Es ist eine Aktion »purer Menschlichkeit«, die in den letzten Kriegstagen im noch von der deutschen Wehrmacht besetzten Tschechien stattfindet. Ein aus 77 aneinander gereihten Kohlewaggons bestehender Zug – vollgepfercht mit Gefangenen, mit Sterbenden, mit der Willkür der SS-Wachen ausgesetzten Menschen – soll in ein KZ transportiert werden. Es kommt so schlimm, wie es sich anhört – aber auch anders, als geplant. Diese furchtbare, aber auch von Humanität und spontanem Mut handelnde Geschichte erzählt die Geschichtsdokumentation »Todeszug in die Freiheit«, die am Donnerstagabend bei Phoenix gezeigt wurde. Erstsendung war im Januar im Ersten.
94803. Auch in Momenten der totalen Entmenschlichung funktionierte das nationalsozialistische Deutsche Reich. Akten, Zahlen, Vermerke. Auch ein geheimer Todeszug, an Bord Tausende von kaum noch lebenden Gefangenen, musste seine Nummer haben. Die hieß 94803. Die Menschen darin: Wesen ohne Namen, viele von Ihnen aber mit einer Nummer tätowiert. Der Tod war im Nazi-Deutschland wohl organisiert.
So wie auch dieser schier unbegreifliche Menschentransport, der sich 1945 auf tschechischen Gleisen abspielte. Der von Andrea Mocellin und Thomas Muggenthaler für den Bayerischen Rundfunk gedrehte Film erzählt die einzigartige Geschichte eines KZ-Transports in den letzten Kriegstagen im Frühjahr 1945 vom KZ-Außenlager Leitmeritz, dem größten Außenlager des KZ Flossenbürg, in Richtung des KZ Mauthausen, dem größten deutschen Konzentrationslager der Nationalsozialisten auf dem Gebiet Österreichs.
Weil im Westen und von Osten her bereits die Befreier dem Nazi-Terror ein Ende setzen, wird aus dem Menschentransport ein Todeszug, der mit seiner kaum noch hoffenden und kaum noch lebenden Fracht durch einen noch unter deutschem Regime stehenden Restkorridor irrt. Und aus der tschechischen Bevölkerung, die entlang der endlosen Gleise zunehmend von diesem Horror auf Rädern erfährt, gibt es mutige Versuche, ein wenig Menschlichkeit in diesen dunkelsten Stunde der Menschenverachtung zu bringen. Anfangs zögerlich und von manchen SS-Männern noch mit brutalen Kopfschüssen geahndet; später dann mit zunehmendem Erfolg und zugleich wachsender Verwirrung bei den deutschen Wachen.
Es gelingt nach tagelanger Fahrt am Ende 1500 von 4000 Häftlingen das Leben zu retten. Für ihren über viele Jahre recherchierten Film konnten die beiden Filmer Andrea Mocellin und Thomas Muggenthaler auf einzigartige Fotos und sogar Filmmaterial zugreifen – auch dies entstanden in unmittelbarer Lebensgefahr. Zudem konnten sie, mehr als 70 Jahre nach diesen Ereignissen, noch mit zahlreichen Zeitzeugen sprechen.
Es ist ein Film, der sprachlos macht vor dem Grauen, das nur ein Menschenalter entfernt Deutsche anrichteten. Und ein Film, der eine einfache Botschaft trägt: »Was ich weiß, weiß ich«, sagt an einer Stelle eine tschechische Helferin, die damals als junges Mädchen einem Gefangenen half. Wer Geschichte begreifen will, muss zuhören können.