„getty abortions“: Wem gehört der Frauenleib?
In „Getty Abortions“ hinterfragt Franzis Kabisch die Bilder, die das Thema Abtreibung in der öffentlichen Debatte repräsentieren. Die Kurzdoku läuft im Wettbewerb um den besten deutschen Dokumentarfilm und hat ihre Weltpremiere am 10.10. auf der DOK Leipzig 2023.
Bilder sind nicht wertfrei
Ein Stockfoto ist ein repräsentatives Bild, das teilweise kostenlos, teils gegen Bezahlung aus dem Internet heruntergeladen und genutzt werden kann. Es zeichnet sich in der Regel durch Schlicht- und Bedeutungsoffenheit aus, arbeitet mit Symbolen und anderen kulturellen Codes. Wer eines zur Nutzung in einer Microsoft PowerPoint-Präsentation oder einem Blogartikel heraussuchen muss, denkt in Schlagworten.
Zahlreiche Beispiele in der Desktop-Dokumentation von Franzis Kabisch „Getty Abortions“ zeigen: Wer ein repräsentatives Bild zum Thema Abtreibung finden möchte, sucht offenbar nach „depressed woman“. Immer wieder wird auf das Motiv der einsamen Frau zurückgegriffen, die ins Leere oder aus dem Fenster starrt. Die Farben sind kalt. Die Gesichter oft nicht erkennbar.
Mit Mythen aufräumen
Ganz anders die Frau, die erleichtert einen kleinen Blutklumpen hochhält und dabei geraden Blickes in die Kamera schaut. Ausgehend von ihrer eigenen Erfahrung untersucht die Filmemacherin und Kulturwissenschaftlerin Franzis Kabisch, welche Wirkung unterschiedliche Bilder auf das Publikum haben können. Dabei bezieht sie sich auf feministische Forschungen zu „Hysterie” und andere medizinische Mythen, die bis heute im kollektiven Bewusstsein verankert sind.
Es stellt sich die Frage: Wer bestimmt eigentlich, welches emotionale Register eine Frau vor, während oder nach einer Abtreibung zu empfinden hat? Schon junge Erwachsene werden von Jugendmagazinen wie der „Bravo!“ geprägt. Hier gilt es, die Herkunft der Bilder zu hinterfragen. Mutig, gewitzt und mit großer Präzision beleuchtet die Filmemacherin die Inszenierung von Abtreibungen in der öffentlichen Debatte.
Anwärter auf Goldene Taube 2023 …
Die Weltpremiere der deutsch-österreichischen Produktion „getty abortions“ ist am 10.10.2023 bei DOK Leipzig. Der Film läuft als Teil des Kurzfilmprogramms „Schreit es raus!“. Er ist nominiert für die mit 1.500 Euro dotierte Goldene Taube Kurzfilm im Deutschen Wettbewerb Dokumentarfilm. Zudem ist er im Rennen für den Gedanken-Aufschluss-Preis, vergeben von einer Jury aus Strafgefangenen der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen.
Credits: getty abortions Buch, Produktion, Montage & Regie: Franzis Kabisch. Ton: Franzis Kabisch, Katharina Pelosi, Laura Schick. Produktionsassistenz und Übersetzung: Sam Osborn. Gefördert von Queerscope Kurzfilmfonds und Doctors for Choice Germany e.V. Der deutsche Kinostart steht noch nicht fest.
… und Gewinner
Update vom 14.10.23: Der Film „getty abortions“ wurde bei DOK Leipzig am 14. Oktober mit der Goldenen Taube Kurzfilm im Deutschen Wettbewerb Dokumentarfilm ausgezeichnet. Die Jury würdigte den Desktop Video Essay als „eine überzeugende zeitgenössische Form der Auseinandersetzung mit einem alten und zugleich wieder höchst aktuellen Thema.“