Beharrlichkeit in der Recherche und das oft über Jahre hinweg – das zeichnete die Schweizer Filmemacherin Heidi Specogna schon bei früheren Filmprojekten wie »Das Schiff des Torjägers« aus. In »Cahier africain« (noch bis zum 9. Dezember in der Mediathek von 3sat) beweist sie erneut, wie sie aus einem zunächst unscheinbaren Fund einen der wichtigsten Dokumentarfilme der letzten Jahre formen kann. Das Grauen zeigt sich hier auf den Linien eines Schulheftes.
Den Titel trägt der Film wegen eines Notizbuches. Auf seinen karierten Seiten sind die Schicksale von (zumeist) Frauen in Zentralafrika niedergeschrieben. Das Land wird seit Jahren von Krieg und damit einhergehenden Kriegsverbrechen an der zivilen Bevölkerung zerrüttet. Über dieses Thema hatte Heidi Specogna bereits den Film »Carte blanche« gemacht, in dem es um die Anklage gegen den kongolesischen Truppenführer Jean-Pierre Joseph Bemba vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ging. Im Rahmen dieser Recherchen wurde Specogna auch das unscheinbare Schulheft gewahr. In ihm schlummerte die Geschichte von »Cahier africain«. Die Idee: beispielhaft an einigen Frauen die an ihnen verübten Verbrechen zu dokumentieren.
Cahier africain (3sat Mediathek)
(Videos laut Sender abrufbar bis 9. Dezember 2017)
Zunächst beginnt der Film verhalten. Es ist eine Reise in die jüngere Vergangenheit, die dennoch hinter Angst, Trauma und Scham verborgen und versteckt ist. Minutenlang sehen wir nur Frauen, die in die Kamera blicken und dennoch etwas anderes zu sehen scheinen. Dann taucht erstmals das Schulheft auf, das mittlerweile zu einem Beweisstück in Den Haag geworden ist.
Ursprünglich hatte Heidi Specogna, die sieben Jahre in den Film investierte, geplant, einige Frauen in ihrem jetzigen Leben zu porträtieren. Zum Beispiel Amzine, eine junge muslimische Frau, die hat als Folge der Vergewaltigungen von 2002 ein Kind zur Welt brachte. Der Blick auf ihre heute zwölfjährige Tochter Fane erinnert sie täglich an ihr Trauma. Arlette, ein christliches Mädchen, litt jahrelang an einer nicht heilen wollenden Schussverletzung. Nach einer erfolgreichen OP in Berlin hegt sie Hoffnung auf ein schmerzfreies Leben.
Aber inmitten der Versuche der Dorfbewohner, den schwierigen Alltag mit Zuversicht zu meistern, und während in Den Haag noch die juristische Aufarbeitung der letzten Kriegsverbrechen in Gange ist, bricht in der Zentralafrikanischen Republik der nächste Krieg aus. Amzine, Fane und Arlette werden erneut in einen Strudel von Gewalt, Tod und Vertreibung gerissen. An ihrer Seite dokumentiert der Film den Zusammenbruch von Ordnung und Zivilisation in einem von Bürgerkrieg und Putsch zerrissenen Land.
»Cahier africain« ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden – darunter mit dem Deutschen Filmpreis.