Enric Durans Biografie gleicht einem Krimi: Der Spanier nutzt Schwächen im Banksystem, um sich Kredite zu erschwindeln. Anna Giralt Gris folgt seinen Spuren in ROBIN BANK. Das HDF hat mit Ko-Produzent Arek Gielnik (Indi Film) über die Hintergründe gesprochen und präsentiert den Dokumentarfilm im Rahmen der Stuttgarter Kriminächte als DOK Premiere (21.3.23, 20:30 Uhr, Atelier am Bollwerk).
ROBIN BANK – darum geht‘s
Enric Duran – auch bekannt als „Robin Hood der Banken“ – stiehlt im Glauben an eine bessere Welt Bankkredite im Wert von rund einer halben Million Euro. Sein Motiv? Er will das Geld nutzen, um soziale Projekte zu finanzieren und gleichzeitig das Banken- und Finanzsystem anprangern.
Sein Betrug fliegt 2008 auf. Diverse Finanzinstitute und die Staatsanwaltschaft fordern seine Inhaftierung. Ein Jahr später muss Duran für zwei Monate ins Gefängnis. Er kommt frei, als seine Kaution von einem anonymen Geldgeber bezahlt wird. Während sein Gerichtsprozess vorbereitet wird, flüchtet er ins Exil und taucht erneut ab. Bis heute ist sein Aufenthaltsort unbekannt.
Regisseurin Anna Giralt Gris gelingt mit ROBIN BANK eine fesselnde Erzählung der sich überschlagenden Ereignisse. Die Zuschauer:innen erhalten Einblicke in das Bankensystem und erfahren, wie Durans Schwindel überhaupt möglich war. Der MFG-geförderte Dokumentarfilm, der in Ko-Produktion mit der Stuttgarter Indi Film und in Partnerschaft mit Arte entstanden ist, zeigt unter anderem Durans Anfänge als Aktivist und lässt neben Wegbegleiter:innen auch seine Mutter zu Wort kommen.
Bei den Hofer Filmtagen 2022 erhielt ROBIN BANK eine „lobende Erwähnung“ als „politisch relevanter Film über einen außerordentlichen Aktivisten, der das korrupte Bankensystem entlarvt und dadurch zu originellen Methoden des Widerstands aufruft“.
ROBIN BANK – Dreh und Produktion
Elisa Reznicek (HDF) hat mit Ko-Produzent Arek Gielnik (Indi Film) über die Hintergründe und Machart des Dokumentarfilms gesprochen, der Archiv, neu gedrehtes Material und animierte Sequenzen verbindet.
„Enric Duran ist eine außerordentliche Person und war in Spanien überall in den Nachrichten. Dennoch ist er nicht so präsent wie etwa Edward Snowden, dessen Geschichte international bekannt wurde. Sein Thema, profitorientierte Banken anzuprangern, wollten wir aus der Regionalität Spaniens holen“, sagt Gielnik. Er führt weiter aus: „Plötzlich gab es 2008 diese riesige globale Banken- und Finanzkrise, die nur mit Steuergeldern aufgefangen werden konnte. Das war groß in den Nachrichten. Aber selbst, als sich alles wieder etwas beruhigt hatte, haben wir nicht mitbekommen, was alles im Hintergrund passiert ist. Können wir sicher sein, dass es Systeme gibt, die die Banken jetzt regulieren? Auch wenn wir nicht alles befürworten, was Enric getan hat, so ist doch seine Motivation eine unglaublich wichtige: nämlich solche Machtstrukturen in Frage zu stellen.“ Ein Thema, das aktuell erneut an Brisanz gewinnt: „Wenn ich jetzt lese, dass die Credit Suisse ins Straucheln kommt und eine US-amerikanische Bank pleitegegangen ist, sage ich mir: Wir haben aus damals nichts gelernt! Da kommt die Vorstellung unseres Films am nächsten Dienstag genau richtig.“
ROBIN BANK – Stil und Struktur
Die stilistische Umsetzung von ROBIN BANK stand relativ schnell fest, erzählt Gielnik. „Wir wussten, dass wir ein Medium brauchen, mit dem wir das, was sich nicht dokumentarisch darstellen lässt, erzählen und emotionalisieren können. Wir haben uns für einen eher expressionistische Animationsstil entschieden, um die Gefühle von Enric und die Funktionsweise der Banken zu zeigen.“
ROBIN BANK – Festivaltour hoch Zwei
„Wir haben unser Filmprojekt auf diversen internationalen Märkten im Dokumentarfilmbereich wie dem Dokumentarfilmfestival in Amsterdam (IDFA) und DOK Leipzig vorgestellt. Dort haben wir gezeigt, dass aus so einer regionalen Geschichte eine werden kann, die uns alle betrifft, und konnten so Partner wie Arte begeistern und ins Boot holen.“ Nach Fertigstellung lief ROBIN BANK in ausgewählten europäischen Kinos (Kinostart in Deutschland im November 2022) und wurde auf zahlreichen internationalen Dokumentarfilmfestivals, z. B. in Thessaloniki, Barcelona und Kopenhagen, präsentiert.
„Wie man Dokumentarfilme rezipiert hat, als wir mit dem Projekt angefangen haben, unterscheidet sich sehr zu heute. Wir stellen fest, dass das Interesse des Kinopublikums für thematische Dokumentarfilme wie diesen eher etwas zurückgeht. Dazu hat natürlich Corona einiges beigetragen, aber auch die Tatsache, dass man momentan im Kino eher Unterhaltung sucht, weil man außerhalb ständig mit schlimmen Nachrichten bombardiert wird“, sagt Gielnik. „Zudem hat sich in den vergangenen Jahren rund um den Dokumentarfilm eine Art Eventcharakter entwickelt. Leute wollen am liebsten zusammen Filme schauen und einen Kontext haben. Deshalb sind wir sehr dankbar für solche Veranstaltungen wie die DOK Premiere mit Filmgespräch vom Haus des Dokumentarfilms.“
Termin-Info
ROBIN BANK von Anna Giralt Gris läuft am 21. März 2023 um 20.30 Uhr im Atelier am Bollwerk Stuttgart. Durch den Abend führt DOK Premiere Kurator Goggo Gensch vom Haus des Dokumentarfilms. Geplant ist u. a. eine digitale Zuschaltung von Enric Duran für das Filmgespräch.
Eine Kooperation zwischen dem Haus des Dokumentarfilms, Camino Filmverleih und den Stuttgarter Kriminächten.