Kinostarts im Oktober: 17.10 und 24.10.

Am 17. und 24. Oktober laufen sechs Dokumentarfilme im Kino an: URGEWALD – AUF DEN SPUREN DES GELDES, DAHOMEY, E.1027., Am 17. und 24. Oktober laufen sechs Dokumentarfilme im Kino an: URGEWALD – AUF DEN SPUREN DES GELDES, DAHOMEY, E.1027, MAURITIUS – DIE FERNWEHMACHER UNTERWEGS IM TROPENPARADIES, KRIEG ODER FRIEDEN, BERGFAHRT – REISE ZU DEN RIESEN und HEAVEN STOOD STILL.

Regie: Silke Schranz, Christian Wüstenberg

Kinostart: 17.10.24

Eine Reisedoku, die im Trailer zum Film auffordert, sich Urlaub im Kino zu gönnen. Also sehen wir die schönsten und geheimnisvollsten Orte der Insel, gönnen uns das Lachen der Einheimischen, schwimmen mit Delfinen und Schildkröten, schweifen über die Marktplätze. Die Filmemacher:innen wollen, dass ihr Publikum aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Fernweh ohne Weh.

Credits: „Mauritius“. Dokumentarfilm von Carly Hübner. Drehbuch: Charly Hübner. 
Kamera: Casey Campbell. Schnitt: Christoph Brunner.
Eine Produktion von Superfilm Filmproduktions in Zusammenarbeit mit NDR und RBB.
Im Verleih bei DCM Film Distribution.

Regie: Peter und Karin Weidling

Kinostart: 17.10.24

Was 1992 an einem Küchentisch im münsterländischen Sassenberg begann, Zusammenschluss von Menschen, die gemeinsam gegen die Zerstörung der Umwelt vorgehen, den Bossen des Kapitals die Stirn bieten und für Menschenrechte einstehen wollen, ist heute zu einer der einflussreichsten – und auch gehörten – NGOs geworden, einer non-governmental organization, die weltweit agiert und respektiert wird. „urgewald“ – im Namen selbst ist der politisch-gesellschaftliche Impetus manifestiert. Die Filmemacher zeichnen die Historie von „urgewald“ nach, die Gründer:innen erzählen vom Aufbruch und vom Heute, zu Wort kommen Skeptiker:innen und Sympathisant:innen wie Luisa Neubauer und Jürgen Trittin. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert hält „urgewald“ für einen „ganz wichtigen Transparenzbegleiter“.

Credits: „Urgewald“. Dokumentarfilm von Victor Kossakovsky. Drehbuch: Victor Kossakovsky. Kamera: Ben Bernhard. Schnitt: Victor Kossakovsky und Ainara Vera. Eine Produktion von Ma.ja.de. Filmproduktions und Les Films du Balibari in Koproduktion mit ZDF und in Zusammenarbeit mit Arte. Im Verleih bei Neue Visionen Filmverleih.

Regie: Elfi Mikesch

Kinostart: 17.10.24

Der brandenburgische Ort Wünsdorf war über Jahrzehnte ein Militärstandort: preußische Truppen, die Wehrmacht, schließlich Stützpunkt der Roten Armee, die erst 1994 den Ort verließ. Die marodierenden Folgen dieser militärischen Nutzung haben sich unauslöschlich in das Gelände eingeschrieben. Der Stadtplaner und Pionier des ökologischen Städtebaus Ekhart Hahn plädiert, unterstützt von Künstler:innen, für eine nachhaltige Umwidmung des Geländes. Für einen Ort, der dem Frieden nutzt und dient. Elfi Mikesch begleitet diese Diskussion, doch der russische Überfall auf die Ukraine konterkariert brutal die Überlegungen einer Transformation des Ortes – weg vom Krieg, hin zum Frieden. Elfi Mikesch schreibt: „Nichts wird so sein wie vor dem Krieg. Was wird die Zeit bringen, nach dem Krieg? Es sind brennende Fragen. Muss die Redensart „Kriege hat es immer gegeben, wird es immer geben“ bleiben oder können wir ihre zerstörerische Perspektive aufgeben, um das Kollabieren des Planeten zu verhindern? Krieg ist ein Brandbeschleuniger, der immer auch ökologische Katastrophen nach sich zieht, die Kontamination der Zukunft. Was gestern brannte, ist die Hitze von morgen.“ Um dies anschaulich zu machen setzt Mikesch auf ein mehrschichtiges System von Aussageweisen, indirekte Charakterisierungen der Personen, leitmotivartige umkreisende Wiederholungen der Begriffe Krieg und Frieden. So versinnbildlicht sie filmisch und gedanklich das Nebeneinander in sich geschlossener Sphären. Bricht diese auf. Sie resümiert: „In Wünsdorf wurde Geschichte geschrieben, heute entsteht neue Geschichte: Krieg oder Frieden.“

Credits: „Krieg oder Frieden“. Dokumentarfilm von Paul Raatz. Drehbuch: Paul Raatz. Kamera: Jean-Pierre Meyer-Gehrke, Yannick Hasse (Zusatz), Patrick Hinz (Zusatz) und Lukas Seiler (Zusatz). Schnitt: Julius Holtz. Eine Produktion von Von Anfang Anders Filmproduktion in Koproduktion mit NDR und in Zusammenarbeit mit Institut für Neue Medien. Im Verleih bei déjà-vu film.

