Das Kino und die Krise der Öffentlichkeit

Der 16. Bundeskongress der Kommunalen Kinos, als Schnittstelle von Theorie und Praxis, verlief dieses Jahr digital. Über 260 Kinointeressierte Kommunaler Kinos, Kinematheken, Filmmuseen, Filmfestivals und der Politik diskutierten die kommunale Filmarbeit in Zeiten der Krise.

Kino Zukunft?

Plakat "Kinos und die Krise der Öffentlichkeit" Bundeskongress Kommunaler KinosDabei gab es vorproduzierte Statements zur aktuellen Lage beispielsweise von Edgar Reitz, der einmal mehr dazu aufrief, das Kino neu zu denken und zu neuen Formen zu finden. Die Filmwissenschaftlerin Heide Schlüpmann sprach ebenfalls über die Räume des Kinos, die Bedeutung von Projektion, der Aufführungspraxis und der Programmgestaltung. Der Medienwissenschaftler Jan Distelmeyer setzte sich mit dem Begriff der Digitalität auseinander. Der anerkannte Filmpublizist Georg Seeßlen diskutierte die Ökonomisierung und Institutionalisierung der Krise und deren gesellschaftspolitische Auswirkungen auf die (Kino-)Kultur. Kino als öffentlicher Ort stellte die Architektin Gabu Heindl in den Mittelpunkt. Der Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen Lars Henrik Gass sprach über die Zukunft des Kinos.

Kokis in Corona Zeiten

Mit einer kritischen Bestandsaufnahme zur aktuellen Situation der Kommunalen Kinos begannen die Online-Seminar. Nach einer aktuellen Studie von Morticia Zschiesche kam zu dem Resultat, das 80% der Mitarbeiter*innen ehrenamtlich oder als Mini-Job angestellt sind. Weniger als die Hälfte der Kommunalen Kinos werden institutionell gefördert. Sie sind wie alle Kinos von Schließung und schlechter Planbarkeit betroffen. Viele der Aktiven fühlen sich aus ökonomischen und demokratischen Prozessen ausgeschlossen. Diskutiert und gefordert wurde eine Aufwertung der Kommunalen Kinos, um sie zukunftsfähig zu machen und damit sie gesellschaftliche Transformationsprozesse kritisch begleiten können.

Kinos erfüllen gesellschaftliche Funktion

Perspektiven für die Zukunft war zentrales Thema des Kongresses und in den Panels ging es neben der Bestandsaufnahme, den Kinoschließungen auch um alternative Angebote im Internet. Die diskutierte Krise der Öffentlichkeit war dabei viel umfassender gemeint. Viele Diskussionen beschäftigten sich mit dem schwindenden Stellenwert von Kultur. Denn sie erfüllt durchaus eine gesellschaftliche Aufgabe, was gerade jetzt deutlich wird. In einem Panel mit dem provokativen Titel „Zwischen Bordell und Oper – wie steht es um den kulturellen Wert von Film und Kino in Deutschland?“ waren sich alle einig, dass das Kino stärker gefördert werden müsse. Hier fehlte ein Gegenpart, der beispielsweise auf die selbstregulierenden Kräfte des Marktes gepocht hätte.

Filmhaus in Nürnberg
Filmhaus in Nürnberg. Foto: Nikolas Schuppe

Filmfestivals online

Die Filmfestivals waren die ersten, die ihre Filme online präsentierten und dabei viele Erfahrungen sammelten. Alle vermissten den persönlichen Austausch und die Festivalatmosphäre. Auf der anderen Seite wurden im Netz ganz neue Nutzergruppen erreicht und die Festivals wurden bundesweit wahrgenommen. Maxa Zoller, neue Leiterin des Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund | Köln sprach von einer Re-Demokratisierung des Kinos. Christoph Terhechte, der neue Leiter von DOK Leipzig, unterstrich die Bedeutung von gut ausgestatteten Festivalkinos für die Festivals.

 

Filmkultur online

Der Bundesverband Kommunale Kinos ist selbst bei der Entwicklung und Erprobung der kinogeeigneten VoD-Plattform „Cinemalovers“ vertreten, die vom Filmhaus Nürnberg entwickelt wurde. Dabei werden anspruchsvolle Filme und Zusatzmaterial wie Interviews und Filmkritiken den Filmfans für eine günstige Jahresgebühr von 25.- € angeboten. Das System ist im Aufbau und das Filmhaus hofft, dass es von vielen anderen Kokis und Programmkinos genutzt wird, um auch in Zeiten der Corona-Krise mit Filmkultur präsent sein zu können. Denn dass neue Konzepte gefordert sind, wurde in vielen der Diskussionen deutlich.

(Kay Hoffmann)