„We Are All Detroit“ auf der Duisburger Filmwoche
„Vom Bleiben und Verschwinden“ der Lebens- und Arbeitswelten in Bochum und Detroit erzählt „We Are All Detroit“ der Grimme-Preisträger:innen Ulrike Franke und Michael Loeken. Beide Städte wurden durch die Autoindustrie und deren Niedergang geprägt. Die Duisburger Filmwoche zeigt den Film am 13.11.2021.
Bochum und Detroit liegen weit auseinander. Trotzdem haben sie vieles gemeinsam. „We Are All Detroit“ beleuchtet, was die Schließung des Opel-Werks in Bochum 2014 für die Region bedeutete und vergleicht diese mit dem langjährigen Niedergang der ehemaligen „Motor City“ Detroit.
Die Auswirkungen des Niedergangs auf den Einzelnen
Asphaltwüsten, Brachen, obdachlose Menschen, verfallene Gebäude: Mit eindrücklichen Bildern zeigen die beiden Filmschaffenden, die auch international mit vielen Preisen ausgezeichnet wurden, die Folgen des Strukturwandels. Vor diesem Hintergrund lassen sie Menschen aus Detroit und Bochum von den Auswirkungen auf ihr jeweiliges Leben erzählen. Ehemalige „Opelaner“ und Detroiter Arbeiter kommen zu Wort, aber auch indirekt betroffene Protagonist:innen, wie der Besitzer des Werkzeugladens „Busy Bee“ in Detroit, dessen Familiengeschäft nach vielen Jahrzehnten schließen muss.
Gespräch über Darstellbarkeit des Strukturwandels
Passend zum diesjährigen Motto „Schichten“ werden auf dem Filmfestival verschiedene Gesichtspunkte des Dokumentarischen vertieft. In diesem Rahmen fand am 11. November 2021 die gemeinsam mit ZDF/3sat präsentierte Veranstaltung „EXTRA: Verschwindende Arbeit, veränderte Struktur“ statt. Dort sprach Filmredakteur Matthias Dell mit Ulrike Franke und Michael Loeken über die Darstellbarkeit des Strukturwandels.
Die beiden Filmschaffenden beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem Wandel des Ruhrgebiets, etwa in „Arbeit Heimat Opel“ (2012) über sechs Azubis, die im Bochumer Opel-Werk ausgebildet werden – „für eine Zukunft, die es eigentlich schon gar nicht mehr gibt“, so Franke.
„We Are All Detroit“: Vom Verlust der Arbeit
Eine Ähnlichkeit zwischen dem Ruhrgebiet und Detroit sei dabei der Menschenschlag. Aber es gehe nicht darum, die Entwicklungen eins zu eins zu vergleichen. Auch habe der Strukturwandel insgesamt gar „kein Ende“, ergänzt Franke. Er sei also nie auserzählt. In „We Are All Detroit“ zeigen Franke und Loeken neben der Veränderung der Landschaft vor allem auf, wie die einzelnen Menschen damit umgehen. „Wir steigen ein in eine Situation, wo schon etwas verloren gegangen ist, wo es gar nicht mehr um Arbeitskämpfe geht,“ sagt Loeken dazu. Dabei stelle sich die Frage: „Was heißt es, wenn jemand seine Arbeit verliert, die für ihn Identität war?“
Im Wandel liegt auch Hoffnung
Wie geht es also weiter? In Bochum zum Beispiel mit „Mark 51°7“, dem Versuch, den ehemaligen Opel-Standort mit einem hochtrabenden Projektnamen zu revitalisieren. Gebaut werden schließlich ein gigantisches DHL-Paketzentrum und ein Wissenschaftscampus.
Den großen Ideen im Marketingsprech, in denen die Kapitalismuskritik subtil mitschwingt, stehen im Film einzelne Menschen gegenüber, die sich eigeninitiativ den Herausforderungen stellen, wie ein ehemaliger afroamerikanischer Werksarbeiter, der in Detroit urbane Landwirtschaft betreibt und seine Produkte zusammen mit anderen auf dem Markt verkauft.
Wenn Gegensätze aufeinander treffen, fängt bei uns die Neugierde an“, sagt Franke über den Reiz des Strukturwandels, wo aus dem Niedergang auch wieder etwas Neues erwächst – und umgekehrt. Und dieser Wandel betrifft uns alle. Das zeigt auch der Titel des Films, denn: Sind wir nicht alle Detroit?
„We Are All Detroit“ bei der Duisburger Filmwoche
Die Duisburger Filmwoche zeigt „We Are All Detroit“ am 13. November 2021 um 20 Uhr im filmforum am Dellplatz im diesjährigen Wettbewerb des Programms. Ein Besuch des Festivals ist auch online möglich. Nach erfolgter Akkreditierung können Angemeldete die Wettbewerbsfilme sehen sowie die Filmgespräche und das Rahmenprogramm im Livestream verfolgen.
Credits „We Are All Detroit”
We Are All Detroit – Vom Bleiben und Verschwinden
Ein Film von Michael Loeken und Ulrike Franke
118 min (D/EN)
Regie: Ulrike Franke, Michael Loeken
Kamera: Uwe Schäfer, Philip Hallay, Fabrizio Constantini, Michael Loeken, Michael
Chauvistré, Jörg Adams
Ton: Florian Högerle, Ulrike Franke, Bal-Aton Bori, Michael Loeken, Max Walter
Schnitt: Guido Krajewski, Bert Schmidt
Musik: Maciej Śledziecki
Redaktion: Jutta Krug (WDR)
Förderung: Film- und Medienstiftung NRW, BKM, DFFF
© Filmproduktion Loekenfranke 2021