DOK-Premiere im Juli: BORN TO BE WILD

Das Haus des Dokumentarfilms präsentiert den neuen Film von Oliver Schwehm über die Band Steppenwolf als DOK Premiere. Am 16.7. in Stuttgart und am 17.7. in Ludwigsburg. An die Vorführung schließt sich jeweils ein Filmgespräch mit dem Regisseur an. Der bundesweite Kinostart ist am 4. Juli 2024.
von Wolfgang Jacobsen

„Get your motor runnin' / Head out on the highway / Lookin' for adventure / And whatever comes our way.“

Die Riffs sind kurz und hart. Die Drums treiben unerbittlich. Ein Sog von Schlägen. Das Keyboard variiert die knappe Melodielinie der Lead Gitarre. Der Basslauf reißt mit. Ein Riff ist wie ein Elementarteilchen. Und dazu diese Stimme: rau, ungehobelt, wie vereist.
Die Haare im Wind, die Cowboyhüte im Nacken jagen zwei Typen auf ihren Choppern, frisierten Harley-Davidson-Maschinen, über die Landstraßen, über die Colorado Bridge Richtung New Orleans. Route 66. Easy Rider – das sind Peter Fonda als Wyatt und Dennis Hopper als Billy. Jack Nicholson als alkoholsüchtiger Anwalt George Hanson gesellt sich zu ihnen. Ein Film gewordener Todesritt.
1969, als der Film in die Kinos kam, drückten sich die pubertierenden Jungs am Schaukasten des Eden-Kinos die Nase platt. Sehnsuchtsvoll. Warum? Welches Sehnen war gemeint? Mit Glück sah man den Film. Die weniger Glücklichen mussten mit den Aushangfotos vorliebnehmen. Und hatten dabei den Sound des Films im Ohr. Mehr als nur etwas.

Hour of the Wolf

Der Name der Band des Songs, die die Titelsequenz von Hoppers Film unterlegt, war wie ein Programm. „Steppenwolf“!!! Wow! Howlin‘ Wolf. So nannte sich ein Blueser. Dessen erste LP versprach „Moanin in the Moonlight“. Ein reißendes Tier, ein jaulendes Vieh. Flink, todesmutig, ohne Pardon. Wie die Bandmitglieder, die den provokativen Auftritt nicht scheuten. Eine Revolution ins Nichts. Psychedelisch, LSD-selig, außer Rand und Band.

„I like smoke and lightnin' / Heavy metal thunder / Racin' with the wind / And the feelin' that I'm under / Yeah, darlin', go make it happen /Take the world in a love embrace /Fire all of your guns at once and /Explode into space /Like a true nature's child / We were born, born to be wild / We can climb so high / I never wanna die.“

Da taucht erstmals diese Phrase auf, Heavy Metal, die zu einer Stilrichtung des Rock wurde: heavy, psychedelic, blues – all inclusive. Und William S. Burroughs entwarf literarisch den Heavy Metal Boy.
Und dann, unverwechselbar, für immer im Ohr, dieses ‚Born To Be Wild‘ – dieses langgezogene heulende ‚o‘ – wie eine Laut gewordene Wunde. Und – subtil – der einzige Verweis darauf, warum die Band so heißt wie sie heißt, nämlich benannt nach Hermann Hesses Roman „Steppenwolf“, Camouflage einer rücksichts- und schonungslosen wie auch verrätselten und visionären Selbstanalyse. Das „Traktat vom Steppenwolf“ weist den Helden auf das Wölfische der Existenz hin, welches ihn letztlich in ein ‚Magisches Theater‘ führt. Ein Figurenspiel. Ein literarisches Vexierspiel, surreal und psychedelisch. Wie die Songs der Band „Steppenwolf“ letztlich auch auf eine – wenn auch drogengesteuerte und vielleicht nur zynisch gemeinte – existenzielle Emanzipation zielen.

„Steppenwolf“ – wie rätselhaft. Doch mehr als nur ein wütender Herumtreiber und Wilderer? Der Film von Oliver Schwehm ist ‚on the road‘. Spürt der Geschichte der Band nach. Mäandert, manchmal verknappt wie ein Riff, manchmal elegisch wie eine traurige Melodie. Zu den Gründungsmitgliedern zählten zwei Deutsche, die es nach dem Krieg nach Kanada verschlagen hatte. John Kay, geboren als Joachim-Fritz Krauledat im ostpreußischen Tilsit, Kriegsflüchtling mit seiner Mutter vor der Roten Armee bis nach Hannover. Er gibt der Band seine Stimme. Und Nick St. Nicholas, eigentlich Karl Klaus Kassbaum, dessen hanseatische Familie in Thomas Manns Roman „Buddenbrooks“ eine unglückliche Rolle spielt – zerrüttete Familienverhältnisse, doch der Spross Gottlieb des betrügerischen Kaufmanns Philipp, bekommt in der Schule dennoch eine „vorzügliche Note, weil er Hiobs Vieh aufzählen konnte“. Zu dem ein Steppenwolf bekanntlich nicht gehörte. Der gesellt sich erst in Kanada zu den Nachfahren der ‚Kaßbaums‘.

Magic Carpet Ride

Der Film rockt. Entwickelt einen eigenen erzählerischen Drive. Kay und Nicholas erzählen – von Deutschland nach dem Krieg, vom Arbeiterviertel in Toronto, wo alles begann, von Los Angeles, der Stadt der Engel, auch der Gefallenen. Von Aufstieg und Hybris, vom Absturz, vom Taumeln und Aufstehen. Ansichten, Meinungen, Nachdenkliches und Behauptetes fügen sich ein: der Musiker Taj Mahal oder Alice Cooper, dessen „School’s out, forever“ eine Augenblickshymne war und gleichzeitig ein falsches Versprechen, des Regisseurs Cameron Crowe, und auch des Songwriters von „Born To Be Wild“, des kanadischen Musikers Mars Bonfire, immer ein bisschen geheimnisumwittert. Und weiterer Gäste. Zusätzlich, ein rockhistorischer Fund: 20 Stunden Super-8-Aufnahmem, die Nick St. Nicholas zur Verfügung stellte und die Schwehm in seine Montage integriert. So schwärmt der Film in seiner Erzählung aus. Und macht deutlich, dass Zeit nicht ein Nacheinander ist, eher eine Vorspiegelung, weil sie nacheinander zeigt, was eigentlich als Ineinander zu begreifen ist. Und so erst Sinn macht.

Der Film, so Oliver Schwehm, „soll natürlich vor allem Spaß machen – das Publikum mit Steppenwolf Sound volltanken lassen und auf einen gemeinsamen Trip mitnehmen. Wichtig war mir, dass man ein wirkliches Gefühl für die Musik bekommt, diese einzigartige Mischung aus Elementen von Rock, Blues, Funk, Psychedelic und Heavy Metal.“
Hoooooowl …
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