So war die DOK Premiere von „Loving Highsmith“
Die Filmemacherin Eva Vitija widmet sich in ihrem Dokumentarfilm „Loving Highsmith“ dem Leben der bekannten Schriftstellerin Patricia Highsmith. Am 19. und 20.04.22 war sie bei der DOK Premiere in Stuttgart und Ludwigsburg zu Gast.
Wer bei „Loving Highsmith“ mit einer Liebeserklärung an die texanische Schriftstellerin gerechnet hat, war bei der gestrigen DOK Premiere genau richtig. Bei ihren Recherchen hat sich die Regisseurin Eva Vitija gleich in die Frau aus den Tagebüchern verliebt. „Ich habe chronologisch angefangen, ihre Notizbücher zu lesen und da ist mir eine ganz begeisterte, romantische junge Frau begegnet, die ich überhaupt nicht erwartet hätte“, erklärte sie im Filmgespräch mit Goggo Gensch vom Haus des Dokumentarfilms.
Highsmith schreibt über ihr Liebesleben in den Tagebüchern
Der Dokumentarfilm widmet sich Patricia Highsmiths Leben, von dem ein Großteil erst nach ihrem Tod durch ihre Tagebücher ans Licht kam. Der Öffentlichkeit war sie als zurückhaltende, alleinstehende Frau bekannt, doch in ihren Notizbüchern kommt ein völlig anderer Mensch zum Vorschein. „Das Bild von ihr ist so unglaublich auseinandergeklafft. Das habe ich versucht, rauszufinden, vor allem auch über die Menschen, die ich getroffen habe“, so Vitija.
Dass die Schriftstellerin lesbisch war, erfuhren die meisten erst nach ihrem Tod. In ihren Tagebüchern und Manuskripten schrieb sie über ihr Liebesleben. Die Filmemacherin trifft einige ihrer Geliebten, darunter Marijane Meaker, die bereits ein Buch über ihre komplizierte Liaison zu Patricia Highsmith verfasste. „Die schwierigen Beziehungen haben sie für das Schreiben viel stärker inspiriert als die einfachen“, erklärte die Filmemacherin bei der DOK Premiere.
Das Schreiben stand bei ihr an erster Stelle
Schon in jungen Jahren hatte sie als Schriftstellerin großen Erfolg. Ihr Roman „Der Fremde
im Zug“ (engl.: „Strangers on a Train“) wurde kurz nach dessen Veröffentlichung von Alfred Hitchcock verfilmt. Viele der von ihr entworfenen Figuren haben unkonventionelle Moralvorstellungen, wie beispielsweise Tom Ripley („Der talentierte Mr. Ripley“). Schuld ist ein zentrales Motiv ihrer Bücher. „Die Frage, wie es zu Gewalt kommt, hat sie sehr beschäftigt. Schuldlosigkeit war für sie immer eine Art Utopie, weil man selbst natürlich nie schuldlos ist“, erläuterte Eva Vitija.
1952 veröffentlichte sie den Roman „Salz und sein Preis“ (später „Carol“) erstmals unter einem Pseudonym. Es war eines der ersten Bücher über die Liebe zwischen zwei Frauen, das kein tragisches Ende hat: Ein doppelter Tabubruch! Knapp 40 Jahre später bekannte sie sich zu dem Werk, das von ihren eigenen Liebeserfahrungen mit Frauen inspiriert ist. „Begründet hat sie es damit, dass es immer mehr Raubkopien gab. Es war aber auch eine Art bewusstes Outing. Zuvor wollte sie es nicht unter ihrem Namen veröffentlichen, obwohl ihr dafür mehr Geld geboten wurde.“
Gespaltenes Verhältnis zu ihrer Heimat
Geboren in Texas und aufgewachsen bei ihrer Großmutter, wurde sie mit sechs Jahren von ihrer Mutter zu sich nach New York genommen. Zu letzterer hatte sie ein zwiespältiges Verhältnis. „Sie hat ihre texanische Herkunft eher abgelehnt, trotzdem hatte sie etwas von einem Rodeo-Girl. In ihrem Leben wirkte vieles zwiespältig, das macht es so interessant“, so Vitija.
In ihren jungen Jahren bereiste sie Europa und lebte später selbst dort. Für die Familie war Patricia Highsmith die schwierige Tante in Europa. „Sie hatten eigentlich kein wirklich positives Bild von Highsmith. Vieles ist der Familie erst während der Dreharbeiten bewusst geworden.“
Im Archiv fündig geworden
Begonnen hat Eva Vitija mit der Recherche zu „Loving Highsmith“ bereits 2016. „Am längsten hat die Archivrecherche gedauert, weil die Tagebücher nicht sehr leserlich waren und man jeden Satz entziffern musste“, sagte sie dazu im Filmgespräch. Neben den Tagebucheinträgen verwendet sie im Film auch zahlreiche Fotografien von Highsmith, die mit mehreren Fotografen befreundet war.
Zusätzlich nutzte Vitija auch Super-8-Aufnahmen von ihrer eigenen Familie. „Es hat sich rausgestellt, dass mein Vater, der sehr viel gefilmt hat, immer zur gleichen Zeit an denselben Orten war wie Patricia Highsmith.“ Damit konnten viele visuelle Leerstellen im Leben Highsmiths gefüllt werden.
Porträt einer Schriftstellerin
Die Finanzierung des Dokumentarfilms habe sehr gut funktioniert, obwohl es sich nicht um einen Low Budget Film handelt, berichtete Eva Vitija. „Mit Highsmith als zentraler Persönlichkeit rechnen viele Produktionsfirmen mit einem erfolgreichen Film“.
„Loving Highsmith“ erschafft durch Fotografien, Archivaufnahmen und aktuelle Interviews ein filmisches Porträt der erfolgreichen Schriftstellerin. Der Dokumentarfilm gibt einen Einblick in das Leben und Wirken einer beeindruckenden Persönlichkeit, die so viel von sich selbst in ihren Werken verarbeitete, was sie vor der breiten Öffentlichkeit bis zu ihrem Tod geheim hielt.
https://youtu.be/i1fJN2WCFfg