Bei der Zoom-Diskussion der DOK Leipzig-Veranstaltung DOK Speaks Up „Corona – Wie Kunst die Jetztzeit erobert“, 30.10.2020, haben vier Künstler aus vier Ländern über die Folgen von Corona diskutiert. Sie waren sich darüber einig, dass der erste Lockdown viel kreative Energie freigesetzt hat und sie Zeit hatten, sich mit Themen intensiv zu beschäftigen. Krisensituationen seien oft inspirierend für Künstler*innen. Ebenso spiele das Private, die eigene Wohnung und die Nachbarschaft immer mehr eine wichtige Rolle. Dennoch folgen der Pandemie negative Konsequenzen, wie die Stärkung sozialer Ungleichheit und bestimmter Privilegien.
Vier Filme und „Corona“ im Mittelpunkt
„Bless you!“ (Tatyana Chistova)
Es gibt bereits zahlreiche Kurzfilme zu den Auswirkungen des Virus auf das tägliche Leben: In „Bless you!“ (bis 14.11. online) dokumentiert Tatyana Chistova Impressionen des Corona-Alltags in St. Petersburg. Die oft statischen Bilder werden unterlegt mit Anrufen bei der Hotline. Dabei wählt sie starke Motive wie einen Bauzaun, an denen die Todesanzeigen von Klinikpersonal geheftet sind. Am Anfang ist es ein Zaun Element, am Ende ist der ganze Zaun gefüllt mit solchen Meldungen. Die Schlusseinstellung zeigt Menschen auf der Straße, die trotz Corona den Tag des Sieges im Zweiten Weltkrieg feiern dürfen. Tatyana Chistova wies darauf hin, dass es in Russland die ‚offizielle‘ Realität gäbe und die Realität des Alltags. Auf diesen Unterschied aufmerksam zu machen, sei der Ansatz ihres Films „Bless You!“.
„Ilios“ (Mika Johnson/Marcel Karnapke)
Auch Videokünstler haben sich mit ihren Installationen mit der neuen Situation beschäftigt: „Zurück zur Natur“ ist das Motto von Mika Johnson und Marcel Karnapke, die für „Ilios“ Bäume in Bayern mit Lasern gescannt haben. Mit ihrer Installation kritisieren sie unseren Umgang mit der Natur. Der Klimawandel und das Ansteigen des Meeresspiegels seien, ebenso wie das Virus, eine Antwort der Natur auf die Ausbeutung durch uns Menschen.
„E 14“ (Peimann Zekavat) und „Smallest of Worlds – A social Landscape of Collected Privacy“ (Bettina Katja Lange)
Mit dem Privaten dahingegen setzten sich Bettina Katja Lange und ihre Kollegen in dem Projekt „Smallest of Worlds – A social Landscape of Collected Privacy“ auseinander. Sie verknüpfen darin Bilder von Wohnungen miteinander. Eine andere Perspektive wählte der Kameramann Peimann Zekavat für seinen Kurzfilm „E14“ (bis 11.11. online). Entsprechend der Devise von Premierminister Boris Johnson, bleibt er zu Hause und dreht zwei Wochen Corona-Zeit in London aus dem Fenster seiner Wohnung. Es ist spannend, wie gut er die beklemmende Atmosphäre einfängt, die durch einen britisch-süffisanten Kommentar verstärkt wird.
Diskussionsergebnisse „Kunst in Corona Zeiten“
Aus der Sicht der Gesellschaft seien die Leidtragenden der Krise insbesondere Ärzte und das Krankenhauspersonal sowie alte Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Zudem verstärke die Pandemie Klassenunterschiede. Auf der einen Seite stünden privilegierte Menschen, die sich das Home Office leisten können. Auf der anderen Seite gebe es die weniger Privilegierten, die draußen arbeiten und sich dem Risiko aussetzen müssen. Aus Perspektive der Filmschaffenden sei die Schwierigkeit, die ganzen Projekte der Kreativen umzusetzen und zu finanzieren, die während des Lockdowns entwickelt wurden. Es zeichne sich schon ab, dass der zweite Lockdown nicht mehr diese kreative Energie entfalte, da inzwischen viele frustriert seien.
Unterschiede in den Ländern
In Russland sei klar, dass man sich nicht auf Politiker verlassen könne und sie setzten eher auf Unterhaltung, um die Bevölkerung abzulenken. Kritische Produktionen haben es so schwieriger; wohl auch deshalb wurde ihr Film „Bless you!“ in Polen produziert. Mika Johnson („Ilios“) sah in Corona den positiven Aspekt, dass weniger gereist würde und sich die Gesellschaft an Online-Konferenzen und Virtual-Reality-Projekte gewöhne. Das könne dem Zustand der Erde helfen. Zudem teilen die Diskussionsteilnehmenden den Eindruck, dass die Kultur in der Corona-Krise bei der Politik keinen hohen Stellenwert habe. – Das zeigt sich aktuell in Deutschland mit den neuen Regelungen im November. Neben Kneipen müssen vor allem auch Kultureinrichtungen wie Kino, Theater oder Museen schließen, obwohl sie sich in den vergangenen Monaten keineswegs als Hotspots der Pandemie erwiesen haben. Dies macht es natürlich schwieriger, Filme und Installationen zu präsentieren.
Es wäre schön gewesen, wenn man bei der Diskussion auch ein paar Ausschnitte der Projekte hätte sehen können.
Die Diskussion des DOK Speaks Up der DOK Leipzig 2020 “Corona – Wie Kunst die Jetztzeit verändert” ist ab jetzt in der DOK Leipzig-Mediathek abrufbar.