Leo_Trotzki

Geschichtsdoku-Tipps im Dezember 2022

Im Dezember widmen sich die Geschichtsdoku-Tipps aus dem Haus des Dokumentarfilms dramatischen Ereignissen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Darunter sind ein Schauprozess in Prag, der Mord an Leo Trotzki und ein Flugzeugabsturz in Brandenburg.

„Der Mordbefehl für Leo Trotzki“

Gemeinsam mit Lenin hat Leo Trotzki die sowjetische Revolution im Oktober 1917 organisiert und geleitet. Als größter politischer Gegner Stalins wurde er jedoch 1928, vier Jahre nach Lenins Tod, aus der UdSSR verbannt und schließlich 1940 im mexikanischen Exil ermordet. Wie sah Trotzkis Leben im Exil aus, wie wurde die Ermordung vorbereitet und wer war Ramón Mercader, der Mann, der mit der Tat beauftragt worden ist? Diesen Fragen geht „Der Mordbefehl für Leo Trotzki“ mit einer Mischung aus Archivaufnahmen, Filmausschnitten und Reenactments nach. Wie in einem politischen Thriller zeichnen die beiden Regisseurinnen Elin Kirschfink und Marie Brunet-Debaines die Intrigen und persönlichen Entscheidungen der Akteure nach. So entsteht ein lebendiges Bild einer historischen Zäsur, an deren Ende die hehren Ziele der Oktoberrevolution endgültig verraten waren.

„Der Mordbefehl für Leo Trotzki“, eine Dokumentation von Elin Kirschfink und Marie Brunet-Debaines. Produziert von CPB Films und Eklektik Productions gemeinsam mit ZDF und Arte.

„Prag, 1952: Der Slánský-Prozess“

Dienstag, 06.12.2022, 23:10 Uhr auf Arte (Erstausstrahlung).

Slansky Prozess

Direkt im Anschluss an „Der Mordbefehl für Leo Trotzki“ thematisiert Arte in „Prag, 1952: Der Slánský-Prozess“ ein weiteres Beispiel für Stalins Terrorherrschaft. 14 Mitglieder der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei haben sich im November 1952 nach Drohungen und Folter öffentlich zu einer Verschwörung bekannt, die von ihren Anklägern frei erfunden worden war. Die Filmaufnahmen des Schauprozesses sind erst 2018 von Arbeitern in einem verlassenen Prager Lagerhaus wiederentdeckt worden. Aufwendig restauriert bilden sie das Herzstück der Geschichtsdoku von Ruth Zylberman. Darüber hinaus arbeitet „Prag, 1952: Der Slánský-Prozess“ mit weiteren Archivaufnahmen sowie Interviews mit den Angehörigen dreier Angeklagter. Der Film zeigt auf erschreckende Weise die Kälte und Grausamkeit dieser stalinistischen Säuberungsaktion, die mit elf Todesurteilen und drei Verurteilungen zu lebenslanger Haft endete.

„Prag, 1952: Der Slánský-Prozess“, ein Dokumentarfilm von Ruth Zylberman. Produziert von P Media und Arte France.

„1923! Der lange Schatten der Inflation“

Montag, 12.12.22, 23:25 Uhr bei Das Erste (Erstausstrahlung) und vom 12.12.22 bis 11.12.23 in der ARD-Mediathek.

1923_Der_lange_Schatten_der_InflationSpätestens 1923 rächte sich die Teilnahme des Deutschen Reiches am Ersten Weltkrieg mit voller Wucht. Die Kriegsanleihen, mit denen die kostspielige Materialschlacht finanziert worden war, mussten an die Bevölkerung zurückgezahlt werden, und die Alliierten bestanden auf ihren Reparationszahlungen. Um das notwendige Geld herbeizuschaffen, liefen die Druckmaschinen auf Hochtouren und eine beispiellose Geldentwertung setzte ein: 1923 lag die Inflationsrate bei über 29.000 Prozent. Nicht zuletzt deswegen ist hundert Jahre später die Angst vor den aktuellen Inflationsraten hoch. Das Trauma ist tief im kollektiven Gedächtnis Deutschlands verwurzelt. In „1923! Der lange Schatten der Inflation“ gehen die beiden Radio-Bremen-Journalisten Susanne Brahms und Rainer Krause auf Spurensuche in Gegenwart und Vergangenheit, um zu verstehen, was wir aus der Geschichte lernen können. Dabei kommen sowohl Historiker:innen als auch Finanzexpert:innen wie Influencer Robin Kiera zu Wort, sodass ein besseres Verständnis der Unterschiede und Gemeinsamkeiten möglich wird.

„1923! Der lange Schatten der Inflation“, eine Dokumentation von Susanne Brahms und Rainer Krause. Eine Produktion von BlindCat Documentary im Auftrag von Radio Bremen für Das Erste.

„Der letzte Flug – Ein deutsches Geheimnis“

Vom 07.10.22 bis 07.10.23 in der ARD-Mediathek.

Am 20. April 1945 holt die Rote Armee nahe der Dörfer Glienig und Buckow in Brandenburg eine zivile Ju 52 vom Himmel. Wer waren die Insassen, denen es so kurz vor Kriegsende noch möglich war, das umkämpfte Berlin zu verlassen? In der Geschichtsdoku „Der letzte Flug – Ein deutsches Geheimnis“ von Jan Peter und Sandra Naumann bildet diese Frage den zentralen Erzählstrang, aus dem sich weitere Geschichten entspinnen. Für eine Fernsehproduktion geht der Film formal recht unkonventionelle Wege. Die Spielzeit von 100 Minuten ist auf fünf leicht konsumierbare 20-Minuten Episoden aufgeteilt, von denen sich jede einem anderen Aspekt der geheimnisumwobenen Ereignisse widmet. Ruhige Einstellungen vom menschenleeren Ort des Geschehens und die vielen Interviews mit Zeitzeug:innen und Expert:innen erinnern dabei an die zurzeit beliebten True-Crime Formate. Die aktuellen Aufnahmen sind in Schwarz-Weiß gehalten, so dass sich das zahlreich verwendete Archivmaterial nahtlos einfügt, während große, farbige Schriften die monochrome Ästhetik mutig brechen. Untermalt von den synthetischen Klangflächen des Komponisten Lucas Wegewitz entwickelt „Der letzte Flug“ einen geradezu hypnotischen Sog.

„Der letzte Flug – Ein deutsches Geheimnis“, eine Dokuserie von Jan Peter und Sandra Naumann. Eine Produktion von DOKfilm Fernsehproduktion GmbH im Auftrag des RBB in Zusammenarbeit mit Arte.

Der letzte Flug

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Picture of Daniel Artur Schindler
Daniel Artur Schindler ist Kurator der Landesfilmsammlung Baden-Württemberg im Haus des Dokumentarfilms. In der Online-Redaktion ist er verantwortlich für die monatlichen Geschichtsdoku-Tipps.
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