Kino-Tipp: »Genesis 2.0« von Christian Frei und Maxim Arbugaev
Zwei Welten, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Auf der einen Seite die archaische Weite der Insel Neu-Sibiriens, auf der jeden Sommer die Jagd nach Stoßzähnen von Mammuts beginnt. Durch die Erderwärmung taut der Permafrost auf und legt die seit tausenden von Jahren eingefrorenen Skelette frei. Auf der anderen Seite die kühle Welt wissenschaftlicher Konferenzen und Gen-Labore. Sie träumen davon, aus den aufgetauten Zellen neue Mammuts zu klonen oder sie komplett neu zu erschaffen. Aus diesen Gegensätzen zieht »Genesis 2.0« von Christian Frei und Maxim Arbugaev seine Spannung.
Kinostart: 17. Januar 2019
Besonders erfolgreich im Klongeschäft ist die koreanische Firma Sooam Biotech, die schon über 900 Hunde geklont hat. Für 100.000 US-Dollar bekommt man dort zwei Hundenachkommen des verstorbenen eigenen Lieblings. Dass sich dabei nicht nur ethische Fragen stellen, sondern es durchaus auch kriminelle Aktivitäten gibt, zeigte 2006 der Stammzellen-Skandal, in denen der koreanische Firmenchef involviert war und der damals zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde.
Christian Frei, der schon mit Filmen wie seinem Oscar nominierten »War Photographer« (2001), mit »The Giant Buddhas« (2005) und seinem »Space Tourist« (2009) beeindruckte, setzt diese beiden Welten bewusst gegeneinander. Sein Ko-Regisseur Maxim Arbugaev begleitete die Mammutjäger auf ihren gefährlichen Expeditionen ins Nirgendwo und wurde Teil des Teams. Sie träumen alle vom großen Reichtum durch ihre Fundstücke, doch die eigentlichen Gewinne machen die Zwischenhändler. Zugleich ist es eine Welt, die von Mythen lebt und bei der sich die Jäger der Verantwortung gegenüber der Natur bewusst sind. Sie haben immer Angst, für ihren Raubbau von ihr bestraft zu werden. Einige kommen nicht zurück von ihren Expeditionen, andere sterben zu Hause. Die Rückreise von der Insel erweist sich als besonders gefährlich.
Nach einem immer strikter durchgesetzten Verbot des Elfenbeinhandels von Elefanten sind die Preise für das urzeitliche Bein der Mammuts international gestiegen, vor allem auch in Asien. Denn diese Zähne können verarbeitet und mit hohem Gewinn verkauft werden. Ein Mittler zwischen den Welten ist Semyon Grigoriev, Leiter eines Mammut-Museums in Nordsibirien und Bruder einer der Jäger. Auch er hat den Traum, ein Mammut klonen zu können. Er erzählt, dass die Mammuts früher als heilige Tier der Unterwelt gesehen wurden. Über Satellitentelefon und per Mail kommuniziert Arbugaev mit Frei, der in der Welt herumreist in den anderen Hightechwelten. Denn der Fund eines Mammut-Kadavers mit Fell und Blut lässt die Hoffnungen wachsen, aus diesen Zellen ein neues
Mammut klonen zu können. Andere wie der renommierte amerikanische Molekularbiologe George Church gehen mit ihren Ideen noch weiter. Wenn man die DNA des Mammuts entschlüsseln kann, dann kann man mit der synthetischen Biologie sie auch künstlich schaffen und optimieren, beispielsweise mit Elefanten mischen. Evolution reloaded. Vor dem Gebäude der chinesischen Genbank stehen schon zwei Mammuts als Symbole für die nächsten Ziele. Was wie ein skurriler Science-Fiction-Plot klingt, ist längst Realität und ethische Bedenken haben die daran beteiligten Forscher kaum. Sie huldigen dem wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt. Die Genetik der Zukunft könnte unsere Welt auf den Kopf stellen.
Die Grundidee des Films beschreibt Christian Frei so: »Er verführt die Zuschauer in eine archaische Welt und überrascht sie mit einem Zukunftsthema. Er erzählt von alten Legenden, Mythen und Tabus – und konfrontiert uns mit der eigenen Angst vor der unbekannten Zukunft. Er lädt auf attraktive Weise ein, eigentlich unvereinbare Welten des Denkens, Handelns und Bewertens kennen und verstehen zu lernen.«
Christian Frei und seinem Co-Regisseur Maxim Arbugaev ist ein bildgewaltiger, packender Dokumentarfilm gelungen, der beim Sundance Festival für die Beste Kamera und bei vielen anderen Festivals ausgezeichnet wurde. Seine Spannung wird durch das atmosphärische Musikscore von Max Richter und Edward Artemyev unterstützt und in einigen Passagen verstärkt.