»#uploading_holocaust«
Heute ist in Zeiten von Internet und globaler Verfügbarkeit von Smartphones, Tablets und Laptops jeder Mensch ein Filmemacher. Das führt bei Dokumentarfilmen wie »#uploading_holocaust« zu neuen Herausforderungen. Die beiden Regisseure waren im Juni 2017 auch zu Gast beim Branchentreff Dokville in Stuttgart und berichteten von ihren Erfahrungen mit »user generated content«. Der Film ist bis 16. November 2017 in der ARD-Mediathek abrufbar.
In Israel reist jedes Jahr ein Viertel der Oberschüler nach Polen. Was Ende der 1970er Jahre als Projekt eines Lehrers begann, der selbst Überlebender des Holocaust war, hat mittlerweile eine Eigendynamik entwickelt. Wie in einem Initiationsritual folgen die Schüler heute den Stationen der Vernichtung und sollen quasi in die Rollen der Opfer schlüpfen. Einige steigern sich so herein, dass sie völlig aufgelöst sind und dem Nervenzusammenbruch nahe. Zugleich werden die Teilnehmer propagandistisch eingeschworen auf den Staat Israel und seine unbedingte militärische Verteidigung.
#uploading_holocaust (ARD-Mediathek)
(Video laut Sender abrufbar bis 16. November 2017)
Eigentlich wollten die beiden Regisseure Sagi Bornstein und Udi Nir eine solche Klassenfahrt begleiten. Doch bei ihren Recherchen stießen sie auf eine Plattform, in der seit den Anfängen Filmclips dieser Fahrten hochgeladen wurden – eine unglaubliche Quelle an »user generated content«. Als sie anfingen, gab es 10.000 Clips, inzwischen sind es drei Mal so viele. Deshalb entschlossen sie sich, den Film »#uploading_holocaust« nur mit diesem Material zu gestalten.
Obwohl die Filme aus den verschiedenen Jahrzehnten von der Auflösung eine sehr unterschiedliche Qualität haben, funktioniert ihre Dramaturgie hervorragend, da sich die Rituale an den gleichen Orten wiederholen. Bei einigen Clips gibt es ebenfalls solche dokumentarischen Glücksmomente, wenn beispielsweise eine Deutsche als Wiedergutmachung den Schülern gelbe Herzen an die Brust heftet. Für diejenigen, die hoffen, dass sie in Zukunft Filme günstiger produzieren könnten, zerstörten die beiden jegliche Hoffnung. Für die Klärung der Rechte mit den Machern und der Persönlichkeitsrechte mit den im Bild gezeigten Protagonisten sei eine erhebliche Recherche und ein großer Aufwand notwendig gewesen.
Der deutsche Produzent Christian Beetz ließ dazu auch ein crossmediales Projekt unter www.uploading-holocaust.com produzieren. Die beiden Regisseure waren im Juni 2017 auch zu Gast beim Branchentreff Dokville in Stuttgart und berichteten von ihren Erfahrungen mit »user generated content«.
(Kay Hoffmann/Thomas Schneider)