Berlinale IV
Berlinale und Dokumentarfilm IV
In diesem Jahr sind mehrere Filme der Sektion Generation für den Glashüttepreis nominiert wie »Ringside«, »By the name of Tania« oder »Baracoa«. Kay Hoffmann hat die drei ebenso gesehen wie »Anthropocene: The Human Epoch« und »When Tomatoes met Wagner« und berichtet darüber.
Berge von Elefantenzähnen werden in Kenia verbrannt, um sie dem Markt zu entziehen. Damit beginnt der beeindruckende Dokumentarfilm »Anthropocene: The Human Epoch« der Kanadier Jennifer Baichwal, Edward Burtynsky und Nicholas de Pencier, der auch für die Bildgestaltung verantwortlich war. Sie schließen nach »Manufactured Landscape« (2006) und »Watermark« (2013) ihre Triologie ab, bei der sie sich mit den Folgen menschliches Handelns auf die Welt auseinander setzen. Der Mensch hat die Erde in den vergangenen 200 Jahren mehr verändert als jemals zuvor. In ihrem neuen Film, der als Europapremiere in Anwesenheit von Kultur-Staatsministerin Monika Grütters lief, zeigen sie solch extremen Eingriffe in die Landschaft in großen Bildern. Sie werden sachlich kommentiert, wenn beispielsweise die nackten Zahlen des Landschaftsverbrauchs genannt werden. Insgesamt arbeiteten sie fünf Jahre an dieser Produktion. Oft sind die atemberaubenden Bilder mit klassischer Musik unterlegt, die dadurch ihre Wirkung richtig entfalten können. Ihre These ist, daß der Mensch dabei ist, sich die Erde in aller Konsequenz untertan zu machen.
Die Qualität Ihrer Tomaten mit Musikbeschallung zu verbessern ist ein Aspekt des griechischen Dokumentarfilms »When Tomatoes met Wagner« von Marianna Economou. Doch er spielt eher am Rande eine Rolle. Ein engagierter Unternehmer versucht mit einem speziellen Tomaten Salat die Bioläden der Welt zu erobern, dadurch den meist alten Damen seines Ortes in der Mitte Griechenlands eine Perspektive zu geben und so etwas gegen die Landflucht zu unternehmen. Neue Rezepte werden gemeinsam getestet und die Damen unterstützen ihn immer wieder. Aber es nicht leicht, das neue Produkt, von dem sie überzeugt sind, auf dem globalen Markt zu platzieren. Doch sie exportieren nicht nur in verschiedene Länder Europas, sondern ebenso nach Asien und in die USA. Von dort hatte Christopher Kolumbus vor 500 Jahren Tomatensamen mitgebracht. Es ist ein charmanter Film, der von seinem Witz lebt. Er steht für den Versuch, der wirtschaftlichen Krise Griechenlands etwas entgegen zu setzen und seinen eigenen Weg zu gehen.
Um den Aufstieg aus den schwarzen Ghettos in Chicago geht es in André Hörmanns »Ringside«. Er erzählt von den zwei jungen Boxtalenten Kenny und Destyne, die beide von ihren ehrgeizigen Vätern gepusht werden. Beide haben schon zahlreiche Kämpfe gewonnen und träumen von einer Teilnahme an der Olympiade für die amerikanische Mannschaft. Der eine landet allerdings wegen der Beteiligung an einem Raubüberfall im Gefängnis und von dort in ein Besserungscamp, wo er mit militärischer Disziplin hart trainiert wird. Der andere schlägt den Weg eines Profiboxers ein. Gerade die genaue Beobachtung und die gesellschaftliche Verankerung dieser beiden Lebensläufe zeichnet diesen Film aus. Denn beide stehen für die Chance, mit dem Sport einen sozialen Aufstieg zu schaffen.
»By the Name of Tania« der beiden belgischen Filmemacherinnen Bénédicte Liénard und Mary Jiménez schildert dagegen den Abstieg eines Mädchens in die Prostitution in Peru. Der Film basiert auf Ermittlungen und Verhören der Polizei. Aus verschiedenen aktenkundig gewordenen Fällen wurde der Charakter von Tanja entwickelt, die über ihr bisheriges Leben reflektiert. Der Film ist inszeniert und eine Mischung mit authentischen Momenten. Gerade das junge Mädchen, das die Rolle der Tanja spielt, ist äußerst überzeugend in ihrer ganzen Gebrochenheit. Sie hat zwar keine Erfahrung als Prostituierte, wurde aber sexuell mißbraucht. Die Kameraarbeit mit langen Einstellungen und auch bewussten Unschärfen ist eine gekonnte visuelle Umsetzung der Erinnerungen des Mädchens.
»Baracoa« von Pablo Briones folgt zwei Jungen auf Kuba, die sich in den Sommerferien ihre Zeit vertreiben. Antuán und Leonel sind eigentlich sehr unterschiedlich, verstehen sich aber trotzdem prächtig. Die Kamera folgt ihnen auf Augenhöhe bzw. mit leichter Untersicht. Sie plaudern ständig und so bekommen die jugendlichen Zuschauer, für die der Film gedacht ist, einen Eindruck vom Alltag in Kuba. Dies gilt vor allem für den Ausflug von ihrer Kleinstadt nach Havanna, wo sich ihre Wege auch kurz trennen. Doch am Ende stehen sie wieder gemeinsam am Meer und blicken in den Sonnenuntergang.
Die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg vergab auf einem Empfang in der Landesvertretung wieder den Thomas-Strittmatter-Drehbuchpreis. Dafür waren drei Bücher nominiert. Am Ende gewann Oliver Kracht den mit 20.000 € dotierten Preis für sein Buch »Die Geschichte des Trümmermädchens Charlotte Schumann«. Die Vergabe nutzte die MFG weitere Projekte und Erfolge vorzustellen. Beispielsweise läuft das vor zwei Jahren mit diesem Preis ausgezeichnete Buch »Systemsprenger« von Nora Fingscheidt im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale. Carl Bergengruen erwähnte, dass 85% der ausgezeichneten Bücher verfilmt wurden. Und er kündigte an, dass die stärkere Förderung des Dokumentarfilms durch die MFG in Vorbereitung wäre.