Wer entscheidet in Zukunft, ob ich vielleicht ein Verbrecher bin? Rund ein Jahr nach seinem Kinoeinsatz war der Dokumentarfilm »Pre-Crime« von Monika Hielscher und Matthias Heeder erstmals im Fernsehen zu sehen – und steht nun bis 31. Oktober 2018 in der Mediathek des Senders zum Abruf bereit. Der Film stellt die Frage, wie viel Freiheit wir aufzugeben bereit sind – für das Versprechen absoluter Sicherheit. Was nach einem Science-Fiction-Szenario klingt, ist in einigen Städten schon längst Realität. Big Data dient dabei als Quelle für die Informationen. Ob wir gefährlich sind oder nicht wird schon heute von Polizeicomputern entschieden. Die Fiktion von »Minority Report« ist zur Wirklichkeit geworden. »Predice Policing« nennt sich die Methode.
»Pre-Crime« zeigt, wie die über uns gesammelten Daten zunehmend von der Polizei genutzt werden, um Verbrechensprofile anzulegen, um Täter zu verfolgen, aber auch, um präventiv zu arbeiten. Die ganzen Fernsehkrimis zeigen, dass die Auswertung der Handys inzwischen zum wichtigen Aspekt der Strafverfolgung geworden ist. In den USA sind dabei der Datenschutz und die Persönlichkeitssphäre kein Thema und es ist ein totalitäres System, das keinen Widerspruch duldet. In Europa und speziell Deutschland ist dies schon etwas anders, wie auch der Gewinner des Deutschen Dokumentarfilmpreises 2017 »Democracy – Im Rausch der Daten« von David Bernet zeigte. Darin ging es darum, auf europäischer Ebene den Schutz persönlicher Daten durchzusetzen – was letztlich erfolgreich war.
Doch auch bei uns arbeiten die Sicherheitskräfte an ähnlichen Systemen. Matthias Heeder hofft ein Stück weit auf die Qualitäten einer kritischen Zivilgesellschaft, will aber nicht ausschließen, dass im Fall eines wachsenden Terrorismus die heute noch vorhandenen Bedenken schnell ausgeräumt werden. Der Deutsche Herbst und die Rasterfahndung, um die RAF-Terroristen aufzuspüren, haben dies gezeigt. Auch deshalb wuchs in der Bevölkerung die Kritik an solchen Überwachungsmethoden und die Furcht vor der Volkszählung 1986. Diese kritische Position hat sich nivelliert und heute stellen viele freiwillig ihre persönlichen Daten ins Netz. Heeder wies bei einer DOK Premiere des Filmes im Dezember 2017 allerdings auch darauf hin, dass das ‚Predictive Policing‘ und die Vorhersage von Verbrechen bisher nicht so effektiv sind, wie behauptet. In Deutschland werden entsprechende Programme beispielsweise für die Analyse und Vorhersage von Einbrüchen genutzt. Allerdings gibt es kaum Unterschiede zwischen den Stadtteilen, wo es eingesetzt wird mit Stadtteilen, wo es nicht eingesetzt wird.
Die größte Gefahr sieht der Filmemacher darin, dass bisher getrennte Daten wie persönliche Daten, Bank- und Kreditkarten Daten mit sozialen Netzwerken und Daten über das Kaufverhalten zusammengeführt und durch auf dem Markt angebotene Dateien ergänzt werden, deren Erfassung keiner kennt und durchschaut. Die Programme wären dort effektiv, wo Big Data nach einem vorhandenen Muster durchsucht werden könnten. Für Verbrechen sei diese Methode schwer anwendbar.
Pre-Crime (Arte-Mediathek)
(Video laut Sender abrufbar bis 31. Oktober 2018)
Der Film reist um die Welt und stellt Menschen vor, die täglich mit dieser Technik arbeiten und sie weiter entwickeln, weiter verfeinern. Computer sammeln Daten im großen Maßstab aus vielfältigen Quellen, werten Aufnahmen von Überwachungskameras aus und berechnen auf Grundlage die Wahrscheinlichkeit von kriminellen Handlungen. Wie wichtig inzwischen die Auswertung von Handy-Daten ist, zeigen uns jeden Abend die neuen Folgen von TV-Krimis. Oft hilft die Auswertung der Telefondaten bei der Aufklärung von Verbrechen. »Pre-Crime“ interviewt aber ebenso Menschen, die dadurch zu Opfern wurden. Wenn man einmal als auffällig im System gespeichert ist, ist es schwierig bis unmöglich dort wieder heraus zu kommen.