DOK Premiere im Juni 2022: BETTINA von Lutz Pehnert

Bettina Wegner, geboren in Westberlin, aufgewachsen in Ostberlin. Es ist der Weg zu einer beseelten Künstlerin mit einer unerschütterlichen humanistischen Haltung. Davon erzählt der Film „Bettina“. Am 14. und 15.6.22 bei unserer DOK Premiere zu sehen.

Geboren am 4. November 1947 in Berlin-Lichterfelde, wächst Bettina Wegner im Ostberliner Bezirk Pankow auf. 1964-1967 Ausbildung zur Bibliotheksfacharbeiterin, anschließend Studium an der Schauspielschule in Berlin. 1965 nimmt sie am republikweiten Wettbewerb junger Talente teil, wird zu den Arbeiterfestspielen in Frankfurt/Oder delegiert. 1966 gehört sie zu den Mitbegründern des „Hootenanny-Klubs“, der von dem kanadischen Sänger Perry Friedman ins Leben gerufen wird und aus dem später der Oktoberklub hervorgeht. 1968 verlässt sie den Oktoberklub.

Nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die ČSSR verteilt sie Flugblätter gegen die Intervention. Sie wird verhaftet und wegen „staatsfeindlicher Hetze“ zu 16 Monaten verurteilt. Die Haftstrafe wird ausgesetzt. Bettina Wegner soll sich zwei Jahre in der Produktion bewähren. Sie arbeitet als Fabrikarbeiterin in den Berliner Elektro-Apparate-Werken (EAW). 1970 heiratet sie den Schriftsteller Klaus Schlesinger. Sie arbeitet in der Berliner Stadtbibliothek, besucht nebenbei die Abendschule und macht 1972 ihr Abitur. Es folgt eine Ausbildung als Sängerin am Zentralen Studio für Unterhaltungskunst, die sie 1973 mit einem Diplom abschließt.

Musikalische Laufbahn von Bettina Wegner

Als freischaffende Liedermacherin, tritt mit eigenen Liedern und lyrischen Texten auf. Mit Klaus Schlesinger gründet sie die Veranstaltungsreihen „Eintopp“ (1973-75) im Berliner Haus der Jungen Talente und „Kramladen“ (1975/76) in Berlin-Weißensee. Dort tritt sie neben anderen Künstler:innen und Schriftsteller:innen auf. Die Veranstaltungen werden jeweils durch staatliche Organe verboten. Im November 1976 protestiert sie öffentlich gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann. Zunehmende Einschränkung ihrer Arbeitsmöglichkeiten und Auftrittsverbote sind die Folge. 1978 tritt sie zum ersten Mal in Westberlin auf, beim Literaturfest im Künstlerhaus Bethanien. Aus dem Konzertmitschnitt entsteht ihre erste LP „Sind so kleine Hände“, die in Westberlin und in der Bundesrepublik Deutschland erscheint.

1980 erhält sie einen Reisepass. Sie kann nur noch außerhalb der DDR auftreten. 1983 wird sie vom DDR-Kulturministerium aufgefordert, das Land zu verlassen. Andernfalls droht ihr ein Ermittlungsverfahren wegen „Verdachts auf Zoll- u. Devisenvergehen“. Im Juli 1983 übersiedelt Bettina Wegner nach Westberlin. Auftritte u.a. mit Joan Baez in der Waldbühne. Im Dezember 1989 tritt sie – gemeinsam mit anderen ausgebürgerten Liedermachern – zum ersten Mal wieder in der DDR auf, im Berliner „Haus der jungen Talente“.

Die junge Bettina Wegner © Werner Popp
Bettina Wegner im Tonstudio © Jörg Möller

Politisches Engagement

1992 gehört sie zu den Mitunterzeichnern des Appells zur Gründung des Komitees für Gerechtigkeit. 1996 erhält sie den Thüringischen Kleinkunstpreis. Sie gibt Benefizkonzerte für verschiedene soziale Projekte. 1998 engagiert sie sich für den inhaftierten Journalisten Mumia Abu-Jamal, gehört zu den Initiatoren einer Mahnwache vor der US-Botschaft in Berlin. Seit 2003 gibt sie immer wieder Benefizkonzerte für das Kinderhospiz „Sonnenhof“ der Björn-Schulz-Stiftung. Zu ihrem 35jährigen Bühnenjubiläum, am 22. Januar 2005 tritt sie in der Berliner Passionskirche auf. Im Dezember 2007 nimmt sie offiziell Abschied von der Bühne. Seitdem gibt sie nur noch hin und wieder Konzerte. Am 11. März 2020 wird sie für ihr Lebenswerk mit dem Deutschen Musikautorenpreis der GEMA ausgezeichnet.