Regie: Dominique Margot

Kinostart: 17.10.24

Die Riesen – das sind die Alpen. Der gefährliche Eiger. Das mächtige Matterhorn. Dass die Steine reden, weil sie leben, das wissen nur noch wenige. Die Gletscher machen das Unsichtbare sichtbar. Alles erscheint unwirklich, verwunschen, von Göttern und Dämonen erzählen die Volkssagen. Szenerien von bestürzender Unberührtheit. Flechten, Moose. Kleintiere. Doch seit Jahrzehnten drängt der Tourismus ins steinerne Massiv. Sprengt die Felsen, zertritt das Grün, rüstet die Skiwelt auf. Dominique Margot fängt die Stimmen der unterschiedlichen Parteien ein, zeigt die Interessenkonflikte auf. Dokumentiert das, was ist. Und damit auch das, was war. Und lässt jene zu Wort kommen, die ein Innehalten fordern. Wissenschaftlich begründet oder intuitiv erfasst. Überraschend in den Einsichten allemal.

Credits: „Bergfahrt“. Dokumentarfilm von David Allen. Drehbuch: Isabella Tree. Kamera: Tim Cragg und Simon De Glanville.
Schnitt: Mark Fletcher. Eine Produktion von Passion Pictures. Im Verleih bei polyband Medien.

Regie: Mati Diop

Kinostart: 24.10.24

November 2021: 26 Kunstschätze des Königreichs Dahomey werden aus Paris in ihr Herkunftsland, das heutige Benin, zurückgeführt. Zusammen mit unzähligen anderen Gegenständen – Kunstobjekten, Statuen einstiger Herrscher, auch ein Thron, alle von immenser symbolischer Bedeutung für die kulturelle Identität des Landes – wurden sie 1892 von französischen Kolonialtruppen geraubt. Doch ist die Rückkehr erwünscht, wie vorbereitet ist das Land, das sich politisch verändert hat, kein Königreich mehr ist, sondern von 1975 bis 1990 eine marxistisch-leninistisch ausgerichtete ‚Volksrepublik‘, heute eine präsidentielle Republik. Die Regisseurin Mati Diop greift in ihrem dokumentarischen Protokoll zu einem Trick, lässt eines der Objektive – mit der verfremdeten Stimme des haiitianischen Schriftstellers Makency Orcel – von der dunklen Einkerkerung in den Kellern des Pariser Museums erzählen. Versuch der Verlebendigung einer Rückführung von Raubkunst, die durchaus aufgeladen ist von gewollter gegenwärtiger politischer Symbolik. Wie also sollen diese Objekte empfangen werden, in einem Land, das sich über die Jahrzehnte stark verändert hat? Unter den Studierenden der Universität von Abomey-Calavi in Benin entflammt eine politische Debatte. Auch diese zeigt Diop. Der Film wurde auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2024 mit dem ‚Goldenen Bären‘ ausgezeichnet.

Credits: „Dahomey“. Dokumentarfilm von Javier Espada. Drehbuch: Javier Espada. Kamera: Ignacio Fernando. Schnitt: Carlos Ballonga und Jorge Yetano. Im Verleih bei Neue Visionen Filmverleih.

