DOK Premiere im August: DIE UNBEUGSAMEN 2

Das Haus des Dokumentarfilms präsentiert den neuen Film DIE UNBEUGSAMEN 2 – GUTEN MORGEN, IHR SCHÖNEN! von Torsten Körner über Frauen in der DDR als DOK Premiere am 20. August 2024, um 20.00 Uhr, in Stuttgart. An die Vorführung schließt sich ein Filmgespräch mit Editorin Sandra Brandl an. Der Dokumentarfilm startet am 29. August 2024 bundesweit im Kino.

Unbeugsam – das meint: sich keinem Willen fügen, jedem Einfluss verschlossen. Mit anderen Worten: Haltung zeigen. Doch schließt die Vokabel auch andere schillernde Bedeutungen ein – im Sinne von rechthaberisch, starrköpfig, gar unbelehrbar.

Renate Strothmann in der DEFA-Dokureihe „Wittstock“ (1975-1997)
Frauen aus drei Generationen gehen mit einem Handwagen spazieren (1960).

Umbruch in der Bonner Republik

2021 kam Torsten Körners Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“ in die Kinos. Beachtet und mit großem Zuspruch bedacht. Ein Porträt von Politikerinnen, die in der Bundesrepublik um eine aktive Beteiligung an Entscheidungsprozessen kämpften, sich durchbissen und eigene Akzente setzten. Sich gegen einen allgegenwärtigen Sexismus behaupteten und sich dem patriarchalischen, opahaften Gestus mackernder Männer widersetzten. Sie schlugen einen neuen Ton auf der politischen Bühne an. Verweigerten sich der Rolle des Heimchens am Herd. Strebten bewusst in die gesellschaftliche Öffentlichkeit. Machten Karriere. Der Film ist weniger ein feministischer Exkurs, auch wenn diese Haltung von manchen der Porträtierten eingefordert und beschworen wird, als vielmehr eine Würdigung der konsequenten Haltung dieser Frauen in der „Männerrepublik“, wie der Regisseur das gesellschaftliche Umfeld der Bundesrepublik in einem erweiternden Buch zum Film betitelte. Körner, das sein Impetus, stellt seinem Publikum Pionierinnen einer demokratischen Offenheit vor, die es im ‚alten‘ Bonn so nicht gab. Mit dem Filmtitel „Die Unbeugsamen“ beschwört er einen positiven Geist. Widerstand gegen Überbrachtes.

Von der Basis bis zur Spitze

„Wir wollen tatkräftige Frauen – und zwar von der Basis bis zur Spitze“, tönt der Hierarch Erich Honecker. Und macht gleich ein Gefälle deutlich. Körners neuer Film nun signalisiert mit der Übernahme des Titels seines Films von 2021, es gehe um eine Fortsetzung der Geschichten der ersten Unbeugsamen. Und wenn er – ironisch – den Gruß „Guten Morgen, ihr Schönen“ hinzufügt, dann klingt gleich ein begütigender DDR-Ton an, der diesen Staat mitprägte, eines Staates, der die Gleichstellung der Frau als real proklamierte und dessen bündische Männer übersahen, dass ihre arbeitenden Frauen sehr wohl auch noch ein altes Rollenbild zu bewerkstelligen hatten, nämlich betüddelnde Hausfrau und Mutter zu sein. Nun ließen sich dem Sequel Number 2, wollte man den erzählerischen Faden diverser Geschlechteridentitäten weiter dröseln, locker Varianten hinzufügen, noch ganz jenseits von Unbeugsamen ganz anderen Schlages. Doch Körner bleibt bei seiner ersten Formel.

Neuerlich sucht er das zugewandte Gespräch, doch diesmal nicht nur mit Politikerinnen, sondern mit Frauen aus vielen gesellschaftlichen Bereichen. Unter ihnen sind Katrin Sass, Katja Lange-Müller, Brunhilde Hanke, Amrei Bauer, Gabriele Stötzer, Katrin Seyfarth – Schauspielerin, Schriftstellerin, Bürgermeisterin, Tochter der Malerin Annemirl Bauer, Punkerin, Metallurgin. Und andere mehr.

Filmstill DIE UNBEUGSAMEN Brunhilde Hanke
Die ehemalige Oberbürgermeisterin von Potsdam Brunhild Hanke im Interview für den Dokumentarfilm „DIE UNBEUGSAMEN 2 – Guten Morgen, ihr Schönen!“
Filmstill DIE UNBEUGSAMEN 2 Katrin Seyfarth
Metallurgin Katrin Seyfarth beim Interview für den Dokumentarfilm „DIE UNBEUGSAMEN 2 – Guten Morgen, ihr Schönen!“

Sie erzählen mit Witz und zuweilen ironischem Gestus, auch selbstkritisch und sich selbst belächelnd, aber auch behauptend von ihrem Leben in der Deutschen Demokratischen Republik, die verbacken in Ideologie war und weltfremd dem alltäglichen Allerlei gegenüber. So entsteht – in Kapitel eingeteilt, die still eine Chronologie verfolgen – ein Gruppenporträt. Gespickt mit reichem Archivmaterial, mit Fotos und Ausschnitten aus Film und Fernsehen wie ein Potpourri gefügt und von der Cutterin Sandra Brandl auch decouvrierend montiert. Manchmal webt sich in die Erinnerungen und Bilder ein nostalgisches Flimmern ein. Quasi wie von selbst? Oder willentlich, um den ‚schönen‘ Unbeugsamen nachträglich noch mehr Widerständiges zutrauen zu dürfen? „Hausfrau zu sein, war etwas ganz Negatives.“ Erzählt eine Frau. Also außerhalb der werktätigen Bevölkerung einen Platz zu haben, macht diese Frauen zu Verliererinnen? Oder sind sie nicht auch Unbeugsame in ihrer Haltung und der Verweigerung, einer staatlichen Forderung und Option zu gehorchen? Diese Frage lässt der Film offen. 

Männer antworten bei einer Straßenbefragung, ob sie sich eine Frau als Chef (nicht als Chefin) vorstellen können, das „wäre furchtbar“ und „wenn sie das vernünftig macht“. Antworten, die so auch im westdeutschen Posemuckel hätten gegeben werden können. Die herausfordernde Heiterkeit, die die Filmerzählung hier provoziert, ist gewollt. Dass die Antworten der Befragten auch einen Subtext enthalten, schwingt mit: ein politisches Crescendo, denn das Eigenständige, das manche Frauen für sich entdecken, steigert sich bei manchen still und beharrlich bis zur Kritik am System der DDR. Auch schon gegen den Staat selbst? Man habe sich sagen müssen, so eine Frau: „sich durchbeißen oder durchgebissen werden“.
Der Film fordert Zuspruch, lässt aber auch die Herausforderung zum Einspruch zu.

Der Film fordert Zuspruch, lässt aber auch die Herausforderung zum Einspruch zu.

https://www.youtube.com/watch?v=tek3uqP2yNk

DIE UNBEUGSAMEN 2 – GUTEN MORGEN, IHR SCHÖNEN! Dokumentarfilm von Torsten Körner. Produktion: Broadview TV GmbH in Koproduktion mit in Koproduktion mit ZDF/3sat, gefördert mit Mitteln von Film- und Medienstiftung NRW, des Medienboard Berlin-Brandenburg, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und des Deutschen Filmförderfonds; Verleih: Majestic Filmverleih.