Zum Abschluss des 60. Internationalen Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm wurden bei der Preisverleihung 21 Auszeichnungen in einem Gesamtwert von 73.500 Euro vergeben. Fünf der insgesamt sieben mit Goldenen Tauben ausgezeichneten Filme wurden in diesem Jahr von weiblichen Filmschaffenden realisiert, ein weiterer entstand in weiblicher Co-Regie. Insgesamt besuchten diesmal 45.000 Besucherinnen und Besucher das Festival. Der Branchenbereich DOK Industry zog rund 1.800 internationale Fachbesucher/innen an. 900 Treffen fanden im DOK Co-Pro Market statt.
Die Goldene Taube für den Besten Langfilm gewann verdient die Fotografin Ana Dumitrescu für »Licu. A Romanian Story« – die Regisseurin war auch selbst für die Gestaltung der eindrucksvollen Schwarzweiß-Bilder verantwortlich. In ihrem Dokumentarfilm porträtiert sie den 92-jährigen Licu, der sich an sein Leben und die Umbrüche in Rumänien erinnert.
Als bester deutscher Langfilm ausgezeichnet wurde die israelisch-deutsche Koproduktion »Muhi – Generally Temporary« von Rina Castelnuovo-Hollander und Tamir Elterman, über den sechs Jahre alten Palästinenser Muhi, der im Gazastreifen geboren wurde, aber wegen einer seltenen Autoimmunerkrankung seine Kindheit gemeinsam mit seinem Opa in einem israelischen Krankenhaus verbringen muss. Obwohl ihm Hände und Füße amputiert werden mussten, meistert er die Situation mit viel Kraft und Optimismus. Im Next Master Wettbewerb wurde von dem alleinigen Juror Jay Rosenblatt die südkoreanische Regisseurin Boram Kim für »Baek-gu« ausgezeichnet. Im Film nähert sich die Filmemacherin über einen alten, hinkenden Hund den Einwohnern eines ruhigen Stadtteils von Seoul an, die in separaten Welten zu leben scheinen. Der Preis dient als Anschubfinanzierung für das nächste Filmprojekt.
Mit der Goldenen Taube für den besten animierten Dokumentarfilm wurde der norwegische Beitrag »Mum’s Hair« von Maja Arnekleiv geehrt. Die 20-jährige Regiedebütantin dokumentiert über zwei Jahre hinweg die äußerliche Veränderung ihrer an Krebs erkrankten Mutter. Über 2.000 Bilder fügt sie spielerisch in einer persönlichen Montage zu positiven Erinnerungen zusammen.
Im Internationalen Wettbewerb kurzer Dokumentar- und Animationsfilm wurde die portugiesische Filmemacherin Mónica Martins Nunes mit »The Ashes Remain Warm« als bester kurzer Dokumentarfilm ausgezeichnet. Der Filmemacher Ehsan Gharib erhielt für den kanadischen Beitrag »Deyzangeroo« die Goldene Taube kurzer Animationsfilm. Die Goldene Taube für den besten deutschen Kurzfilm ging an den Animationsfilm »Megatrick« von Anne Isensee. Der nach einjähriger Pause erneut vergebene Filmpreis Leipziger Ring wurde erstmals vom Publikum ermittelt. Der Preis ehrt einen Dokumentarfilm über Menschenrechte, Demokratie und bürgerschaftliches Engagement, gestiftet von der Stiftung Friedliche Revolution. Die Auszeichnung ging an den Film »Silent War« der britisch-französischen Regisseurin Manon Loizeau, der Vergewaltigungen syrischer Frauen und bislang unerzählte Kriegsverbrechen des Assad-Regimes thematisiert.
Gleich vier Preise und damit die meisten Auszeichnungen des Abends erhielt der Film »Wildes Herz« von Charly Hübner und Sebastian Schultz über die norddeutsche Punkband »Feine Sahne Fischfilet« und deren Engagement gegen Rechts. Der Film startet im April 2018 in den deutschen Kinos.
DOK Neuland hat sein Provisorium auf dem Marktplatz verlassen und findet jetzt in den Messehof Passagen statt, die es unabhängiger vom Wetter und Temperatur machen. Dort wurden mit Unterstützung von Arte insgesamt zehn 360°-Filme, Webdokus und Transmediaprojekte präsentiert, über die die Nutzer abstimmen konnten. Gewonnen hat der 360°-Film »Notes to My Father« von der Regisseurin Jayisha Patel, eine indisch-amerikanische Koproduktion.
Auf großes Interesse stießen die beiden Meisterklassen von Sergei Loznitsa (»Austerlitz«, Goldene Taube 2016) und Jay Rosenblatt (»Human Remains«, »Filmmakers Unite«), der auch für den originellen Festival-Trailer »Schüttel es ab!« verantwortlich war. Darin wird in Zeitlupe mit einem belehrenden Kommentar gezeigt, wie ein Hund das Wasser abschüttelt: »Sie tun das, indem sie Teile ihres Körpers gleichzeitig in verschiedene Richtungen bewegen. Andernfalls würden sie wahrscheinlich umfallen.« Sozusagen ein Appell für Standhaftigkeit in schwierigen Zeiten.
Sämtliche Preisträger sind aufgelistet unter www.dok-leipzig.de