Nach langer Corona-Zwangspause kann das Haus des Dokumentarfilms nun endlich seine erfolgreiche Filmreihe „DOK Premiere“ fortsetzen. Am Samstag, den 10. Juli 2021, läuft um 17.30 Uhr im Caligari Kino Ludwigsburg der neue Dokumentarfilm von Oscar-Preisträger Pepe Danquart.
„Vor mir der Süden“: Auf den Spuren von Pier Paolo Pasolini
Zwischen Dolce Vita und nostalgischer Endzeitstimmung: Pepe Danquart hat mit seinem Kameramann Thomas Eirich-Schneider wieder einen fesselnden und bildstarken Dokumentarfilm geschaffen, der die Kulturen des Reisens und der Industrie klug verbindet. Er folgt sieben Wochen lang den Spuren von Pier Paolo Pasolini, der 1959 eine solche Reise rund um Italien unternommen hatte. Dieser Autor, Dichter und Regisseur, hatte schon früh – zärtlich, melancholisch, zornig – vor den Folgen jener Ökonomisierung aller Lebensbereiche gewarnt, die wir heute erleben.
Europäische Kulturgeschichte
Pier Paolo Pasolini setzte sich damals im ligurischen Badeort Ventimiglia in seinen Fiat Millecento und umrundete einmal die italienische Küste. Der Form des berüchtigten Stiefels folgend fährt er 3.000 Kilometer bis hinauf nach Triest. Seine außergewöhnliche Reise gilt 60 Jahre später als einzigartiges Dokument europäischer Kulturgeschichte. Das im Zeichen des Wirtschaftswunders und des beginnenden Massentourismus prosperierende Italien beschrieb Pasolini mit einer großen Portion Hellsichtigkeit, Empathie und Witz.
Veränderungen eines Landes und Europas
Der damaligen Umrundung folgt nun Pepe Danquart als Flaneur im Fiat Millecento und blickt auf Umbrüche – nicht nur in einem Land, sondern auf einem ganzen Kontinent. So viel lässt sich über Europa erzählen, schaut man nur einmal genauer auf sein Eingangstor: Italien. Wo früher der Massentourismus die Menschenströme durch die Ferienorte schleuste, überrennen nun Millionen Individualreisende die Schauplätze des historisch-mediterranen Italien. Wo einst Aufbau herrschte, strömen nun Waren und Dramen an die Küstenorte der Apennin-Halbinsel.
Krisenstimmung in Italien
Danquart findet einen liebevollen und humorigen Umgang mit der Bestandsaufnahme zur Situation Italiens, dass viele noch in sehr guter Erinnerung haben als beliebtes Urlaubsziel. „Spardiktate, technologische Revolutionen und drohende Finanzkrisen lassen nationalistische Ressentiments wuchern, die an Einfluss gewinnen. Und wie stets, wenn ein Konsens zerfällt, werden die Kämpfe um die mediale Deutungshoheit virulenter. Denn wo Begriffe fehlen, die der Wirklichkeit gewachsen wären, eskaliert der sogenannte ‚Fake‘, der Wirklichkeiten produziert“, zieht Pepe Danquart eine ernüchternde Bilanz.
Kritik an Konsumgesellschaft
Im Mittelpunkt stehen die Menschen, die er eher zufällig trifft bei seiner Reise. So nähert er sich einer eher ernüchternden Wirklichkeit des Landes. Immer wieder dreht sich der Film um Massentourismus, Flüchtlinge und kapitalistische Konsumgesellschaft, die bereits Pasolini als „hedonistischen Faschismus“ beschrieben hatte. In den Gesprächen wird immer wieder Bezug auf ihn genommen.
Filmgespräch mit Pepe Danquart
Nach der Filmvorführung von „Vor mir der Süden“ wird ein Filmgespräch mit Regisseur Pepe Danquart und Kay Hoffmann (Haus des Dokumentarfilms) im Caligari Kino Ludwigsburg stattfinden. Wegen der Pandemie ist nur eine begrenzte Platzzahl möglich und die Zuschauer:innen müssen die aktuell geltenden Hygiene-Regeln beachten. Online-Kartenkauf unter www.kinokult.de.
Trailer „Vor mir der Süden“
„Vor mir der Süden. Durch Italien auf den Spuren von Pier Paolo Pasolini“ ist eine Produktion von bittersuess pictures in Koproduktion mit Albolina Film, Norddeutschem Rundfunk, Rundfunk Berlin-Brandenburg und arte.