Regie: Rand Beiruty

Kinostart: 24.10.24

Geboren in Irland, wirkte Eileen Gray als Architektin und Designerin vorwiegend in Frankreich. 1922 schaffte sie den Einstieg in die Pariser Kunstszene, war liiert u.a. mit der Schriftstellerin und Kunstsammlerin Gertrude Stein und der Tänzerin Loië Fuller ebenso wie mit dem aus Rumänien stammenden Architekten und Herausgeber der architekturkritischen Zeitschrift „L’Architecture Vivante“. Heute immer noch weitgehend zu Unrecht vergessen, doch einflussreich in ihrer Zeit: ein klassisch gewordener Entwurf der Avantgarde ihr verstellbarer Tisch „E.1027“ – eine Chiffre: E = Eileen, 10 = J (der zehnte Buchstabe des Alphabets für Jean), 2 = Badovici und 7 = Gray (ebenfalls aus der Buchstabenfolge des Alphabets abgeleitet). Grays architektonisches Verständnis stand dem des mit ihr bekannten Architekten Le Corbusier entgegen; dessen Postulat der „Wohnmaschine“ konterkariert sie mit ihrem prä-feministischen Verständnis, was Architektur zu leisten habe: „Ein Haus ist keine Maschine, es ist das Gehäuse, die Schale des Menschen, seine Erweiterung, seine Befreiung, seine spirituelle Ausstrahlung.“ 1929 realisierte sie in diesem Geist ihr erstes Wohnhaus in Roquebrune-Cap-Martin an der französischen Riviera. Ebenfalls mit dem Code „E.1027“ bezeichnet. Das Haus fügt sich in die naturgegebene Topographie ein, bietet ein geschlossenes ästhetisches Inneres, das sich aber durch raumhohe Fenster zur Landschaft öffnet. Nicht nur der architektonische Entwurf stammt von Gray, auch die gesamte Innenausstattung designte sie. Als sie sich 1932 von Badovici trennte, fiel das Haus samt Inventar an diesen. Und der ließ es zu, dass Le Corbusier, beeindruckt von Grays Entwurf, sich diesen aneignete und – gleichsam in einem Akt männlicher Überlegenheit – ihn verfremdete und diffamierte, indem er auf die lichten weißen Wände großformatige und stark farbige Wandbilder auftrug. Gray empfand dies als einen Betrug und nannte Le Corbusiers Tun einen gewalttätigen Akt, forderte die Rücknahme seiner Malereien. Der – wiederum in einer gleichsam patriarchalen Geste – direkt hinter Grays Haus seine aus Holz gefertigte Ferienhütte „Le Cabanon“ setzte, die die Identität des Ortes bis heute bestimmt. Über die Jahre verfiel das Haus Grays, wurde teils zerstört, das Mobiliar veräußert und erst als das Haus 1999 in den Besitz des französischen Staates gelangte, begann man sukzessive mit der Rekonstruktion und Restaurierung. Doch was soll geschehen mit Le Corbusiers Malereien? Im Format einer Dokufiction, zugeneigt und aus der Perspektive von Eileen Gray erzählt, erzählt Mingers und Schaubs Film die Geschichte von „E.1027“.

Credits: „E.1027 - Eileen Gray und das Haus am Meer“. Dokumentarfilm von Rand Beiruty. Drehbuch: Rand Beiruty. Kamera: Marco Müller, Antonia Kilian (Zusatz) und Meret Madörin (Zusatz). Schnitt: Patrick Richter und Abdallah Sada. Eine Produktion von Tondowski Films und Shaghab Films. Im Verleih bei Real Fiction Filmverleih.

Regie: Larry Locke

Kinostart: 24.10.24

Da steht ein Mann auf der Bühne, von Zigarettenrauch umnebelt, schlank, schulterlanges Haar, das Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. lächelt dreist und verschämt zugleich, lässt einen im Schneidezahn eingefassten Diamanten blitzen. Angeberpose aus schüchterner Verlegenheit. Singt. Die Stimme ist rau, ungehobelt und doch sinnlich. Das Timbre mäandert zwischen der Melancholie einer Edith Piaf, dem Schmelz eines Frank Sinatra und der schroffen Wut eines Jimi Hendrix. „Hey Joe!“ Wie aus der Zeit gefallen. Sein Künstlername: Willy DeVille. Seine Band nennt er Mink DeVille. Mink – das heißt Nerz. Also wild, bissig und von seidenem Pelz. Die Songs sind Rhythm and Blues, Cajun, Latin in weitestem Sinn. Mehr John Lee Hooker, nicht die Beatles, schon gar nicht Madonna oder Michael Jackson. Willy DeVille war ein muskalischer Einzelgänger, ein Original, unangepasst, aufmüpfig, eigen. Er stammte aus der New Yorker Punkszene und war in seinem ganzen Auftritt wie ein Fremdkörper, weniger Raufbold oder Mistkerl, eher wie ein „southern gentleman“. Er füllte das Pariser „Olympia“ und spielte vor wenigen Leuten in irgendeiner dunklen New Yorker Kneipe. Der Ruhm kam schnell. Und verblasste schneller. Larry Locke montiert Aussagen von Freunden und Weggefährten, die den Musiker skizzieren, schneidet Szenen von Auftritten ein, verdichtet alles zu einem Künstlerporträt in leuchtendem Halbschatten: „One celestial rhapsody / And heaven stood still“.

Credits: „Heaven Stood Still: The Incarnations of Willy DeVille“. Dokumentarfilm von Larry Locke. Drehbuch: Larry Locke. Kamera: Benjamin Wolf. Schnitt: Randi Barros. Produziert von Allison Brandin, Crispin Cioe und Diethard Küster. Im Verleih bei Arsenal Filmverleih.

Einen Beitrag zu den weiteren Dokus, die im Oktober im Kino angelaufen sind, finden Sie hier. Darunter sind Beispielsweise ARCHITECTON, ELEMENT OF CRIME. WENN ES DUNKEL UND KALT WIRD IN BERLIN oder BUÑUEL: FILMEMACHER DES SURREALISMUS.

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Picture of Wolfgang Jacobsen
Wolfgang Jacobsen, geboren 1953 in Lübeck, bis 2019 Leiter Forschung und Publikationen an der Deutschen Kinemathek. Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher zur deutschen und internationalen Filmgeschichte. Arbeiten für Hörfunk und Fernsehen, schreibt über Film und Literatur. Lebt als freier Autor in Berlin.
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