Wim Wenders neuer Dokumentarfilm über den aktuellen Papst entstand auf Anregung des Vatikans. Der Regisseur selbst war überrascht über die Anfrage 2013, willigte jedoch gerne ein. Denn Wenders hat katholische Wurzeln und wollte selbst einmal Priester werden, bevor er über Umwege zum Film kam. Er ist fasziniert von dem jetzigen Papst und seinen politischen Botschaften. Der Regisseur nimmt sich diesmal spürbar zurück.
Kinostart: 14. Juni 2018
Der Kern des neuen Wenders-Dokumentarfilms sind vier mehrstündige Interviews. Dabei verwendete er eine Technik, die der amerikanische Dokumentarfilmer Errol Morris entwickelt hat: Sie heißt Interrotron; dabei wird das Videobild des Interviewers wie beim Teleprompter auf die Kamera gespiegelt. Der Interviewte schaut also intensiv in die Kamera – was sonst im Dokumentarfilm verpönt ist – und reagiert auf seinen Interviewer. Papst Franziskus spricht so ganz direkt zu den Zuschauern und blickt sie direkt an. Er nimmt Stellung zu aktuellen Problemen der Welt, ob nun Armut, Ungleichheit, Umweltsünden, Klimawandel, Flüchtlinge oder Missbrauchsfällen in der Kirche und verkündet sie quasi als Botschaften. Dabei wirkt der Heilige Vater charismatisch, gütig und überzeugend, weil er auch immer einen Humor durchscheinen lässt. Doch es bleiben letztlich Worte und Appelle und es ist die Frage, ob der Papst die Welt wirklich zum Guten verbessern kann. Von daher ist der Untertitel »ein Mann seines Wortes« durchaus sympthomatisch.
Ein zweiter Aspekt sind die zahlreichen Reisen des Pontifex rund um die Welt. Hier konnte Wenders aus dem reichhaltigen Archiv des Vatikans und von Centro Televiso Vaticano schöpfen, die auch Koproduzenten des Films sind. Der Papst besucht Politiker, spricht vor Parlamenten, geschichtsträchtigen Orten wie Yad Vashem, aber ebenso in Armenvierteln, Gefängnissen oder Kliniken, wo todkranke Kinder behandelt werden. Für alle ist er offen, spricht mit vielen und wäscht ihnen die Füße. Ob er die elenden Lebensbedingungen vieler ändern kann, steht auf einem anderen Blatt. Auf jeden Fall setzt er Zeichen, wenn er sich bei einem USA-Besuch in einem Fiat 500 durch die Stadt fahren lässt, eskortiert mit den üblichen dicken Karossen der Security. Bei einer Rede vor dem amerikanischen Kongress liegen die Abgeordneten ihm sozusagen zu Füßen, sind zu Tränen gerührt. Als er allerdings die internationalen Waffengeschäfte geißelt, flaut der Applaus merklich ab. Er spricht sich klar dafür aus puttygen , den Flüchtlingen aus humanitären Gründen zu helfen, denn das kapitalistische System hätte im Zeichen der Globalisierung durchaus seinen Anteil an den Ursachen. Wenn man sich die harte Linie in der Flüchtlingspolitik von Herrn Seehofer ansieht, dann hatte dies nichts mehr mit christlicher Nächstenliebe zu tun, sondern allein mit Populismus aus wahltaktischen Gründen.
Der Kurs des Papstes, politisch Stellung zu nehmen und auf Luxus und Konsum zu verzichten, ist in der katholischen Kirche nicht unumstritten und er hat viele Gegner. Diese Konflikte nicht einmal zu erwähnen und andere nur über Fragen bei einer Pressekonferenz anzusprechen wie das Verhältnis zur Homosexualität oder der protestantischen Kirche, gehört sicher zu den Schwachpunkten des Films. Wenders hält sich ziemlich zurück, selbst Position zu beziehen, seine Fragen sind nicht zu hören. Er überlässt Papst Franziskus die Bühne ganz allein und dies scheint das Konzept seines Films zu sein – eine One-Man-Show.
Ein drittes Element des Films sind Re-Inszenierungen in schwarz-weiß zum Leben von Franz von Assisi, der ein Leben in Armut führte und ein Vorbild des heutigen Papstes ist. Diese Aufnahmen wurden mit einer alten Filmkamera aus den 20er Jahren gedreht und wirken bewusst wie Ausschnitte aus einem alten Stummfilm.
»Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes« ist auf jeden Fall ein Weg, die Botschaften und Weisheit des Papstes an viele zu vermitteln, ohne dass sie unbedingt in der katholischen Kirche sein müssen. Seine Positionen sind universell und er spricht sich auch für die friedliche Zusammenarbeit der verschiedenen Glaubensrichtungen aus. Darauf hoffte wohl auch der Universal Filmverleih, der den Film heute durchaus unüblich sowohl in Erstaufführungshäusern, Multiplexen und Programmkinos startete. Er ist in 566 Kinos wie ein Blockbuster gestartet und musste die erste Woche durchgespielt werden mit zwei Vorführungen pro Tag. So erreichte „Papst Franziskus“ trotz Sommerwetter und Fußballweltmeisterschaft in der ersten Woche über 100.000 Besucher, was für einen Dokumentarfilm heute spektakulär ist und eroberte Platz 4 vom Einspiel.