Am 28.03.2023 hatte Sigrid Faltins Dokumentarfilm „Anne-Sophie Mutter – Vivace“ Kinostart in Deutschland. Zeitgleich wurde die SWR-Eigenproduktion in rund 100 Lichtspielhäusern mit anschließendem digitalen Q&A mit der Star-Violinistin gezeigt. So war die Stuttgarter Premiere.
Dokumentarfilm über eine der größten Geigerinnen
Anne-Sophie Mutter gilt als das Beste, was Deutschland auf der Geige zu bieten hat. Ein mit unzähligen Preisen dekorierter Weltstar, der schwerer zu buchen ist als Madonna – und für viele auch besser klingt. Seit gut fünf Jahrzehnten ist die Violinistin im Rampenlicht zu Hause. Die Stationen ihrer bemerkenswerten Karriere, die im zarten Teenager-Alter unter Herbert von Karajan international durchstartete, sind hinlänglich bekannt.
Warum nun dieser Dokumentarfilm, so kurz vor ihrem 60. Geburtstag? „Es ist ein Versuch, die klassische Musik aus der Ecke rauszuholen und in die Mitte der Gesellschaft zu stellen – da, wo sie hingehört“, erklärt Mutter gleich zu Beginn der Produktion. Ein Vorhaben, das gelungen ist, auch dank einer beachtlichen „Leistungsshow des SWR“, wie Clemens Bratzler (Programmdirektor Information, Sport, Fiktion, Service und Unterhaltung) die Arbeit an „Anne-Sophie Mutter – Vivace“ bei der Kino-Premiere im Stuttgarter Gloria umreißt.
Was lange währt, wird endlich Film
„Jeder Dokumentarfilm, der ins Kino kommt, hat eine lange Geschichte. Ich hatte 2015 die Idee, etwas über Anne-Sophie Mutter zu machen. Damals hatte ich auch den ersten Kontakt zu ihr“, leuchtet Faltin die Genese des Projekts aus, das ursprünglich als TV-Doku begonnen hatte. „Hätte ich damals schon gewusst, dass erst 2023 die Premiere ist, wäre ich verzweifelt und hätte den Sack wieder zugemacht. Aber zum Glück kann man nicht in die Zukunft schauen. 2019 haben die ersten Dreharbeiten begonnen. Doch dann kam die Pandemie und es war wieder Schluss. Den Kontakt zu halten war nicht einfach, aber es ist uns – und damit meine ich alle Kollegen und Kolleginnen beim SWR – gelungen.“
Porträt der Musikerin, die Privates am liebsten privat hält
Gemeinsam haben Sigrid Faltin und ihr Team die Star-Violinistin über mehrere Jahre hinweg mit der Kamera begleitet und sind ihr dabei erstaunlich nah gekommen. Entstanden ist ein Film mit viel Humor, der lebendig und kurzweilig erzählt wird (Kamera: Jürgen Carle; Montage: Petra Hölge; Gestaltung: Edith Schwörer).
Er startet, entsprechend Mutters Lebensmotto „Vorwärts!“, mit einer sportlich-dynamischen Wanderung am Wilden Kaiser. Diese gibt auch im übertragenen Sinne die Marschrichtung vor. „Musiker sind dann am privatesten, wenn sie auf der Bühne sind. Alles andere ist trivial“, erklärt Anne-Sophie Mutter gegenüber der Regisseurin. „Was ich frühstücke, was für Socken ich trage, welche Liebhaber ich zuhause unterm Bett verstecke – das ist nicht wirklich das, was mich ausmacht.“ Dann lacht sie und das Thema ist durch. Für Klatsch und Tratsch ist weiterhin die Yellow Press zuständig. Auch investigativer Journalismus, der Brüche in Mutters Biografie und die Schattenseiten ihrer beispiellosen Karriere offenlegt, ist nicht zu erwarten.
Annäherung über Gespräche
Sigrid Faltin wählt vielmehr einen anderen Ansatz. „Es gibt schon unendlich viele Dokumentationen. Aber es gab bis jetzt noch keinen langen Kino-Dokumentarfilm über Anne-Sophie Mutter“, erklärt die Regisseurin bei der Stuttgarter Premiere. „Ich wusste, dass Frau Mutter sehr zurückhaltend ist, was Medien angeht. Die Kunst war also, sie zu öffnen. Daher habe ich sie Kontakt gebracht mit Menschen, die sie mag und denen sie mehr vertraut als einer ihr unbekannten Filmemacherin.“ Neben umfangreichem Archiv-Material (Recherche: Martina Meier; Rechteklärung: Iris Reichert) zeigt Faltin Anne-Sophie Mutter im Gespräch mit Freunden, Wegbegleitern und Kollegen.
Filmkomponist John Williams (u. a. „Star Wars“) ist u. a. ebenso dabei wie Jörg Widmann, dessen sechstes Quartett „Studie über Beethoven“ in künstlerischer und freundschaftlicher Zusammenarbeit mit Mutter entstanden und ihr gewidmet ist. Pianist Lambert Orkis darf natürlich nicht fehlen, mit dem die Geigerin seit Ende der 1980er Jahre regelmäßig eng zusammenarbeitet, und auch Dirigent Daniel Barenboim ist im Dialog mit der Musikerin zu erleben.
Ein Weltstar trifft einen Weltstar
Am nachhaltigsten bleiben aber die Szenen mit Tennis-Ass Roger Federer im Gedächtnis. Sie saß schon bei ihm am Court in Wimbledon, er schon bei ihr im Konzertsaal. Persönliche Begegnungen gab es trotz gegenseitiger Bewunderung vor dem Film nicht. „Roger Federer war am allerschwierigsten zu kriegen. Wir waren drei Jahre lang hinterher und mussten fünf Neins verarbeiten. Das Ganze hing am seidenen Faden“, umreißt Sigrid Faltin die Bemühungen um den Schweizer. „Petra [Hölge] hatte irgendwann diese wunderbare Idee einen Clip zu schneiden, in dem sich Mutter begeistert über Roger Federer äußert. ‚Den schicken wir direkt an sein Management‘, meinte sie. Und tatsächlich: Am nächsten Tag hatten wir die Zusage!“Es hat sich gelohnt dranzubleiben, wie man im Film sieht. Man erlebt die weltbekannte Violinistin, wie sie mit strahlenden Augen und breitem Lächeln vor dem ehemaligen Weltklasse-Tennisspieler sitzt und sich freut. Ein echter, ungekünstelter „Fan-Moment“, der zeigt, dass hinter jedem VIP am Ende doch „nur“ ein ganz normaler Mensch steckt.
Ein Eindruck, der sich im digitalen Q&A mit Anne-Sophie Mutter weiter verfestigt, das sich an die Kino-Premiere anschließt. Bester Laune und zum Plaudern aufgelegt beantwortet die Violinistin Fragen aus dem Publikum, die man ihr vorab per Handy zuschicken konnte.