Kinotipp: Shut Up and Play the Piano
Philipp Jedickes erste dokumentarische Regiearbeit, mit dem er beim SWR Doku Festival 2018 den Förderpreis des Hauses des Dokumentarfilms gewann, geht hautnah den exzentrischen Musiker Chilly Gonzales heran – dabei hatte der zur Vorbedingung gemacht, dass keine zu privaten Aufnahmen gemacht werden. Der »Albtraum eines Dokumentarfilmers« (Regisseur Jedicke) verwandelte sich aber ins Positive, denn so rückte die Inspiration des Musikers ins Zentrum des Filmes. Ein Glücksfall, der seine Zuschauer beglückt.
Kinostart: 20. September 2018
Der kanadische Musiker Chilly Gonzales ist preisgekrönter Komponist, Klaviervirtuose und Entertainer. Er stellt Rap und Elektronik ganz selbstverständlich neben Kammermusik und ist der unverschämte Pop-Performer, der ungebeten in Bademantel und Pantoffel im Elfenbeinturm der Klassik abhängt. Als exzentrischer Musiker ist er Inspirationsquelle für so unterschiedliche Künstler wie Feist, Jarvis Cocker, Peaches, Daft Punk und Drake. Veränderung ist die einzige Konstante in Gonzales‘ künstlerischem Output. Jedes Mal, wenn sein Publikum glaubt, ihn durchschaut zu haben, vollzieht er einen radikalen Stilwechsel und bricht mit Erwartungen. Während viele Musiker möglichst authentisch erscheinen wollen, macht Gonzo das Gegenteil und sucht nach der Wahrheit im Kunstgriff.
Beim diesjährigen SWR Doku Festival gewann Philipp Jedicke den Förderpreis des Hauses des Dokumentarfilms. Wir präsentieren »Shut Up and Play the Piano« am Sonntag, 7. Oktober 2018, 16:30 Uhr, beim Festival Ludwigsburger Lichtspielliebe im Scala als »DOK Premiere Extra«. Im Anschluss an die Vorführung wird es ein Filmgespräch von Kay Hoffmann mit Philipp Jedicke geben.
Das Kino-Debüt von Philipp Jedicke unter dem Titel »Shut Up and Play the Piano« folgt Gonzales von seiner Heimat Kanada in den Berliner Underground der späten 1990er Jahre und über Paris in die Konzerthäuser der Gegenwart. Er taucht tief ein in Gonzales‘ Bühnenpersona, in der Selbstzweifel und Größenwahn zwei Seiten ein- und derselben Medaille sind, denn an einem Porträt des Privatmenschen war Gonzales nicht interessiert. Seine Verspieltheit als Künstler und seiner breiten Palette an Auftritten spiegelt sich in der Machart des Films. »Shut Up and Play the Piano« verbindet bislang unveröffentlichtes Material aus Gonzales‘ umfangreichem Video-Archiv mit neu gedrehten Interviews, Live-Konzerten und fiktionalen Szenen. Ein originelles Interview führte Sibylle Berg mit dem Künstler. Realität und Fiktion werden eins auf einem Trip durch Gonzales‘ Welt. Ergebnis ist ein kurioser, unterhaltsamer Dokumentarfilm über das Multitalent Chilly Gonzales: Musiker, Komiker und Entertainer mit mitreißender Bühnenpräsenz.
Philip Jedicke sagt über seinen Film: »Gonzo hatte vorab eine einzige Bedingung gestellt: keine privaten Situationen zu filmen. Stattdessen verwies er auf seine Songtexte und sein Archiv – damit sei alles gesagt.« Und weiter: »Keine intimen Eindrücke? Was zunächst wie der Albtraum jedes Dokumentarfilmers klingt, wurde mit der Zeit zu einem Rahmen, der mir Orientierung gab. Durch das Studieren seiner Texte, das Sichten seines Archivs und die Gespräche mit ihm konnte ich wiederkehrende Themen identifizieren und Bezüge zu seiner Persönlichkeit herstellen. Es ist tatsächlich alles da, in seiner Bühnenpersona, seinen Raps und seinen Bühnen-Gags. Ironie, Sarkasmus und Fremdschämen sind Vehikel, mit denen Gonzo seine Unsicherheiten öffentlich zur Schau stellt und sie angeht.«