Berlinale und Dokumentarfilme I
Auf der diesjährigen Berlinale laufen wieder zahlreiche Dokumentarfilme aus der ganzen Welt in allen Sektionen – außer im Wettbewerb. Immerhin läuft Agnés Vardas »Varda par Agnés« außer Konkurrenz und die berühmte französische Filmemacherin wird in diesem Jahr mit einer Berlinale Kamera ausgezeichnet. Dafür laufen einige Dokumentarfilme in der Reihe »Berlinale Special« wie »Anthropocene« von Jennifer Baichwal, Nicholas de Penscier und Edward Burtynsky, ein bildmächtiger Film über die Folgen menschlichen Handelns auf die Welt.
Genau mit diesem Thema beschäftigt sich auch »Erde«, der neue Dokumentarfilm des östereichischen Regisseurs Nikolaus Geyrhalter. An sieben auf der Welt zeigt er in pompösen Bildern Orte, die der Mensch gewaltig umgestaltet ohne Rücksicht auf die Folgen für Umwelt und Natur. Der deutsche Doku-Drama-Spezialist Heinrich Breloer ist mit seinen Film über »Brecht« vertreten, in dem er wieder gekonnt inszeniertes Material und dokumentarische Fundstücke mischt zu einem Film von über drei Stunden. Mario Adorf steht im Mittelpunkt von Dominik Wessely’s Dokumentarfilm »Es hätte schlimmer kommen können«. Das Stück ‘Spiel mit der Zeit’ des Jugendensembles des Friedrichstadtpalast und die Arbeit mit den Jugendlichen steht im Mittelpunkt von Alice Agneskirchners »Lampenfieber«, der kommenden Sonntag Premiere im Friedrichstadtpalast haben wird. Der gefeierte Modefotograf wird von Jean Michel Vecchiet gewürdigt in »Peter Lindbergh – Women Stories« und die Kultgruppe Toten Hosen in dem Dokumentarfilm »Weil Du nur einmal lebst« von Cordula Kablitz-Post, die die Gruppe schon lange begleitet. Über vier Stunden lang ist der Kompilationsfilm »Watergate – or: How we learned to stop an out of control President« von Charles Ferguson. Er montiert TV-Auschnitte, Zeitzeugen-Interviews und Re-Enacments von Tonbandaufnahmen aus dem Oval Office und schafft es, daraus einen Film mit Thrillerqualitäten zu montieren.
In diesem Jahr vergeben die Internationalen Filmfestspiele Berlin zum dritten Mal den Glashütte Original – Dokumentarfilmpreis, der Dank der Unterstützung durch die sächsische Uhrenmanufaktur Glashütte Original 2017 ins Leben gerufen wurde. Die Auszeichnung für den besten Dokumentarfilm ist von der Uhrenfirma mit einem Preisgeld von 50.000 Euro dotiert. Das Preisgeld teilen sich Regisseur*innen und Produzent*innen des Preisträgerfilms. Insgesamt sind in diesem Jahr 17 aktuelle dokumentarische Arbeiten aus den Sektionen Panorama, Forum, Generation, Perspektive Deutsches Kino und der Sonderreihe Kulinarisches Kino für den Glashütte Original–Dokumentarfilmpreis nominiert.
Der Preis wird im Rahmen der offiziellen Preisverleihung im Berlinale Palast am 16. Februar verliehen. Neben dem Preisgeld wird Glashütte Original auch die Statuette stellen, die in aufwendiger Handarbeit in der sächsischen Manufaktur gefertigt wird. Über den Preis entscheidet eine dreiköpfige Jury, der die italienische Festivalmacherin Maria Bonsanti, der amerikanische Regisseur und Drehbuchautor Gregory Nava und die brasilianische Regisseurin Maria Ramos angehören. Wir werden in den nächsten Tagen ausführlicher über die nominierten Filme berichten.
Die Berlinale nutzte das deutsch-französische Interreg-Projekt “Film am Oberrhein” sich der Branche vorzustellen. Dies Projekt will den grenzüberschreitenden Austausch der beiden Länder in verschiedenen Bereichen unterstützen. Spielfilm, Dokumentarfilm, Animation, Autorentraining und Green Shooting stehen auf der Agenda. Erste Filmprojekte sind in Planung. Eine Trailer-Show zeigte wichtige Produktionen aus der Region. Vom 9.-11. Juli wird das Rheinische Koproduktionstreffen ‘Forum Alentours’ in Strasbourg stattfinden, wo die Branche weiter zusammenwachsen und künftige Filmprojekte entwickelt werden sollen.
Beim Ökumenischen Empfang der beiden christlichen Kirchen leitete der katholische Bischof Fürst den Abend mit einer medienkritischen Analyse der Gegenwart ein. Das Vertrauen in die Medien sei durch verschiedene Skandale erschüttert worden. Die katholische Kirche kämpfe mit der bedingungslosen Aufklärung der Mißbrauchsfälle. Dadurch drohe das Vertrauen in der Kirche ebenfalls verloren zu gehen. Auch der Kulturbeauftragte der EKD Pastor Hinrich Clausen wies darauf hin, dass auch im kulturellen Bereich ein raueres Kllima herrsche. Die Jurypräsidentin der Ökumenischen Jury Anna Grebe stellte die international besetzte Jury vor und betonte, dass sie immer ein besonderes Gespür für gute Filme und Zwischentöne bewiesen hätten. Dieter Kosslick wurde von Interfilm und Signis mit einem Ehrenpreis für sein Engagement ausgezeichnet. In seinem Dank betonte er, dass die Berlinale dies Jahr eine Verpflichtung unterschrieben habe, sich stärker für die gleichberechtigte Besetzung der Gremien einzusetzen und 2019 seien sie schon weit gekommen. Sieben der siebzehn Filme im Wettbewerb stammten von Frauen. Jeder Film öffne ein Fenster zu einer anderen Welt. Er nutzte die Chance für einen politischen Angriff gegen die Flüchtlingshetze der CSU und mahnte die katholische Kirche, die Mißbrauchsfälle ernst zu nehmen. Der Preis bestärke ihn, dass er einiges richtig gemacht habe.
Titelfoto: Filmstill aus »Erde« | Foto: Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion