Aktuell ballen sich die Beiträge rund um Jens Söring, um seine Taten und seine Person. Netflix hat eine Doku rausgebracht, die Öffentlich-Rechtlichen trumpfen mit Doku-Formaten und Podcasts auf. Die Redaktion vom HDF stellt einige Beiträge vor und sprach mit Lena Leonhardt und André Hörmann über ihre Doku-Serie zum Fall.
Der Fall Jens Söring – Tödliche Leidenschaft: Netflix Doku
Die Doku-Serie „Der Fall Jens Söring – Tödliche Leidenschaft” von Lena Leonhardt und André Hörmann rollt den Fall um den in den USA verurteilten Mörder Jens Söring neu auf. Am 3. April 1985 entdeckt die Polizei den blutigen und verstörenden Tatort im Haus von Derek und Nancy Haysom. Die Ermittlungen beginnen.
Das Gericht in Virginia stellt die Tochter Elizabeth Haysom vor Gericht – doch sie macht auch ihren Freund Jens Söring für die Tat verantwortlich. Er soll der Drahtzieher gewesen sein. Währenddessen kämpft Söring noch gegen seine Auslieferung. Als er 1990 in den USA selbst vor Gericht steht, gesteht er die Tat. Später wird er sagen, er habe nur gestanden, um Elizabeth vor der Todesstrafe zu bewahren.
Es vergehen ein paar Jahre und Söring zieht seine Aussagen zurück. Wie glaubwürdig ist er noch? Viele Fragen zu diesem spektakulären Fall bleiben bis heute unbeantwortet. Die Doku-Serie widmet sich unter anderem der Liebesgeschichte von Elizabeth Haysom und Jens Söring. Sie gibt Einblicke in die Ermittlungsarbeit und rekonstruiert anhand von Archivmaterial und Aussagen von Söring selbst ein komplexes Bild über die Hintergründe zur Tat.
Im Gespräch mit Lena Leonhardt und André Hörmann
Im Gespräch mit Salome Hanselmann und Hannah Hiergeist aus der Redaktion vom Haus des Dokumentarfilms gaben Regisseurin Lena Leonhardt und Regisseur André Hörmann Einblicke in ihre Arbeit zur Doku-Serie „Der Fall Jens Söring – Tödliche Leidenschaft”.
HDF-Redaktion: Wie lang haben Sie an der an der Doku-Serie gearbeitet?
Lena Leonhardt: Es waren ungefähr zweieinhalb Jahre. Und auch der Schnittprozess hat sehr lange gedauert. Der Fall ist so unheimlich komplex und wir mussten viel Material, beispielsweise die Gerichtsprozesse, bewältigen.
André Hörmann: Tatsächlich war die Arbeit auch sehr konstant. Normalerweise macht man über so einen langen Zeitraum noch weitere Projekte. In dem Fall waren es aber fünf bis sieben Tage die Woche über zweieinhalb Jahre Jens Söring.
HDF-Redaktion: Fanden die Dreharbeiten in den USA, in Deutschland und England statt?
Lena Leonhardt: Wir waren an allen Orten, die eine Rolle gespielt haben. Am häufigsten waren wir in den USA, weil vieles zum Fall dort stattgefunden hat und auch viele Interviewpartner:innen dort leben. In Deutschland haben wir gedreht, aber nicht in England. Wir hatten das Glück, dass die britischen Gesprächspartner:innen, wie der Detective Sergeant Ken Beever oder die forensische Fußabdruck-Expertin Sarah Reel, nach Deutschland kamen. Logistisch gesehen, war es einfacher, sie herzuholen.
Schweren Herzens mussten wir noch einige rauskürzen. Aber die schiere Masse an Menschen hielten wir schon für notwendig, um dieses Puzzle zusammenzusetzen. Es gibt so viele unterschiedliche Sichtweisen, dass wir dachten, es braucht eine gewisse Anzahl an Menschen, um dem möglichst gerecht werden.
HDF-Redaktion: Woher kam die Idee, Jens Söring selbst zu Wort kommen zu lassen? Als Interviewpartner ist er ja eher umstritten.
Lena Leonhardt: Das war schon ein Prozess. Im Gegensatz zu Elisabeth hat er ja schon den Weg gewählt, in der Öffentlichkeit zu stehen und auch eben dort eine Stimme zu haben. Er scheut ja die Öffentlichkeit nicht, im Gegenteil, er sucht sie. Und natürlich wollten wir sie beide zu Wort kommen lassen, um dann auch diese beiden Stimmen gegeneinander zu haben.
