»Die Stefan-Mappus-Story«
Es wird in Baden-Württemberg nicht in Kürze gewählt. Deshalb ist es jetzt, sieben Jahre nach dem Sturz der CDU aus der Regierung (die sie mittlerweile als Juniorpartner wieder halbwegs zurück erhalten hat), vielleicht der richtige Zeitpunkt, um über Stefan Mappus nachzudenken. Er wird in der Dokumentation »Die Stefan-Mappus-Story« (in der SWR-Mediathek bis 13.9.2019 abrufbar) als »meistgehasster Politiker Deutschlands« des Jahres 2011 vorgestellt. Was macht ein solcher Absturz mit einem Menschen? Und woher kommt »die Angschd vor dem Wähler«?
Dass Politiker eine Wahl verlieren, anschließend von ihren einstigen Parteifreunden gemieden werden und sich der Rückzug aus der Öffentlichkeit ins Private und in eine neue berufliche Existenz mehr wie ein tiefer Sturz anfüllt, ist keine Seltenheit. Doch was unterscheidet die Geschichte des Stefan Mappus von der eines Björn Engholm, von einem Kurt Beck, von einem Friedrich Merz oder auch von einem Edmund Stoiber? Mappus, der Kurz-Ministerpräsident in Baden-Württemberg (von Februar 2010 bis Mai 2011), gilt als einer, der nach einer verlorenen Wahl besonders tief gestürzt ist. Was freilich auch eine Menge darüber aussagt, dass man dem Pforzheimer CDU-Politiker sicher eine Zeit lang noch viel höhere Ämter als die des Südwest-Landesvaters zugetraut hatte. Doch mit der Wahl im März 2011, bei der die CDU nach 60 Jahren erstmals aus der Landesregierung kippte, kam für Mappus nicht nur das politische Aus; der Karriereknick war mehr die Zerstörung seines Bildes als politischer Macher. In Untersuchungsausschüssen und Prozessen, die sich in den Folgejahren abspielten, konnte ihm zwar kein schuldhaftes Handeln nachgewiesen werden (allerdings nicht immer verfassungskonformes), aber zugleich verfestigten diese Nachspiele das Urteil, das über Mappus bis zum heutigen Tag gesprochen scheint: Comeback ausgeschlossen!
Oder doch nicht? In der 45-Minuten-Dokumentation »Die Stefan-Mappus-Story« müssen sich die Autorinnen Jana Kübel und Martina Treuter dieser Frage natürlich auch stellen. Mehrmals, berichten sie am Ende des vom Südwestrundfunk produzierten Dokumentarfilmes, hätten sie ihren Protagonisten gefragt und nie habe er mehr Konkreteres gesagt als nur jenes »Man sollte nie nie sagen«, mit der Mappus einen Filmtitel zitiert, in dem der bärbeißige Sean Connery sein Comeback als Geheimagent gab. Allerdings habe Mappus auch nicht Nein gesagt. Das hört sich fast schon nach dem üblichen Nicht-dementieren-Modus im Politik-Slang an.
Die Stefan-Mappus-Story (SWR-Mediathek)
(Video laut Sender abrufbar bis 13.9.2019)
Das Abheben ist leicht, die Landung ist das Problem
In den 45 Minuten konzentrieren sich die Autorinnen hauptsächlich auf die Zeit nach seinem Sturz. Mappus und seine Frau Susanne wirken daran mit, in dem sie mal ein Interview auf der Autobahnraststätte geben (mit einem Hauch von Privatem: Trinkt sie Latte macchiatto oder Cappucino?) oder Mappus die Kamera in seinem Kleinflugzeug zulässt, mit der er als Pilot gerne abhebt. Dass er dazu den tiefsinnigen Satz zitiert, dass das Abheben leichter sei als die Landung, lässt sich dann natürlich ideal auch als Kommentar zu seiner politischen Geschichte deuten, die vor sieben Jahren zerschellte.
Mit Günther Oettinger (seinem Amtsvorgänger) und Winfried Kretschmann (seinem Amtsnachfolger) sowie der Journalistin Bettina Wieselmann, die Jahrzehnte lang die Landespolitik im Südweststaat begleitete, findet der Film dann drei Kommentatoren, die deutlichere Worte über das Ende der kurzen Ära Mappus und der Zeit danach finden, als es dem Beschriebenen selbst möglich zu sein scheint. Da fallen Formulierungen wie »desolate Organisation«, »dramatischer Vertrauensverlust« und »verfassungswidrig«. Und Stefan Mappus gibt den vielleicht besten Hinweis, was ihn als Politiker ausmachte. Er habe keine »Angschd vor dem Wähler« gehabt, schwäbelt der Pforzheimer in die Kamera. Aber, dass ihm der Vertrauensverlust in die Politik – ausgelöst durch Stuttgart 21, der misslungene EnBW-Deal und das Unglück in Fukushima – das Fürchten gelehrt und letztlich die politische Karriere kostete, anerkennt er dann doch auch. Und vielleicht würde er, anders als manch Anderer, dann doch beim nächsten Mal nicht wieder alles so machen, wobei, vielleicht das Andere dann doch.
Von unerwarteter Seite kommt da Unterstützung daher: Nur 150.000 Stimmen hätten der CDU bei der Wahl 2011 gefehlt, erklärt Journalistin Wieselmann, und die Geschichte des Stefan Mappus wäre anders verlaufen. Das ist ein Zeugnis für ihre berufliche Ausgewogenheit. Man muss es so verstehen: Der Sturz des Mapus hätte so tief ja nicht sein müssen. Das sagt dann mehr etwas über die Politik aus als über den Gestürzten.
Zwei Bilder bleiben in dieser fairen Dokumentation über einen Gescheiterten, aber nicht Zerstörten, hängen. In dem einen ist er lachend und entspannt bei einem Treffen der Pforzheimer Jungen Union zu sehen. Es zeigt einen Mappus, das sich ganz und gar von jenem Bild des skrupellosen Machtpolitikers unterscheidet, das sich 2011 festgesetzt hatte; ein Brückenbauer und beseelter, volksnaher Zuhörer. Ein anderes ist fast unscheinbar entstanden bei der Enthüllung eines Porträtbildes – einer Ehre, die jedem einstigen Ministerpräsidenten des Landes zusteht. Man sieht Mappus da, wie er mit geschulter Maske den Journalisten Antwort gibt und sogar Smalltalk mit seinem Amtsnachfolger hält. Dann führt er das Glas zur Hand und sie zittert deutlich unter der Anspannung, die Mappus in diesem Moment empfindet. Wie auch immer man den Mann als Politiker bewerten mag – in dieser Sekunde blitzt durch, dass er ein Mensch ist. Da könnte man ihm wünschen, er würde auf die Frage nach einem Comeback »Nein« sagen und fortan einfach nur jenes sein: Mensch, der »Angschd« zeigen darf.