DOK Premiere »Lord of the Toys«
Trotz sommerlichen Temperaturen wieder nahezu ausverkauft war die DOK Premiere von »Lord of the Toys« und es war insbesondere ein jüngeres Publikum, dass sich für den äußerst erfolgreichen Youtuber Max Hertzberg und seine Clique interessierte.
Der Dokumentarfilm von Pablo Ben Yakov (Regie, Buch, Montage) und André Krummel (Kamera, Buch, Montage) entstand an der Filmakademie Baden-Württemberg als 3. Jahresfilm mit Unterstützung des Fördervereins der Akademie und der Stadt Ludwigsburg. Für die beiden war es sozusagen ein Heimspiel. Denn der Film wurde an der Aka geschnitten und die Mischung wurde im Caligari überprüft. Sie porträtieren diese pubertierende Clique aus Dresden, die sich hauptsächlich langweilen, besaufen und rumpöbeln. Dabei sind ihre Äußerungen durchaus sexistisch, antisemitisch und rassistisch. Deshalb gab es beim Dokfest Leipzig, wo der Film in der Deutschen Reihe seine Weltpremiere hatte, Proteste und die Forderungen, dass der Film nicht gezeigt werden sollte. Er wurde gezeigt und gewann den Deutschen Wettbewerb. Die Jury begründete ihre Entscheidung: »Weil er smart, differenziert, extrem mutig und von einer schmerzhaften politischen Brisanz ist. Und den Anspruch erfüllt, den man an einen guten Dokumentarfilm haben muss: Er hilft Leuten, zu kapieren, was woanders los ist. (…) Die Filmemacher haben eine Grenzüberschreitung geleistet; sie lassen sich vollständig auf ein anderes Milieu, eine andere Generation, eine andere politische Haltung ein, um ernsthaft dem auf den Grund zu gehen, worüber man in Tageszeitungen als Gefahr für unsere Demokratie liest. Sie gehen so tief rein, wie man reingehen kann. Sie versuchen dabei, nicht nach vorgefertigten Schemata zu werten. Und verlieren dabei trotzdem an keiner Stelle ihre Haltung und ihre kritische Distanz. Sie wollen etwas begreifen, nämlich eine Dynamik, die junge Menschen gruppenweise in die Radikalität schlittern lässt. Der Film ist souverän, ohne zu routiniert oder zu abgeklärt zu sein. Er ist liebevoll, jenseits der Floskel. Und außerdem formal – ästhetisch und dramaturgisch – zutiefst beeindruckend. Ein in der Form noch nicht dagewesener Beitrag zum Verständnis dessen, was grade in unserer Welt passiert. Man sagt über Filme gerne mal, dass sie wehtun – dieser Film tut wirklich weh, teilweise physisch. Aber aus gutem Grund.«
Sie waren auf Max Hertzberg im Internet gestoßen und er war schnell bereit, für den Film mehrere Monate begleitet zu werden. Er gehört einer Generation an, die mit Internet, Youtube, Instagram und anderen sozialen Medien aufgewachsen ist. Mit inzwischen rund 400.000 Subscribern ist ihm Kino nicht so wichtig, denn mit seinen Filmen erreicht er sofort mehr Menschen. Deshalb war er selbst mit einem ausverkauften Kino in Leipzig nicht beeindruckt. Der 1996 geborene Max Hertzberg betreibt seit 2013 – damals war er 17 Jahre – verschiedene Kanäle in den sozialen Medien. Dabei stellt er Produkte vor oder lässt seine Community an seinem Leben teilhaben. Er ist damit sehr erfolgreich und kann davon leben. Wenn ein Kanal gesperrt wird, eröffnet er einfach neue. Viele aus seiner Clique haben eigene Kanäle und auch sein Vater hat damit begonnen, obwohl er einige Aktivitäten seines Sohnes kritisch eher sieht. Auf der anderen Seite ist er stolz, dass er schon auf eigenen Beinen steht.
Die beiden haben in 35 Tagen rund 35 Stunden Ausgangsmaterial gedreht. Dies ist für einen Dokumentarfilm heute wenig und Pablo Yakov führt dies auch auf die sparsame Kameraarbeit von André Krummel zurück, der ein gutes Gefühl hat, was er aufnehmen sollte. Einige Aktionen gingen ihm auch zu weit. Beispielsweise gerät die Clique auf dem Oktoberfest mit Afghanen in Streit, der eskaliert. Hier hat Krummel instinktiv die Kamera ausgeschaltet, als die Schlägerei los ging.
Ein wichtiger Punkt bei der engagierten Diskussion, bei der sich viele aus dem Publikum beteiligten, war die Frage, inwieweit die Kamera allein schon durch ihre Anwesenheit Situationen verändert habe. Ganz auszuschließen sei das nicht, auf der anderen Seite filmt die Gruppe selbst sehr viel für ihre Youtube-Kanäle. In einer Situation verbietet Max einem Kollegen, eine Nachricht vorzulesen, in der Hitler erwähnt wird. Dies tat er, da es um eine Instagram-Live-Aufnahme ging und dort dieser Name zensiert worden wäre. Der Dokumentarfilm dagegen kann dies zeigen und macht Zusammenhänge deutlich, die sonst nicht deutlich werden.
Es stellt sich die Frage, ob ihre dummen Sprüche vor allem ein Weg sind, um zu provozieren. Denn dadurch bekommt man in der heutigen Zeit Aufmerksamkeit und Klicks. Sie hatten bei den Dreharbeiten nicht den Eindruck, dass dahinter wirklich eine rechte Ideologie steht. Viele der Aktivitäten sind geprägt durch Aggressivität, Einschüchterung und Menschenverachtung. Dies sei typisch für kapitalistische Gesellschaften heute und viel gefährlicher als rechte Sprüche. Allerdings sollte man sehen, dass Hertzberg ein Vorbild ist für seine oft jungen Anhänger zwischen 10 und 20 Jahren. Dies sollte man nicht unterschätzen.
Die beiden haben sich bewusst dafür entschieden, auf eine erklärende Kommentarebene zu verzichten. André Krummel betonte, dass der ganze Film durch Montage, Musik und Sounddesign deutlich mache, was sie von dieser Gruppe halten. Die Zuschauer seien erfahren genug, sich ihr eigenes Bild zu machen. Dies ist sicher eine der Stärken dieses Films, dass er einen Blick in eine Jugendszene ermöglicht, die die wenigsten kennen und die doch sehr einflussreich ist.
Pablo Ben Yakov und André Krummel entwickeln gerade ihren Abschlussfilm. Es sind zwei Talente, die ihren Weg machen werden im Dokumentarfilm.