Den langen Autoren-Dokumentarfilm gibt es im deutschen Fernsehen schon seit längerer Zeit nur noch selten, und wenn, dann meist zu später Stunde. »Donkeyote« wurde dann auch tatsächlich nach Mitternacht gesendet – steht nun aber bis 27. Dezember 2017 in der Arte-Mediathek zum Abruf bereit. Dieser wundervoll poetische Film über einen alten Spanier, der mit seinem Esel quer durch Amerika wandern will, hat bereits auf etlichen Festivals brilliert. Dass dieses Juwel nun im TV funkelt, wärmt uns die eisige Herbstnacht.
Ein Esel steht im Morgengrauen. Man sieht nur seine Shilouette. Dann ein Ruf aus dem Nichts. Ein Hund kommt bellend herangelaufen. Immer wieder wird der Esel, der anscheinend Gorrion heißt, von seinem Herrn gerufen. Es dauert noch ein Weile, dann trabt das Tier tatsächlich davon. Sie sind wohl ein eingeschworenes Team; dieser Gorrion, sein Herr Manolo und die Hündin Zafrana.
Donkeyote (Arte Mediathek)
(Video laut Sender abrufbar bis 27. Dezember 2017)
So nebenbei und poetisch zugleich kann man in nur einer Minute die ganze Geschichte von »Donkeyote« verdichten. Auch wenn der Film über den alt gewordenen Spanier noch viele Episoden haben wird – so liegt in diesen ersten Sekunden des Dokumentarfilms von Chico Pereira doch die ganze Quintessenz. Es geht um das Zusammengehören und um das Aufbrechen – und um Träume, die man sich auch noch erfüllen will, selbst wenn jeder davon abrät. Manolo hat nämlich einen Traum: Er will zusammen mit seinem Esel den 2200 Meilen langen »Pfad der Tränen« in den USA wandern.
Für die allen Unkenrufen trotzende Geisteshaltung – die manche auch als Geistesverwirrung deuten – gibt es ein literarisches Vorbild: Don Quijote de la Mancha, den Ritter mit unendlicher Zuversicht, der allen Wirrnissen trotz. So auch Manolo, der seine große Reise strategisch wie ein General und zugleich stümperisch wie ein Dilletant plant. Mal lernt er Englisch – und stolpert schon bei der Fünf –, mal lässt er sich vom Arzt untersuchen, ob er die Reise wirklich unternehmen könnte – nur, um dann doch alle Ratschläge zu ignorieren.
Als er dann tatsächlich mit Esel und Hund aufbricht, scheint Manolo vollends in die Rolle des Ritters von der traurigen Gestalt zu wechseln. Der Zuschauer, der die Mühen durch die Kamera des mitreisenden (aber nie in Erscheinung tretenden) Neffen betrachtet, ahnt schnell, dass die Reise einen anderen Verlauf als erträumt nehmen wird. Doch wie Manolo diese Hürden meistert, hat mindestens die Klasse eines Don Quijote, der ja im Namen dieses Filmes eine moderne Adaption gefunden hat. Als Erkenntnis dieses Filmes könnte man die Floskel bemühen, dass das Ziel der Weg ist. Viel wichtiger erscheint aber die Erkenntnis, dass wahre Freundschaft keine Grenzen kennt – oder zumindest keine, die man nicht nach stundenlangem Überlegen überwinden könnte.
Der Dokumentarfilm feierte auf dem International Film Festival Rotterdam 2017 Premiere und wurde auf zahlreichen weiteren Filmfestivals gezeigt, unter anderem auf dem Filmfest München. Auf dem Edinburgh International Film Festival 2017 wurde er als Gewinner in der Kategorie »Best Documentary« ausgezeichnet.