Unseren Arbeitsort teilen wir mit weiteren Institutionen auf dem Gelände der Merz Akademie. Doch was machen eigentlich unsere Nachbarn? Willy Rollé bringt über TAVMA Filmvorführung und Filmproduktion zusammen. Wir haben mit ihm über seine aktuelle Arbeit gesprochen.
TAVMA: Show und Creation
Seit 2018 leitet Willy Rollé das Startup TAVMA. Er selbst ist Filmproduzent und möchte mit seinen Angeboten Filmschaffende vielseitig unterstützen. TAVMA Show gibt Filmen eine Plattform, die trotz fehlender Auswertung und Sichtbarkeit „einen Platz verdient haben.“ Dafür organisiert Rollé ortsunabhängige Filmveranstaltungen mit anschließendem Filmgespräch; eine Art „mobiles Kino“. Die Idee ist „immer einen Orts-Bezug zu haben“, mit Begegnungs- und Gesprächsraum.
TAVMA Creation dahingegen greift einige Schritte zuvor: als Filmproduktion wirkt sie bei der Entstehung verschiedener Filme mit. Derzeit ist beispielsweise der Dokumentarfilm „Patrida“ in der Postproduktion. Er zeigt eine türkische Familiengeschichte über Ismets Reise von Istanbul nach Zürich aus der Perspektive seiner Tochter Ayça. Geplant ist, die in der Postproduktion von der MFG geförderte Doku zunächst auf Filmfestivals 2021 zu zeigen.
Corona erfordert Umstellung
Auch Willy Rollé ist von der Pandemie und den Maßnahmen betroffen. Anstatt präsent zu sein, hat er geplante Watch Parties (hybride Filmvorführungen) ebenfalls ins Digitale verlegt. Er selbst erlebte dabei Aufgeschlossenheit bei seinen Kooperationspartner und Zuschauenden: „Vor Corona waren sie das weniger. Für mich war das ein Lerneffekt, wie die Umstände die Offenheit der Menschen beeinflussen.“ Dennoch gibt es auch für ihn einige Hürden: „Die Umstellung von offline auf online ist schon aufwendig. Und auch die Interaktion ist anders. Die Herausforderung ist, die Veranstaltungen soweit abzubilden, dass es kein Verlust, sondern eine Bereicherung, im Vergleich zum Live-Event ist. Die Zuschauenden sollen auch was erleben. Deshalb versuche ich das gerade umzusetzen … mit der Idee, einen digitalen Begegnungsraum zu schaffen. Das setzt Knowhow und Equipment voraus“, so Rollé.
Resonanz Online-Screening „For Ahkeem“
Vergangenen Donnerstag, 12.11.20, gab es mit dem Screening des Dokumentarfilms „For Ahkeem“ und dem anschließenden Filmgespräch mit den Regisseuren Jeremy S. Levine, Landon Van Soest und der Kulturwissenschaftlerin Nadine Seidu die erste Online-Veranstaltung. Thematisiert wird in der Doku „For Ahkeem“ der alltägliche und habitualisierte Rassismus in den USA am Beispiel der Schülerin Daje Shelton, die auch im Filmgespräch über ihr aktuelles Leben berichtete.
Rollé zieht aus dem Online-Event positive Resonanz. Prägend ist für ihn das Schicksal von Antonio, dem Ex-Freund von Daje Shelton. Dieser wirkte ebenso im Film mit und sitzt heute, Jahre später, lebenslang im Gefängnis. „Der Film zeigt auf, wie schlecht das Justizsystem in den USA für junge schwarze Menschen ist. Es bietet keinen Ausweg aus der Misere. Vielmehr trägt es indirekt dazu bei, dass sozial Benachteiligte in einen kriminellen Teufelskreis hineingeworfen werden.“ Außerdem betont er einen weiteren Effekt seiner Veranstaltung: „Wenn man nach dem Film im Gespräch direkt von der Darstellerin erfährt, dass ihr Ex-Freund heute kein Leben mehr hat, dann ist das ein anderer Effekt als bei einer Nacherzählung. Das ist der Mehrwert von so einer Veranstaltung.“
Pläne für die Zukunft
Für die Zukunft will Willy Rollé über Stuttgart hinaus mit TAVMA vertreten sein: „Noch ist die TAVMA Show hier verankert. Und es ist sehr schwer, auch in der digitalen Welt, regionale Wände durchzubrechen. Da gibt es schon institutionelle Hürden, wenn beispielsweise viele nur auf die eigenen Aktivitäten bedacht sind.“ Er möchte zudem überregionalen Zugang zu Filmen schaffen, die nur schwer oder überhaupt nicht eine Auswertung bekommen; weder im Streamingdienst noch im Kino. Für die Zeiten nach Corona soll die Veranstaltung TAVMA Watch Party nicht mehr nur digital, sondern gleichzeitig offline stattfinden, als hybrides Format. Denn „es gibt eine Vielfalt an Filmen heute, die gar nicht alle einem Publikum gezeigt werden können. Und diese Filme werden wir suchen.“
Hinweis: Diesen Donnerstag, 19.11., veranstaltet TAVMA Show ein weiteres Online-Screening in Kooperation mit der Jugendinitiative der Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg und Future Fashion. Gezeigt wird das Drama „Made in Bangladesh“ über die Arbeit von Shimu in einer Textilfabrik in Dhaka, Bangladesch. Das Gespräch im Anschluss führt Willy Rollé mit der Regisseurin Rubaiyat Hossain und dem Journalist Volker Rekittke.
Los geht das den Link am Donnerstag, den 19.11.2020, um 19 Uhr für 5,50 Euro.
Bis zum 04.12.2020 ist der Film als Video on Demand über den Link verfügbar.