Rund einen Monat nach der Erstsendung bei Arte bringt Das Erste am Montagabend Jan Tenhavens Dokumentarfilm »Die Silicon Valley-Revolution« ins Hauptprogramm. Ein Film, der viel mehr ist, als eine Aneinanderreihung von Ereignissen und Errungenschaften des Computerzeitalters. Tenhaven hat die Veränderung der letzten 50 Jahre als Wandel der Kulturgeschichte begriffen und erzählt nicht nur erstaunliche Anekdoten aus der Gründerzeit der Computerpioniere, sondern er spricht auch mit Pionieren von einst, die den Erfolg der Revolution feiern – und ihn zugleich bedauern. Der Film ist bis 10. Juli in der Mediathek von Das Erste abrufbar.
Die Silicon Valley-Revolution
Ein grauer Kasten mit Kippschalter und Leuchtdioden bringt Mitte der siebziger Jahre eine Gruppe amerikanischer Träumer zum Jubeln. Minutenlang hat einer von ihnen an dem Ding herumgespielt – einem zuvor festgelegten Schema folgend. Plötzlich erzeugt der Kasten über ein daneben stehendes Radio so etwas wie Musik. Wer genau hinhört, kann eine verzerrte Version des Beatles-Songs »The Fool on the Hill« erkennen. Der Altair 8800, der Vorläufer des Personal Computers, hat erstmals in der Geschichte des just angebrochenen Computerzeitalters etwas Sinnvolles getan. Solche und andere Anekdoten hat der Filmemacher Jan Tenhaven (u.a. »Herbstgold«) in seinem Dokumentarfilm »Die Silicon-Valley-Revolution« ausgegraben. Ihm ist eine Kulturdokumentation über eine Revolution gelungen, die so erfolgreich war, dass sie am Ende scheiterte.
» Die Silicon Valley-Revolution « (Das Erste Mediathek)
(Video laut Sender abrufbar bis 10. Juli 2017)
Natürlich tauchen in Tenhavens Film die Unvermeidbaren auf: Steve Jobs und Bill Gates zum Beispiel. Doch sie werden nur in Fotografien gezeigt und stehen damit, auch wenn sie in finanzieller Hinsicht am meisten von der Computerrevolution profitierten, eher am Rande dieses Filmes. »Die Silicon-Valley-Revolution« will nicht den Erfolg Einzelner beschreiben, sondern eine ebenso gesellschaftliche wie technische Revolution nachzeichnen. Woher kam der Dang zum Auf- und Umbruch, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Silicon Valley Revolutionäres erschuf? Es war auf jeden Fall mehr als nur technische Begeisterung. Durch den ganzen Film zieht sich die Musik der Sechziger und Siebziger Jahre – vor allem Bob Dylans »The Times They Are A-Changig« wird zur Hymne dieser Suche nach Veränderungen.
Regisseur und Autor Tenhaven mixt Fundstücke aus der Garagenzeit, in der Bastler die ersten elektronischen Bauteile zusammenschraubten, mit Interviews einiger Wegbereiter dieser digitalen Gründerzeit. Der Computerpionier Lee Felsenstein zum Beispiel hat das Valley noch zu einer Zeit erlebt und mitgestaltet, als dort Freaks und Jünglinge psychedelische Erfahrungen machten und davon träumten, das Establishment abzuschaffen. Oder Daniel Kottke, der in der Garage von Steve Jobs als erster Apple-Mitarbeiter arbeitete, während Jobs in der Küche seine ersten Deals machen wollte. Beide sind übrigens nicht reich geworden, obwohl sie ganz nahe dran waren am Goldstrom, der sich später auftun würde.
Der Film legt allerdings auch eine ganz andere Motivation als Reichtum frei. Der Wunsch, etwas zu verändern, Pioniergeist und Wissensdurst. Am Ende hat diese Revolution nicht nur das Silicon Valley verändert, sondern die ganze Welt. Als Anfang der neunziger Jahre dann auch noch das Internet als weltumspannendes Kommunikationsnetz entsteht, scheint die Revolution am Ziel. Firmen wie Google sind wie 20 Jahre davor Apple Teil einer weiteren revolutionären Phase. »Sei nicht böse« heißt lange das Firmenmotto von Google – bis das Motto nicht mehr zum Image des Milliardenmotors des Webzeitalters passt.
Heute sind Google, Apple, Microsoft und Facebook selbst das Establishement. Computerpionier Larry Tesler sagt dazu in Jan Tenhavens Film: »Was ich damals mitgeschaffen habe, ist heute das Establishment. Dabei wollte ich doch genau das loswerden.« Doch nichts ist für die Ewigkeit geschaffen. Einst zitierte Steve Jobs zur Einführung des Macintosh-Computers aus Bob Dylans Hippiehymne. Da heißt es: Die Verlierer von heute werden die Sieger sein. Das gilt, als Mahnung für Google & Co., ja auch weiterhin. The Times They Are A-Changing…