Jens Söring kommt außerdem verhältnismäßig wenig zu Wort. Er sollte sich vorwiegend zu dem Fall äußern und nur bedingt zu seiner Unschuldsgeschichte. Die hat er nur in der dritten Episode erzählt, weil es da auch konkret darum geht, wie er vor Gericht um seine Unschuld kämpft. Sonst ist er überwiegend als Kommentator des Falls eingesetzt.
HDF-Redaktion: Die Medien wurden oftmals für ihre nicht neutrale Berichterstattung kritisiert. Spielte diese Kritik eine Rolle bei der Umsetzung der Doku, damit in dieser eine neutrale Sichtweise gewährleistet wird?
André Hörmann: Es gibt keine klaren Beweise für eine der Theorien und ich denke, das haben wir auch so dargestellt. Ich finde, dass wir ihm und in weiten Teilen seiner Geschichte Raum geben. Und diese als mögliche Variante darstellen.
Lena Leonhardt: Das war uns wichtig. Letztendlich ist bei diesem Fall alles oder zumindest sehr, sehr viel Spekulation. Nur die beiden wissen, was passiert ist. Es war uns sehr wichtig, dass am Ende der Serie steht, dass nur die beiden beantworten können, was genau passiert ist. Und daran haben wir uns entlang bewegt. Wie André sagt, wollten wir schon auch zeigen, dass es für das, was Jens Söring sagt, Hinweise gibt, dass es stimmen könnte, natürlich aber auch Hinweise gibt, dass es nicht stimmen könnte. Und so haben wir versucht, dem so gut es geht gerecht zu werden.
ARD Crime Time: „Mord. Macht. Medien. Der Fall Jens Söring“ ab 1.12.2023
In drei Folgen rekonstruiert die Doku-Serie der ARD Crime Time den Kriminalfall und beschäftigt sich vor allem auch mit dem Einfluss, den Jens Söring auf Politik und Medien hat. Bis heute schafft er es, dass die Medien seine Version der Tat aufnehmen. Dabei kommen Ermittler:innen und Menschen aus Sörings Umfeld zu Wort, die sich heute von ihm distanzieren. Auch Gerichtsakten und bisher unveröffentlichte Dokumente dienen als Grundlage.
Über den eigentlichen Fall hinausgehend werden auch Mechanismen und Motive beleuchtet, die diesen so faszinierend machen. Alle drei Folgen von „Mord. Macht. Medien. Der Fall Jens Söring” sind bis zum 31.10.2025 in der ARD-Mediathek zu sehen. Der NDR strahlt alle drei Folgen außerdem in der Nacht vom 30.11. Auf den 1.12. ab 0:45 Uhr aus.
Folge 1: Das Verbrechen
Die erste Folge der dreiteiligen Serie thematisiert das brutale Verbrechen an Nancy und Derek Haysom und zeigt, wie viele Rätsel der Doppelmord aufwirft. Ebenso Inhalt der Folge „Das Verbrechen” ist, wie der Verdacht der Ermittler:innen auf Jens Söring und Elisabeth Haysom fällt.
Folge 2: Hinter Gittern
„Hinter Gittern” widmet sich dem Gerichtsprozess, bei dem Jens Söring plötzlich die Tat bestreitet, zu der er sich ursprünglich schuldig bekannte. Folge zwei thematisiert auch, wie Jens Söring ein Netzwerk aus Politiker:innen, Journalist:innen und Stars aufbaut und mithilfe dessen seine Version der Tat in den Medien verbreitet.
Folge 3: Der Kampf um die Wahrheit
Folge drei beschäftigt sich mit der Auslieferung Sörings an Deutschland, wo er auf Bewährung freigelassen wurde. Gleichzeitig beginnt seine Medienkarriere. Söring ist ein gefragter Interviewgast, der mit seinem Auftreten und seiner Geschichte die Medienlandschaft spaltet. Wie haben Journalist:innen und auch Politiker:innen reagiert? Haben sie den Fall kritisch genug hinterfragt?
