Kino-Tipp: »Maria by Callas«
»Die Callas« war schon zu Lebzeiten ein absoluter Star und ist bis heute eine Ikone geblieben. Ihre internationale Karriere an den wichtigsten Opernhäusern begann Ende der 1940er und Beginn der 1950er Jahre. Bei aller Anerkennung und außergewöhnliche Beliebtheit beim Publikum – man könnte es schon abgöttische Liebe nennen – umgab sie immer auch das Image der kapriziösen Diva, die ein schillerndes Privatleben führte, sich mit Opernintendanten überwarf und Vorstellungen platzen ließ. Der Dokumentarfilm von Tom Volf ist Teil eines Gesamtkunstwerks über das Leben von Maria Callas.
Kinostart: 17. Mai 2018
Der Fotograf, Schauspieler und Filmemacher Tom Volf stieß nach einem Opernbesuch eher zufällig auf Maria Callas. Er war sofort fasziniert und begann nach Aufnahmen von ihr zu recherchieren. Inzwischen ist er zum absoluten Callas-Experten geworden. Seine Leidenschaft in der Auseinandersetzung mit dem Idol ließ ihn ein Gesamtkunstwerk schaffen mit drei Büchern, einer Ausstellung (Paris 2017), einem Musikalbum und diesem Kino-Dokumentarfilm. Er war besessen von der Idee, das Maximum über Leben, Lieben und Leiden der Primadonna für sich in Erfahrung zu bringen. Er führte etwa 30 Interviews mit Zeitzeugen wie Hausangestellten und ihrer Gesangslehrerin, die die Callas gut kannten. Aber diese 60 Stunden Interviews verwendete er dann überhaupt nicht im Film.
Volf entschied sich, die Callas selber sprechen zu lassen in Interviews, in ihren Briefen – im Original gelesen von Fanny Ardant, in der deutschen Fassung von Eva Mattes – und nicht veröffentlichten Lebenserinnerungen. Gegen alle Widerstände wollte er keine TV-Dokumentation schaffen, sondern einen Kinofilm machen, denn nach Ansicht von Tom Volf schafft nur das Kinoerlebnis die Intimität, die dieser Film braucht: »Das Gefühl, dieser Frau wirklich gegenüberzustehen, in ihre Welt einzutauchen, in ihre Epoche zu reisen. Im Kino erlebt man Musik und Gesang auch am ehesten so, wie es sonst in der Oper möglich wäre.«
Von zentraler Bedeutung sind die zahlreichen offiziellen und privaten Filmaufnahmen, die er aufwändig restaurieren und zum Teil nachkolorieren ließ. So entsteht ein Blick auf ihr außergewöhnliches Leben aus ihrer Perspektive, auf ihre Rolle als Callas und öffentlich gefeierte Person sowie ihrer Rolle als Maria als Privatperson. Ein einem Interview 1970 gab sie darüber ausführlich Auskunft und diese Passagen sind wie ein roter Faden über die sonst chronologisch angeordneten Film verteilt. In den Aufnahmen erleben die Zuschauer mit, wie sie langsam altert. Zahlreiche Auftritte von ihr sind dokumentiert und sie lassen die Herzen der Callas-Freunde im Publikum sicherlich höher schlagen. Verwendet wurden dabei zum Teil Originalmitschnitte und private Filmaufnahmen aus dem Freundeskreis der Sängerin. Diese beweisen ihre Bedeutung als Ausnahme-Sopranistin. Denn sie hat einen Stil entwickelt, die Arien auf individuelle Weise zu singen und ihre Seele mit einfließen zu lassen. Dies machte sie zum Medienstar, der von den Fotografen und den Medien regelrecht verfolgt wurde. Paparazzi empfingen sie mit schussbereiter Kamera und stellten ihr dreiste Fragen zum Privatleben.
Denn auch dies war schillernd. 1949 heiratete sie einen Ziegeleibesitzer, der ihr Impressario wurde und sie als Star vermarktete. 1959 verliebte sie sich auf einer Kreuzfahrt in Griechenland in den Reederei-Milliardär Aristoteles Onassis, für den sie ihren Mann verließ. Doch Onassis heiratete schließlich nicht sie sondern die Präsidenten-Witwe Jackie Kennedy, ohne die Callas vorab zu informieren. Nach ein paar Jahren kam er reumütig zurück. Außerdem traf sie bei gesellschaftlichen Ereignissen die Prominenten der damaligen High Society. 1969 drehte sie mit Pier Paolo Pasolini »Medea« und hoffte auf eine zweite Karriere als Schauspielerin.
»Maria by Callas« zeigt sehr gut ihre Zerrissenheit als Superstar und ihre persönliche Suche nach dem Glück als Frau und Mensch. Wenn sie das Publikum so frenetisch liebe, wolle sie auch alles zurückgeben. Sie war dankbar für ihre Karriere und internationale Anerkennung, war sich jedoch auch darüber bewusst, zu welchem Preis dieser Erfolg erkauft wurde. Es ist natürlich klar, dass dieser Film ihre Geschichte subjektiv erzählt. Alles, worüber die Callas nicht öffentlich sprechen wollte, bleibt ausgespart. Trotzdem ein sehr gelungener Dokumentarfilm, dem es gelingt, sich einem Mythos zu nähern.