali, Sueli Maxakali, Carolina Canguçu and Roberto Romero zeigen in „Nũhũ Yãg Mũ Yõg Hãm: This Land Is Our Land!“ ihre Traditionen und die Unterdrückung durch Weiße. Es ist ein filmisches Manifest gegen alle Arten von Grenzen, die das Land teilen und damit Landbesitz sichern.
Bolivianische Musiker stranden in Deutschland
Eine deutsch-bolivianische Koproduktion ist „From the 84 Days“ von Philipp Hartmann. Im März 2020 sollte das bolivianische Experimentalorchester für indigene Instrumente Gastspiele in Berlin und Dresden geben. Sie mussten abgesagt werden. Dann schloss Bolivien die Grenze und die Musiker landeten für drei Monate in der Musikakademie im brandenburgischen Rheinsberg. Dort probten sie mit deutschen Musikern.
Fukushima und starke Frauen in Pakistan
Mit den Folgen des schweren Erdbebens in Japan 2011 beschäftigen sich Komori Haruka and Seo Natsumi in „Double Layered Town / Making a Song to Replace Our Positions“. Um die Frauenbewegung in Pakistan und die Vorbereitung des Frauenmarsches geht es in „This Stained Dawn“ von Anam Abbas. „White on White“ ist das Videotagebuch von der tschechischen Filmemacherin Viera Čákanyová, das in der polnischen Antarktis-Station bei den Dreharbeiten zu ihrem Film „Frem“ (2019) entstand.
Cíntia Gil: Filme in ihrer ganzen Vielfalt
„Wir sind sehr stolz darauf, ein Programm präsentieren zu können, das eine Vielzahl von Formen, Landschaften und Visionen zusammenbringt, mit einer Vielzahl von unglaublichen Talenten, denen wir zutiefst für ihr Vertrauen danken. Wir freuen uns, dieses Festival so zu veranstalten, dass alle willkommen sind – in Sheffield, in Kinos in ganz Großbritannien und online“, so Festivaldirektorin Cíntia Gil.
UK Wettbewerb mit Schwerpunkt auf “10 Jahre nach 9/11“
Im nationalen UK Wettbewerb laufen 14 unabhängig produzierte Dokumentarfilme, die ganz eigene Perspektiven entwickeln. Mit einem thematischen Schwerpunkt widmen sich vier Filme den Folgen des weltverändernden Terroranschlags am 9. September 2001: „My Childhood, My Country – 20 Years in Afghanistan“ von Phil Grabsky and Shoaib Sharifi, „Surviving 9/11“ (Arbeitstitel) von Arthur Cary, „9/11: One Day in America“ von Daniel Bogado und „In the Shadow of 9/11“ von Dan Reed.
Dokumentarfilme über Deutsche Verantwortung
In der Sektion „Into the World“ werden zwölf Dokumentarfilme zu sehen sein, die zum Teil schon auf anderen Festivals liefen. Darunter ist „Grenzland“ von Andreas Voigt. Er besucht nach dreißig Jahren noch einmal die Menschen in der Grenzregion von Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik und spricht mit ihnen über die Veränderungen und ihre Identität. In der deutsch-britischen Koproduktion „Final Account“ verwendet Luke Holland Interviews mit Männern und Frauen, die sich ihrer eigenen Verantwortung ihres Handelns im Nationalsozialismus stellen, um wichtige und noch immer aktuelle Fragen zu Autorität, Konformität, Komplizen- und Täterschaft, nationaler Identität und Verantwortung zu stellen.
Film und andere Künste auf dem 28. Sheffield DocFest
Die Retrospektive in diesem Jahr ist der Black British Filmkultur gewidmet, die lange Zeit vernachlässigt wurde. Es soll ein Bogen geschlagen werden von der Vergangenheit in die Gegenwart. In der Reihe „Rhyme & Rhythm“ steht die reiche Geschichte der Interaktion und Verflechtung des Films mit anderen Künsten im Mittelpunkt. Darüber hinaus bietet das Sheffield DocFest 2021 ein breites Angebot mit Gesprächen, weiteren Filmreihen und Live-Acts.