ARD Audiothek: MDR-Podcast zu „Mord. Macht. Medien. Der Fall Jens Söring“
Der MDR True Crime-Podcast „Die Spur der Täter” greift in einer Folge ebenfalls das Verbrechen sowie die dreiteilige Doku-Serie “Mord. Macht. Medien. Der Fall Jens Söring” auf und beantwortet Fragen zum Fall, die Zuschauer:innen einsenden können. Der Podcast ist in der ARD-Audiothek verfügbar.
„Kompressor“ Deutschlandfunk Kultur: „Der Fall Jens Söring – Neue ARD-Doku zweifelt an der Unschuldsthese“
Jens Söring beteuert seine Unschuld bereits seit vielen Jahren in der Öffentlichkeit. Das bringt viele Zweifler:innen, aber auch Unterstützer:innen mit sich. Im Podcast ist Ben Wozny zu Gast, der an der ARD Serie „Mord. Macht. Medien. Der Fall Jens Söring“ mitgewirkt hat. Vielen Menschen ist der Name Jens Söring sowie der Kriminalfall dahinter bekannt. Die ARD Serie versucht, die mediale und politische Komponente dessen zu erfassen. Als die USA Söring 2019 nach Deutschland abschieben, wird er zum Stammgast in Talkshows von ZDF und ARD, wo er seine Geschichte nahezu unwidersprochen erzählt. In dieser Folge fragen Podcast-Host Ramona Westhof und Ben Wozny: Wieso bekommt Söring so viel Raum? Warum glauben ihm prominente Unterstützer:innen? Für Wozny ist der Fall klar: Sörings Unschuldsnarrativ ist nicht haltbar, wenn man sich ausgiebig mit dem Thema befasst.
11km Podcast der tagesschau: „Jens Söring – Mörderischer Medienstar“
Auch der tagesschau-Podcast „11km” beschäftigt sich damit, wie Jens Söring vom Mörder zum gefragten Medienstar in Deutschland wurde. Zu Gast ist Journalistin Lea Eichhorn, die für die Doku-Reihe „Mord. Macht. Medien. Der Fall Jens Söring” zusammen mit einem Recherche-Team Gerichtsakten und weitere Dokumente analysiert hat. Auch hier liegt der Fokus darauf, wie der faszinierende Kriminalfall es schafft, journalistische Standards in der Berichterstattung zu umgehen. Die 11km-Folge „Jens Söring – Mörderischer Medienstar” ist in der ARD-Audiothek zu hören.
ZAPP: Jens Söring: Medienkarriere eines Mörders (S23/E04)
Söring sieht sich als Opfer der Justiz und versucht mithilfe von Unterstützer:innen aus Medien und Politik seine Freiheit und sein Ansehen zu stärken. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2019 berichtet er unter anderem über Social Media und in Talkshows seine Version der Geschichte. Das Magazin ZAPP hinterfragt die Haltung von Medien und Personen des öffentlichen Lebens in Bezug auf Jens Söring. Wieso übernehmen so viele von ihnen das Narrativ Sörings, ohne es zu hinterfragen? So auch die Redakteurin Karin Steinberger von der Süddeutschen Zeitung, die sich seit 2009 für Söring einsetzt. ZAPP hält vor allem ihren Kontakt mit dem Unterstützer-„Freundeskreis” für fragwürdig. Hat Steinberger ihre journalistische Sorgfaltspflicht verletzt?
Podcast: Das System Söring
In acht Folgen bespricht auch der Podcast „Das System Söring” den Kriminalfall. Neben der Chronologie des Verbrechens sind auch bisher ungehörte Stimmen zu hören, darunter der ehemaliger Scotland-Yard-Ermittler Terry Wright und der Polizist Ricky Gardner, die beide in den Fall involviert waren. Gardner war zudem als einer der ersten vor Ort. Auch eine ehemalige Vertraute Sörings, die durch das Dokudrama „Das Versprechen” von Marcus Vetter und Karin Steinberger auf den Fall aufmerksam wurde, ist Gast im Podcast. Annabelle H. war lange ehrenamtlich in einem Netzwerk Sörings tätig, das den Medien verkürzte und irreführende Darstellungen überbrachte.
Hörer:innen des Podcast können sich anhand der Fakten und Berichte der Gäste im Podcast selbst ein Bild von Jens Söring und dem Kriminalfall machen. Zu hören ist die Podcast-Reihe unter anderem auf Spotify und RTL+.
Salome Hanselmann | Hannah Hiergeist