So war die DOK Premiere zu »Das innere Leuchten«
Restlos ausverkauft war die DOK Premiere des Dokumentarfilms »Das innere Leuchten« von Stefan Sick – einige mussten sogar unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen, da es keinen Sitzplatz mehr gab. Fast ein Jahr hat Stefen Sick regelmäßig das 2001 eröffnete Gradmann-Haus in Stuttgart-Kaltental besucht, dass sich auf Menschen mit Demenz spezialisiert hat.
Es wurde extra dafür geplant und gebaut. Das Personal kümmert sich sehr achtsam um sie und behält selbst bei akuten Ausbrüchen die Ruhe und versucht sie zurückzuführen. Sie akzeptieren die Realität ihrer Bewohner und begleiten sie in ‚ihrer Welt‘. Innerhalb des Hauses bieten sie den größtmöglichen Freiraum und setzen so wenig Grenzen wie möglich. Auf dieses neue Konzept ging im Filmgespräch Ulrike Hafner, die ehemalige Leiterin des Hauses ein, die auch an der Planung des Hauses beteiligt war. Die ganz besondere Atmosphäre überzeugte den Regisseur schon beim ersten Besuch, bei dem einer der Patienten ihn gleich bei der Hand nahm und durch das Haus führte. Die Vorbehalte, die auf Erfahrungen mit anderen Drehteams basierten, konnte er schnell ausräumen.
Es entstand ein ruhiger, intensiver Film, der sich ganz auf die Menschen mit Demenz einlässt. Gedreht wurde mit einem Zweimannteam: Stefan Sick übernahm die Bildgestaltung, Marc Eberhardt den Ton. Dadurch konnten sich die fast schon intimen Beziehungen zu den Protagonisten entwickeln. Von vornherein klar war das Konzept der beobachtenden Kamera und der Verzicht auf Interviews und einen erläuternden Off-Kommentar. Neben den Aufnahmen aus dem Gradmann-Haus stehen Bilder aus der Natur, die auch ermöglichen, über das Gesehene zu reflektieren. Erst nach der Hälfte der Dreharbeiten entdeckte er, dass er Herrn Volz in den Mittelpunkt des Films stellen sollte, da er am stärksten mit der Außenwelt kommuniziert und in einer Welt voller Musik und Bewegung zu leben scheint. Die Tatsache, dass ein Leben mit Demenz durchaus auch positive Aspekte haben kann, ist Stefan Sick wichtig zu zeigen. Sie geben ihre Schutzschicht auf und zeigen sich ungefiltert und direkt. Das kann eine regelrechte Befreiung sein. Stefan Sick, der für seinen Debütfilm als Regisseur auch die Aufgaben des Autors und Bildgestalters übernommen hat und zusammen mit Moritz Lenz maßgeblich für den Schnitt der 80 Stunden Rohmaterial verantwortlich war, wollte sehr offen an das Projekt herangehen.
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Dass war für die Produktion durchaus ein gewisses Risiko, wie die Produzentin Andrea Roggon von der Stuttgarter AMA Film einräumte. Allerdings hatten sie schon andere Projekte mit Stefan Sick realisiert, bei denen er als Kameramann mitgearbeitet hatte. Von daher kannten sie ihn und vertrautem ihm. Ganz zurecht, wie die bisherigen Festivalaufführungen unter anderem auf der diesjährigen Berlinale zeigten, wo er in der Sektion Perspektive Deutsches Kino lief. Der Film entstand für die Reihe Junger Dokumentarfilm des SWR (Redaktion: Marcus Vetter) und die MFG Filmförderung unterstützte die Produktion. Dies Modell einer Zusammenarbeit einer Filmhochschule mit einer Förderung und einem Sender ist im Bereich Dokumentarfilm ziemlich einmalig und hat schon sehr starke Filme ermöglicht. Zur offiziellen Kinopremiere einen Tag vor dem Start kamen deshalb auch der MFG-Geschäftsführer Prof. Carl Bergengruen, Robert Gehring und Uwe Rosentreter aus Stuttgart ins Caligari.
Die DOK Premiere fand im Rahmen der Demenzwoche in Ludwigsburg statt. Karin Wintterle von der Diakonie- und Sozialstation hatte deshalb organisiert, dass die Selbsthilfegruppe und der demenzTalk Ludwigsburg mit einem Stand im Foyer vertreten waren. Sie brachten sich mit ihren persönlichen Erfahrungen in das Filmgespräch ein, in dem es neben den filmischen Aspekten vor allem auch um den richtigen Umgang mit Demenz ging. Einige der Zuschauerinnen waren sichtlich ergriffen von dem Film. Musik spielt eine wichtige Rolle im Alltag und damit erreicht man die Demenz-Kranken am leichtesten. Deswegen fragen sie schon bei der Aufnahme nach den Musikpräferenzen, wie Ulrike Hafner erläuterte. Die von Peter Scherer komponierte Musik für den Film unterstützt die Bilder kongenial. Demenz ist als Thema in der Öffentlichkeit erst in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen. Vorher war Oma einfach verkalkt oder vergesslich stellte Frau Hafner fest. Es sei ein Drama, dass man bis heute nicht weiß, was letztlich der Auslöser für diese Krankheit ist, die jeden treffen kann. Da er kaum kritische Situationen zeigt, wurde gefragt, ob er nicht ein geschöntes Bild zeichne. Dem wiedersprach sowohl Frau Hafner als auch der Regisseur. Er sei wie gesagt ein Jahr lang im Grundmann-Haus präsent gewesen und habe eine solche Situation nie erlebt. Viele Angebote wie die Kunsttherapie oder der Besuch von Tieren hätten es nicht in den Film geschafft, da er sich ganz auf die Menschen konzentrieren wollte. Es wurde aber auch deutlich, dass diese Institution ein Modellversuch unter idealen Bedingungen ist.
»Das innere Leuchten« läuft jetzt in über 50 Kinos der Republik. Da der Film von AMA Film im Eigenverleih herausgebracht wird, erscheint die DVD schon ab 27. September bei Goodmovies. Der Film eröffnet die diesjährige Reihe »Der junge Dokumentarfilm« im SWR. Dort wird er am 7. November um 23.15 Uhr ausgestrahlt. Aber dies ist ein Film, den man unbedingt im Kino auf der großen Leinwand sehen sollte.