Der Regisseur Lutz Pehnert zu BETTINA

„Ich habe Bettina Wegner kurz nach dem Mauerfall kennengelernt. Ich kam von Ostberlin zu ihr in den Westen, nach Frohnau. Es war eine fast surreale Begegnung. Wir beide kamen aus einem Land – und lebten in zwei verschiedenen Welten. Sie kannte meine Welt, aber ich noch nicht die Ihre. In den letzten dreißig Jahren bin ich Bettina Wegner immer wieder begegnet. Ich glaube, dass Bettina Wegner bis heute in zwei Welten lebt – hüben und drüben, auch wenn sie gerade selbst nicht genau weiß, wo gerade hüben und wo drüben ist. Bis heute also steckt ihr die Geschichte eines Jahrhunderts, die auch ihre eigene ist, in den Knochen, in der Seele, in ihren Gedanken. Bei meiner Begegnung mit ihr, habe ich sie immer in einer wunderbaren Mischung aus Nachdenklichkeit und Heiterkeit erlebt, als eine Frau mit Humor. Traurig war sie nie. Sie erzählt von ihrer Vergangenheit mit einem natürlichen Gespür für den Aberwitz, den alles Erlebte enthält.“

Über den Regisseur Lutz Pehnert

Lutz Pehnert (Buch & Regie) wurde 1961 in Berlin geboren. Nach seiner Ausbildung zum Schriftsetzer, arbeitete er von 1982 bis 1995 bei der Tageszeitung „Junge Welt“ und schrieb außerdem für verschiedene Zeitschriften. Seit 1995 ist er als freiberuflicher Autor und Regisseur tätig. Der Film „Brand“ über eine Alkoholiker-Brigade im Stahlwerk Brandenburg lief 1996 im Forum der Berlinale. Für seine mehrteilige Dokumentation über die Geschichte der ostdeutschen Seefahrt „DDR Ahoi!“ erhielt er 2011 den Grimme-Preis. Sein Film „Partisan“ über die Castorf-Ära an der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gewann den 2. Panorama Publikumspreis auf der 68. Berlinale und wurde für den Deutschen Filmpreis 2019 in der Kategorie „Bester Dokumentarfilm“ vorausgewählt.

(Goggo Gensch)

Der Regisseur Lutz Pehnert zu BETTINA
bettina plakat rgb 1400px„Ich habe Bettina Wegner kurz nach dem Mauerfall kennengelernt. Ich kam von Ostberlin zu ihr in den Westen, nach Frohnau. Es war eine fast surreale Begegnung. Wir beide kamen aus einem Land – und lebten in zwei verschiedenen Welten. Sie kannte meine Welt, aber ich noch nicht die Ihre. In den letzten dreißig Jahren bin ich Bettina Wegner immer wieder begegnet. Ich glaube, dass Bettina Wegner bis heute in zwei Welten lebt – hüben und drüben, auch wenn sie gerade selbst nicht genau weiß, wo gerade hüben und wo drüben ist. Bis heute also steckt ihr die Geschichte eines Jahrhunderts, die auch ihre eigene ist, in den Knochen, in der Seele, in ihren Gedanken. Bei meiner Begegnung mit ihr, habe ich sie immer in einer wunderbaren Mischung aus Nachdenklichkeit und Heiterkeit erlebt, als eine Frau mit Humor. Traurig war sie nie. Sie erzählt von ihrer Vergangenheit mit einem natürlichen Gespür für den Aberwitz, den alles Erlebte enthält.“
Bettina Wegner © Thomas Otto
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Picture of Maggie Schnaudt
Maggie Schnaudt betreut den Roman Brodmann Preis vom Haus des Dokumentarfilms mit.
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