Sichtlich bewegt zeigte sich das Publikum bei der ausverkauften Stuttgarter DOK Premiere von „Zuhurs Töchter” am 2.11.2021. Die Vorstellung im Delphi Arthaus Kino war zugleich die Baden-Württemberg-Premiere des Dokumentarfilms von Laurentia Genske und Robin Humboldt.
Auf sehr großes Interesse beim Publikum stieß die DOK Premiere von „Zuhurs Töchter”, die am 2.11.2021 in Stuttgart und am 3.11.2021 in Ludwigsburg stattfanden. Der sehr berührende Dokumentarfilm von Laurentia Genske und Robin Humboldt erzählt die Geschichte der beiden trans* Schwestern Lohan und Samar. 2015 gewannen die beiden Filmschaffenden den Förderpreis des Hauses des Dokumentarfilms für ihren Film „Am Kölnberg”. „Zuhurs Töchter” ist der zweite gemeinsame Film der beiden.
Das anschließende Filmgespräch mit den beiden Regisseur:innen im Stuttgarter Delphi Arthaus Kino führte Goggo Gensch. Außerdem zu Gast waren nicht nur die Produzenten Erik Winker und Ümit Uludağ, sondern auch die Protagonistin Samar. Im Caligari Kino in Ludwigsburg führte das Filmgespräch mit Regisseur Robin Humboldt und Produzent Ümit Uludağ Kay Hoffmann.
Berührende Geschichte der Schwestern Samar und Lohan
Transgender als Geschlechtsidentität ist ein sehr wichtiges und aktuelles Thema. Doch einen Dokumentarfilm genau darüber zu machen, war nicht der ursprüngliche Plan der beiden Filmemacher:innen. „Es waren die persönlichen Geschichten der beiden, die uns so fasziniert haben”, berichtet Robin Humboldt im Filmgespräch bei der DOK Premiere in Stuttgart. Kennengelernt haben sie sich am Anfang der Transition. „Da war klar, dass viel passieren wird. Ende 2016 hatten wir bereits den ersten Kontakt zu Lohan und Samar.”
Die Familie der beiden hält immer zusammen
Rund vier Jahre werden die beiden Schwestern Samar und Lohan, heute 20 und 21 Jahre alt, in „Zuhurs Töchter” begleitet. Mit ihren Eltern Zuhur und Talib, dessen Zweitfrau sowie mehreren Geschwistern wohnen sie in einem Stuttgarter Flüchtlingsheim. Die Eltern der beiden sind mit der Familie von Syrien nach Deutschland geflohen, um ihren Töchtern ein freies Leben zu ermöglichen.
Lohan und Samar sind in einer sehr traditionellen muslimischen Familie aufgewachsen. Vor allem für ihre Eltern war es am Anfang schwer, sie zu akzeptieren. Wie Vater Talib erzählt, hätte er sie in Syrien eigentlich umbringen müssen, weshalb sie nach Deutschland flohen. Er hätte niemals seine eigenen Kinder töten können, berichtet er im Film.
Beeindruckend ist, wie die Eltern trotz ihrer Zerrissenheit zwischen dem wahren Selbst ihrer Kinder und ihrer muslimischen Kultur immer zu den beiden stehen. Die Geschwister der beiden reagieren jedoch mit einer großen Selbstverständlichkeit; die jüngere Schwester beispielsweise beneidet Lohan und Samar um deren Kleidung und Schminkkünste. Sie sind Teenager, die wie alle in ihrem Alter gerne in Clubs feiern, sich mit Freund:innen treffen und sich für Mode und Schminke interessieren.
Die Doku begleitet die Schwestern bei der Transition
Der Weg zur ihrer vollständigen Transition ist sehr lang und schmerzhaft. Trotzdem verlieren Lohan und Samar nie den Mut. Der Dokumentarfilm gibt zudem sehr intime Einblicke in Gespräche mit Ärzt:innen, Sozialarbeiter:innen und begleitet außerdem eine der Operationen. Damit sollen anderen Menschen dazu ermutigt werden, als der Mensch zu leben, der man ist, wie Protagonistin Samar bei der Stuttgarter DOK Premiere erzählt. „Ich bin sehr stolz darauf. Die ganze Welt soll sehen, wie wir beiden das alles geschafft haben”, sagt sie.
Auch die Musik im Film thematisiert den Weg der Transition. Wie Robin Humboldt und Ümit Uludağ im Gespräch mit Kay Hoffmann im Ludwigsburger Caligari-Kino berichten, handelt es sich dabei um ein Lied aus dem Libanon, wo geschlechtsangleichende Operationen sowie Schönheitsoperationen akzeptiert werden. Außerdem seien einige wichtige Schlagersänger in Syrien transgender, erzählen sie weiter.
Starke Nähe zu den Protagonistinnen
Die Dreharbeiten dauerten drei bis vier Jahre an, wodurch sich ein enges Verhältnis entwickelte, wie Laurentia Genske im Gespräch mit Goggo Gensch weiter erzählt. Das ist auch im Film spürbar, der eine unglaubliche Nähe zu den Protagonistinnen zeigt. „Es ist wahnsinnig mutig, sich mit so einem Thema so sehr zu öffnen und uns auch das Vertrauen zu schenken, das alles zu begleiten”, so Laurentia Genske. Auch die Familie zeigte sich sehr offen für den Film und die Dreharbeiten. Lohan und Samar wohnen mittlerweile in eigenen Wohnungen, erzählen Robin Humboldt und Ümit Uludağ bei der Ludwigsburger DOK Premiere.
„Zuhurs Töchter” gibt damit auf sehr persönliche Weise einen Einblick in das Leben der beiden. Gleichzeitig ebnet der Film auch den Weg für mehr Akzeptanz und Toleranz. „Wenn die Menschen den Film sehen, gehen sie vielleicht weiter ihren Weg”, so Samar.
Am 4. November 2021 startet „Zuhurs Töchter” bundesweit in den Kinos. Zuvor wurde der Dokumentarfilm bereits auf mehrere Filmfestivals gezeigt, darunter auf dem Hot Docs – Canadian International Documentary Festival 2021 in Toronto und auf dem DOK.fest München 2021, wo er mit dem VIKTOR DOK.deutsch ausgezeichnet wurde.