Wie nahe Genie und Exzentrik – und in manchen Fällen wohl auch Wahnsinn – beieinander liegen, lässt sich bei Filmregisseuren ganz besonders gut ablesen. Über Orson Welles, Quentin Tarrantino oder auch den schwedischen Regisseur Ingmar Bergman geben zuvorderst ihre eigenen Arbeiten Zeugnis ab. Die deutsche Filmemacherin Henrike Sandner, die bereits viele Künstler-Dokumentationen erarbeitet hat, ist für »Ingmar Bergman – Herr der Dämonen« dem schwedischen Regie-Monolithen ganz nahe gerückt. Sie zeigt hinter seinen wunderbaren Filmen (»Szenen einer Ehe« im Anschluss) ein tief verschüchtertes, um Anerkennung kämpfendes Kind im Manne. Bis 20. Juli 2018 in der Mediathek des Senders abrufbar.
Ein Zauberer. Ein Neurotiker. Ein Dikator. An Urteilen und Beschreibungen ist Henrike Sandners Dokumentation schon in den ersten Minuten übervoll. Die norwegische Schauspielerin Liv Ullman, die in fast 50 Jahren elf Filme mit Ingmar Bergman drehte, ist sich beispielsweise sicher: »Er war besessen.« Von Dämonen, von Ängsten und auf jeden Fall von Schlaflosigkeit, erklärt der Film, der im deutschen von der Schauspielerin Corinna Harfouch, einer selbst erklärten Verehrerin des schwedischen Meisters, eingesprochen wird. Die »Schwärme dunkler Vögel«, so Bergman selbst, suchten ihn nachts heim und ließen ihn Stunde um Stunde durchs Haus laufen.
Ingmar Bergman – Herr der Dämonen (3sat-Mediathek)
(Video laut Sender abrufbar bis 20. Juli 2018)
Wie wurde aus einem so neurotischen Geist, der als Junge erbittert um die Gunst seiner Mutter kämpfte, bis selbst ein konsultierter Arzt befand, das müsse man dem Jungen abgewöhnen, ein weltweit anerkannter Film- und Theaterregisseur, der nun zu seinem hunderststen Geburtstag (gestorben ist er Ende Juli 2007) vielfältige Erinnerung und Anerkennung erntet? »Er hat die Dämonen beherrscht«, heißt es im Film. Oder in die Sprache des künstlerischen Prozesses übertragen: Bergman war ein Kontrolleur, ein manischer Inszenator, ein um Anerkennung ringender Perfektionist, der seine Kritiker als Feinde sah. Oder anders gesagt: ein fleissiger Diktator. Sich von ihm beherrschen zu lassen, hieß, die Diktatur anzunehmen, aber auch, mit dem Meister an die Grenzen der Schauspielkunst zu gehen.
In einer solchen Diktatur können große Werke und tiefe Wunden entstehen. Zumal Bergmans Werke von existenziellen Themen handelten: von Einsamkeit und zwischenmenschlichen Beziehungen, von Tod und der Suche nach Gott.
Im Anschluss an die 60 Minuten lange Dokumentation zeigt 3sat den 1973 für das schwedische Fernsehen entstandenen Spielfilm »Szenen einer Ehe«. Ingmar Bergman zeigt, wie eine scheinbar heile Lebensgemeinschaft zerfällt, Mann und Frau sich bis zur Selbstaufgabe gegenseitig bekämpfen und wie am Ende dann doch eine neue Liebe entstehen kann – mit Liv Ullmann und Erland Josephson in den Hauptrollen. 1974 wurde das zehnjährige Protokoll einer Ehe mit einem Golden Globe als »bester nichtamerikanischer Film« ausgezeichnet.