Im Mai 2023 schlagen die Geschichtsdoku-Tipps einen Bogen vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Sie widmen sich den deutschen Kolonien im Jahre 1907, den Fluchtbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg und der Präsidentschaft Recep Tayyip Erdoğans.
„Unter Deutschen - Zwangsarbeit im NS-Staat“
Schon ab 1938 begannen die Nationalsozialisten damit, Zwangsarbeiter:innen zu rekrutieren. Über die Jahre wurden so 13 Millionen junge Menschen aus den besetzten Gebieten verschleppt, um die deutsche Industrie am Laufen zu halten. Die bisher hier tätigen Männer wurden schließlich als Soldaten für den Krieg benötigt. In der dreiteiligen Geschichtsdoku „Unter Deutschen“ von Matthias Schmidt berichten die Nachfahren von den Schicksalen und Traumata dieser Männer und Frauen. Kommentierte Archivaufnahmen liefern den historischen Kontext und rahmen die ausführlichen Interviewsequenzen ein. Die Doku bietet eine facettenreiche, private Perspektive auf einen oft vergessenen Aspekt des Zweiten Weltkriegs.
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Sendetermin: Dienstag, 02.05.2023, 20:15 Uhr auf Arte (Erstausstrahlung) und vom 25.04.2023 bis 30.05.2023 in der Arte-Mediathek.
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Credits: „Unter Deutschen – Zwangsarbeit im NS-Staat“, eine dreiteilige Dokumentation von Matthias Schmidt. Eine Koproduktion von LOOKS Film und MDR, Česká Televize und ORF, in Zusammenarbeit mit Arte und Histoire TV.
„Kinder der Flucht“
Ebenfalls eine private Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg wählt die vierteilige Geschichtsdoku „Kinder der Flucht“ von Jan N. Lorenzen. Im Mittelpunkt stehen ausführliche Interviews mit Menschen, die zu Kriegszeiten noch Kinder und mit ihren Eltern auf der Flucht waren. Sie flohen vor den Deutschen oder den Alliierten, wurden vertrieben oder machten sich eigenständig auf den Weg in eine hoffentlich sicherere Gegend.
Neben den Interviewsequenzen und Archivaufnahmen arbeitet Lorenzen zusätzlich mit aktuellen Bildern der relevanten Örtlichkeiten. So wird nicht nur ein Bogen in die Gegenwart der Protagonist:innen geschlagen, sondern auch zu den aktuellen Konflikten, die wieder neue Migrationsbewegungen ausgelöst haben. Im linearen Fernsehen wird eine 90 Minuten lange Kurzversion ausgestrahlt, während in der Mediathek eine über 160 Minuten lange Fassung in vier Episoden verfügbar ist. Sie gibt einen tieferen Einblick in die erzählten Schicksale wirkt dadurch noch eindringlicher.
Sendetermin: Montag, 08.05.2023, 22:50 Uhr auf Das Erste (Erstausstrahlung) und vom 03.05.2023 bis 02.05.2024 In der ARD-Mediathek.
Credits: „Kinder der Flucht“, eine vierteilige Dokumentation von Jan N. Lorenzen. Eine Koproduktion von Hoferichter & Jacobs mit SWR, BR, HR, MDR, NDR, Radio Bremen, rbb, SR und WDR.
„Die Ära Erdoğan“
Die türkischen Präsidentschaftswahlen am 14. Mai 2023 werden mit viel Spannung erwartet. Seit mittlerweile 20 Jahren regiert Recep Tayyip Erdoğan die Türkei. In dieser Zeit wandelte sich die pluralistische Demokratie in eine Autokratie. Ist Erdoğan mit dem Versprechen angetreten, das Land von Korruption zu befreien, so war er in den letzten Jahren selbst in Korruptionsskandale verwickelt, hat Kritiker mundtot gemacht und durch seine Baupolitik die schweren Zerstörungen beim Erdbeben im Februar 2023 mit verschuldet. Die aktuelle Amtszeit, so die Hoffnung der Opposition, könnte seine letzte sein.
Wegen der Brisanz dieser Wahl zeigen das ZDF und andere Sender der Familie zahlreiche Dokus und Reportagen rund um die politische und gesellschaftliche Situation in der Türkei. Besonders hervorzuheben ist dabei der von der BBC produzierte Doku-Zweiteiler „Die Ära Erdoğan“ auf Arte, den ZDFinfo auch unter dem Titel „Erdoğan – Die Türkei bin ich“ ausstrahlt. Hier wird die Entwicklung der letzten 20 Jahre mit Archivaufnahmen und in Interviews mit Wegbegleiter:innen und Kontrahent:innen nachgezeichnet. Ein erhellender Blick in die nächste Vergangenheit, der die Gegenwart zu verstehen hilft.
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Sendetermin: Dienstag, 09.05.2023, 20:15 Uhr auf Arte (Erstausstrahlung) und vom 09.05.2023 bis 08.08.2023 in der Arte-Mediathek.
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Credits: „Die Ära Erdoğan“, eine zweiteilige Dokumentation von Gabriel Range. Eine Produktion der BBC Studios.
„Die Erfindung des Rassismus in Farbe“
Von 1907 bis 1909 bereiste Robert Lohmeyer zwei Mal die deutschen Kolonien in Afrika. Im Gepäck hatte er eine der ersten Kameras, mit der Farbfotografien gemacht werden konnten. Gemeinsam mit Eduard Kiewning und Bruno Marquardt sollte er für den Internationalen Weltverlag in Berlin das Leben in Deutsch-Westafrika (Togo und Kamerun) sowie Deutsch-Südwestafrika (Tansania) dokumentieren. Die in diesem Rahmen entstandenen Aufnahmen sind die ersten Fotografien, die diese Gebiete in Farbe zeigen.
Sie zeigen aber auch das Idealbild eines unberührten Paradieses. Lohmeyer hat mit dem Blick des Kolonialisten fotografiert und sollte die Landschaft vertraut und einladend inszenieren, um die imperialistische Begeisterung im deutschen Kaiserreich aufrecht zu erhalten. In Michael Muellers 45-Minuten Doku „Die Erfindung des Rassismus in Farbe“ kommen zahlreiche Expert:innen zu Wort, die aus unterschiedlichen Perspektiven die Bedeutung und Entstehung dieser Bilder beleuchten. Angereichert mit Reenactments und Archivaufnahmen wird diese beinahe bildtheoretische Abhandlung äußerst lebendig.
Sendetermin: Montag, 15.05.2203, 23:35 Uhr auf Das Erste (Erstausstrahlung) und vom 15.05.2023 bis 15.05.2024 In der ARD-Mediathek.
Credits: „Die Erfindung des Rassismus in Farbe“, eine Dokumentation von Michael Mueller. Eine Produktion des WDR.