Der Dokumentarfilm DAS LEERE GRAB feierte am 19.2.24 in der Sektion Berlinale Special Weltpremiere. Er erzählt von der Suche zweier tansanischer Familien nach den Gebeinen ihrer Vorfahren. Diese wurden während der Kolonialzeit außer Landes gebracht. Der deutsche Kinostart ist am 24. Mai.
Zwei Familien auf der Suche
Cece Mlay und Agnes Lisa Wegner haben erstmals bei einem Dokumentarfilm gemeinsam Regie geführt. Sie zeigen in DAS LEERE GRAB, wie der aus Tansania stammende John Mbano nach Deutschland reist, um den Schädel seines Urgroßvaters ausfindig zu machen. Sangea Mbano wurde während des Maji-Maji-Aufstands (1905-1907) von der deutschen Kolonialarmee ermordet und enthauptet. Später wurde sein Schädel zu rassistischen Forschungszwecken nach Deutschland gebracht. Im Verlauf des Films lernen wir auch Felix und Ernest Kaaya kennen, die sich nach Dar es Salaam begeben, um die Rückführung der Gebeine eines Vorfahren aus den USA zu erwirken.
DAS LEERE GRAB ist eine Produktion der in Baden-Baden ansässigen Firma Kurhaus Production in Zusammenarbeit mit dem ZDF und Kijiweni Productions in Daressalam Tansania.
Tiefe Betroffenheit als Motivation
Beim Panel-Talk am 20.02.24 im Rahmen von Berlinale Talents beschreibt Wegner, wie die Auseinandersetzung mit dem Filmthema für sie begonnen hat. „Meine ursprüngliche Motivation war der Schock, den ich hatte, als ich davon erfuhr, dass sich tausende menschliche Überreste eingeschlossen in Boxen in Museen, Universitäten oder anderen Institutionen befinden“, so die Regisseurin, die Amerikanistik und African-American Studies in Berlin und Harvard studiert hat. „Ich hatte vor allem den Wunsch das Schweigen zu brechen. Ich war sehr wütend und frustriert und dachte, alle müssen darüber Bescheid wissen. Auf der einen Seite ist es absolut unakzeptabel, dass diese Verbrechen begangen wurden, aber auf der anderen Seite auch, dass der Schmerz der Familien bis heute andauert.“
Deutsch-tansanisches Regieduo
Schon zu Beginn des Projekts stand für Wegner fest, dass sie den Film gemeinsam mit einer tansanischen Regisseurin umsetzen möchte. So kam Cece Mlay ins Boot, die bereits erfolgreich Kurzfilme gedreht hat und mit DAS LEERE GRAB nun ihren ersten langen Dokumentarfilm realisieren konnte. Den Filmemacherinnen gelingt es auf beeindruckende Weise, eine gemeinsame Filmsprache zu entwickeln, die mit großem Respekt die Geschichte der Protagonist:innen erzählt und viel Raum für deren Schmerz lässt. Gleichzeitig thematisieren sie bewusst die kulturellen Unterschiede ihrer Heimatländer. In DAS LEERE GRAB kollidieren beispielsweise immer wieder afrikanische Ahnenverehrung und die Bürokratie westlicher Institutionen.
„Dieses besondere Verbrechen der Geschichte ist auf vielen Ebenen sehr absurd und es ist eben auch mit der Institutionalisierung dieses systematischen Problems verstrickt. Kolonialismus und Rassismus prallen dort immer wieder aufeinander“, erklärt Cece Mlay beim Berlinale Talents Talk. „In unserem Film weiß eine der Familien, wo sich die Überreste ihres Vorfahren befinden, sie kennen die Institution. Sie wissen, dass ihr Angehöriger dort ist und sie wollen, dass er von einem Land in das andere gebracht wird. Aber es ist eben ein Mensch, den man zurückführt und sie brauchen deshalb einen Reisepass. Und das wiederum bedeutet, dass der Staat anerkennen muss, dass diese Person existiert. Das ist eine der großen Schwierigkeiten.“
Berlinale rückt westliche Kolonialverbrechen in den Fokus
Auch der am 24. Februar 2024 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnete DAHOMEY von Mati Diop, der die Rückführung kolonialer Raubkunst von Frankreich nach Benin thematisiert, setzt bei der Berlinale ein Zeichen gegen das Vergessen westlicher Kolonialverbrechen. Eine vergleichbare Signalwirkung gelingt Mlay und Wegner mit DAS LEERE GRAB, der definitiv auch einen Preis oder zumindest eine Nominierung, beispielsweise im Dokumentarfilmwettbewerb des renommierten Festivals, verdient gehabt hätte.
Gehen Sie ins Kino!
DAS LEERE GRAB ist ein Must-see, weil er gerade das deutsche Publikum nach dem Kinobesuch tief betroffen zurücklässt und die Auseinandersetzung mit der eigenen Kolonialgeschichte vehement einfordert. Hervorzuheben sind auch die wunderbaren Bilder von Kameramann Marcus Winterbauer, der die Vision der Filmemacherinnen durch sensible Beobachtungen und poetische Landschaftsaufnahmen unterstreicht. Am 23. Mai 2024 startet der Dokumentarfilm in den deutschen Kinos.