Interview: Elke Sasse zu “Corona Diaries / Corona-Chroniken”
Elke Sasse erzählt im Interview mit Dokville-Kuratorin Astrid Beyer am 6. Mai von der Produktion ihres neuen Doku-Formats “Corona Diaries / Corona Chroniken”. Dieses feiert beim DOK.fest München Weltpremiere und ist für den Publikumspreis nominiert.
Astrid Beyer: Dein neuer Film “Corona Diaries / Corona-Chroniken” läuft in diesem Jahr auf dem DOK.fest München @home. Am Samstagabend wird es um 21 Uhr eine Live Q & A mit dir geben und der Film ist für den kinokino Publikumspreis nominiert, der vom BR und von 3Sat gestiftet wird. Kannst du etwas über den Hintergrund der “Corona Diaries” erzählen?
Elke Sasse: “Corona Diaries” entstand – und entsteht noch – mehr oder weniger in Echtzeit, zeitgleich zu der Corona-Krise, die wir in dem Film erzählen. Erwischt hat uns die Krise zunächst ähnlich wie andere. Ich erinnere mich an ein Treffen, wo wir die geplanten Berlin Producers Produktionen durchgegangen sind und die meisten streichen oder verschieben mussten, bevor dann die Hälfte der Firma für Wochen im Homeoffice verschwand … Die Idee zu dem Film entstand ganz kurz davor.
Mit “#MyEscape” hatten wir bereits einmal ein Projekt realisiert, das ein aktuelles gesellschaftliches Ereignis mit User Generated Content erzählt. In “The War on my Phone” habe ich diese Geschichten weitererzählt. Und jetzt war da also Corona. Ich habe dann mal Corona + Diary gegoogelt und es kamen 4000 Ergebnisse. Es war klar: Es gibt gerade überall auf der Welt Menschen, die diesen Moment dokumentieren. Die müssen wir zusammenbringen.
Ihr wart ja unter einem großen Zeitdruck, wie seid ihr bei der Finanzierung vorgegangen?
Elke Sasse: Wir haben innerhalb weniger Tage Sender gefunden, die mitmachen (RBB in Zusammenarbeit mit DW und Arte; Anmerkung der Redaktion) und dann ging es los. Ich glaube, das war Mitte März, da wo auch der Film beginnt …
Wie hast du deinen User Generated Content recherchiert?
Elke Sasse: Wir waren ein großes internationales Team – aus Spanien, Italien, Afghanistan, Indien, Brasilien, etc. – und haben zunächst mit Schwarm-Intelligenz unsere Fühler ausgestreckt, das Internet durchkämmt. Irgendwann hatten wir Menschen, die wir begleiten wollten. Danach bekamen ungefähr zehn Leute aus dem Team einen “neuen Freund”. Sie haben die Protagonisten einige Wochen sehr eng begleitet, ständig telefoniert, dann die Clips hochgeladen, die wir gesichtet haben. Wir haben dann Feedback gegeben, Fragen gestellt und fast zeitgleich mit dem Schnitt begonnen und meine Kolleginnen haben das Material währenddessen in eigenen kleinen Beiträgen online ausgewertet. Der Rohschnitt der ARTE Fassung ist seit letztem Donnerstag fertig, wir machen noch eine gekürzte DW Fassung. Der “eigentliche” Film ist ca. 70-80 Minuten lang.
Da hat vieles gleichzeitig stattgefunden; ihr habt wahnsinnig schnell gearbeitet! Beeindruckend! Was ist das Besondere an diesem Projekt?
Elke Sasse: Das Projekt war vielleicht das Verrückteste, was ich je gemacht habe. Ich habe mal einen Film gemacht – “Worldwide Berlin” – der einen Tag in verschiedenen Berlins überall auf der Welt erzählt. So ähnlich ging es mir nun: Zeitgleich an verschiedenen Orten der Welt. Zeitgleich mit verschiedenen Realitäten konfrontiert. Und doch ein gemeinsames Thema. Es war eine berührende Erfahrung, dieses Tagebuch zusammen mit Menschen auf verschiedenen Kontinenten zu schreiben, quasi ein globales Tagebuch der Pandemie. Ein Tagebuch, das die Protagonisten selbst schreiben.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr zum Doku-Format “Corona Diaries / Corona-Chroniken” gibt es in unserem Artikel
“Corona-Chroniken” – Weltpremiere beim DOK.fest München @home
Titelbild: Bereits 2017 war Elke Sasse bei Dokville, dem vom Haus des Dokumentarfilms initiierten Branchentreff der Dokumentarfilmszene, zu Gast.
Nun stand uns die Filmemacherin erneut Rede und Antwort. Im Fokus: Ihr neuer Film “Corona Diaries / Corona-Chroniken”.