»Hier dreht sich alles um Kühe.« Diese Erkenntnis steht am Anfang von Lisei Caspers Dokumentarfilm »Gestrandet«, der unter anderem beim 37.Max-Ophüls-Festival zu sehen war und den der NDR derzeit in seiner Mediathek anbietet. In Wirklichkeit dreht sich hier aber alles um fünf Flüchtlinge aus Eritrea, die auf 1500 Bewohner des ostfriesischen Dorfes Strackholt treffen. Ob die Integration gelingt?
Wo, wenn nicht hier, könnte die Integration von Flüchtlingen gelingen? Es geht um fünf junge Männer aus Eritrea. Alle in ihrer Heimat politisch verfolgt und mit großer Chance auf eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Sie treffen auf 1500 Bewohnerinnen und Bewohner der kleinen ostfriesischen Gemeinde Strackholt. Und sie treffen vor allem auf Helmut und Christiane – der eine ein pensionierter Schuldirektor, die andere eine Journalistin – die den fünf Männern jede nur erdenkliche Unterstützung geben wollen.
Gestrandet (NDR Mediathek)
(Video voraussichtlich abrufbar bis 1. November 2017)
Beim Boßeln zum Beispiel, eine beliebte Straßensportart in Ostfriesland, könnten die fünf Neuankömmlinge doch gleich Sitten und Gebräuche ihrer neuen Heimat erlernen. Später, beim Rundgang durch den Ort, lernen sie nicht nur Bruchstücke einer neuen Sprache – vorgetragen in einer Mischung aus Deutsch, Englisch und plattdeutschem Dialekt -, sie lernen auch, wofür der Kondomautomat gut ist. »Drei Kondome für vier Euro«, preist Helmut und erklärt auch gleich den Nutzen: Wenn sie mal mit einer Frau zusammen wären.
Nun, mit Frauen kommen Aman, Hassan und die anderen drei fürs Erste nicht so nah zusammen, dass sich die Investition lohnen würde. Auch mit Arbeit, mit Normalität, mit einem Menschsein, das sich in Eritrea von dem in Deutschland am Ende gar nicht so sehr unterscheidet, bleiben die fünf noch lange, sehr lange weit entfernt. Einmal sieht man sie in orangenen Uniformen der Straßenmeisterei Pflastersteine sortieren. Im Hintergrund dreht sich malerisch die Windmühle. Hat sie da also geklappt, die Integration? Dann wieder sieht man die fünf um den Tisch sitzen – die Stimmung ist eher gedrückt. Ein Spiegelbild ihres Inneren, denn das leidet weiter. Vor allem darunter, dass sie für einen Euro in der Stunde niederste Arbeit machen sollen. Kann man sich so ein Leben aufbauen?
Szene aus »Gestrandet« © NDR/Pandorafilm
Es sind die Mühlen der Ämter, die das Leben der fünf Eritreer bestimmen. Und die mahlen viel langsamer als die echten Windmühlen. Das zermürbt – und Lisei Casper, die den Prozess mehr als ein Jahr lang dokumentiert, lässt uns Zeuge von mehreren sozialen Prozessen werden: Freundschaft, Vertrauen, Hoffnung und Resignation sind die bestimmenden Faktoren dieser Wandlung.
Ganz am Ende des Filmes, der sich trotz allem nicht in Hoffnungslosigkeit verliert, sieht man Integrationshelferin Christiane im Standesamt nachfragen, was man bräuchte, damit einer ihrer Schützlinge mit einer Äthiopierin heiraten kann, die er kennengelernt hat. Es fehlt leider an allen nur denkbaren Unterlagen – und leider taucht in den behördlichen Vorgaben Eritrea gar nicht auf. Da weiß auch der deutsche Beamte nicht mehr weiter.