Sehenswert: „Children“ von Ada Ushpiz beim DOK Leipzig

„Journalistisch sauber recherchiert, greifen Dokumentarfilme aktuelle Themen aus aller Welt auf und bringen sie den Menschen nahe“, bekräftigt Barbara Klepsch, Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus, in ihrem Grußwort bei der Eröffnung von DOK Leipzig. „Children“ von Ada Ushpiz untermauert ihre Aussage eindrucksvoll. Der Dokumentarfilm feierte seine Weltpremiere am 26. Oktober 2020.

Den Auftakt zum internationalen Leipziger Festival machte am Nachmittag aber zunächst Daria Slyusarenkos „Joy“. Auch diese Premiere ist im Rennen um eine Auszeichnung im Internationalen Wettbewerb langer Dokumentar- und Animationsfilm. Die Goldene Taube ist mit 10.000 Euro dotiert und wird vom MDR gestiftet. Die von 3sat gestiftete Silberne Taube bringt dem Gewinner/der Gewinnerin 6.000 Euro ein.

DOK Leipzig: „Joy“ von Daria Slyusarenko: Zirkus einmal anders

Clowns lachen immer. Die Zirkuswelt ist bonbonfarben und bunt. Kinderlachen ist der schönste Lohn für Artisten und Dompteure. Oder etwa nicht? „Joy“ von Daria Slyusarenko zeichnet ein völlig konträres Bild zu diesen Idealvorstellungen. Es ist ein ungeschöntes dokumentarisches Porträt eines russischen Wanderzirkus und der Menschen und Tiere, die ihn bevölkern. Wäre es ein Film von Aki Kaurismäki, hätte man die Charaktere im Skript sicher als herrlich skurril und überzeichnet empfunden. In diesem gut einstündigen Dokumentarfilm jedoch übertrifft das Leben die Fiktion – beziehungsweise unterbietet sie. Denn noch weiter weg von jeglichem zuckerwattigen Kitsch könnte diese Zirkustruppe kaum agieren.

Filmstill zu "Joy" © DOK Leipzig 2020
Filmstill zu “Joy” © DOK Leipzig 2020

Raue Umgangsformen untereinander und mit Tieren wie Bär, Luchs und Schlange, der starke Zuspruch zum Alkohol und der generell morbide „Charme“ des Lebens- und Arbeitsumfelds der reisenden Truppe sorgte in der sich an die Premiere anschließenden Gesprächsrunde für interessierte bis verwunderte Rückfragen. So wollte das Publikum vor Ort und digital unter anderem von der Filmemacherin Daria Slyusarenko wissen, ob die Männer in Russland wirklich „so“ seien (sie lacht) und wann denn endgültig der Zeitpunkt gekommen gewesen sei, einen Schlusspunkt unter die Dreharbeiten zu ziehen (nach einer lautstarken, auch körperlichen Auseinandersetzung unter den Zirkusleuten).

„Joy“ von Daria Slyusarenko im Kino und online schauen

DOK Leipzig: „Children“ von Ada Ushpiz über Kinder in Palästina

Am Abend schloss sich der gleichwohl berührende wie erschütternde Dokumentarfilm „Children“ als weitere Weltpremiere an. „Warum beteiligen sich palästinensische Minderjährige an der Intifada gegen Israel?“, fragt Ada Ushpiz, die Kinder und ihre Familien in Palästina begleitet hat. Gezeigt wird unter anderem die zwölfjährige Dima, die – kaum aus dem israelischen Gefängnis entlassen – vor die Fernsehkameras gezerrt wird und gegen ihren Willen als Heldin herhalten muss.

„Hast du schockierende Dinge gesehen?“ „Was ist passiert, als du verhaftet wurdest?“ „Du wurdest doch bestimmt gefoltert, oder?“ Frage um Frage prasselt auf das völlig verschüchterte Mädchen ein, das sich in die Arme seiner Mutter flüchtet, aber von dieser direkt wieder der Meute zum Fraß vorgeworfen wird. Termine wie ein Fotocall im Rathaus, Fernseh-Interviews oder der öffentlichkeitswirksam inszenierte Besuch einer Familie, die ihren Sohn gerade als „Märtyrer“ verloren hat, schließen sich in den folgenden Monaten an „Ich will doch nur ein gewöhnliches Mädchen sein“, erklärt Dima an einer Stelle im Film, doch auch der Rückzug in sich selbst und die Weigerung ständig brav Antworten zu geben, hilft ihr nicht weiter. Als Reaktion gibt sie die Mutter als „etwas debil“ und durch die israelische Haft geschädigt aus, was sich ebenfalls gut verkaufen lässt.

Logo DOK Leipzig 2020 © DOK LeipzigDer Dokumentarfilm „Children“ von Ada Ushpiz dürfte im Internationalen Wettbewerb gute Chancen haben. Abgesehen vom teils etwas überemotionalisierten Musikeinsatz (dieser wäre angesichts der starken Bilder gar nicht nötig), überzeugt die Produktion handwerklich wie inhaltlich.

„Children“ von Ada Ushpiz im Kino und online schauen

Ada Ushpiz zu den Hintergründen

„Dieser Film ist einer meiner wichtigsten“, erläutert die Israelin Ada Ushpiz. „Er zeigt zum ersten Mal die Kinder hinter den anonymen Bildern […]. Ich hoffe, dass mein Film mit Stereotypen bricht und zeigt, dass Kinder einfach nur Kinder sind. Sie sind Opfer eines Schicksals, das sie sich nicht selbst ausgesucht haben.“

„Es scheint, als hätte die Zeit stillgestanden“, betont Ada Ushpiz. Bereits 2001 gewann sie für „Eingeschlossen“ gemeinsam mit ihrer Regie-Partnerin Anat Even die Goldene Taube auf dem Internationalen Film Festival Leipzig. Der Dokumentarfilm porträtiert drei Witwen, die mit ihren Kindern in einem mehrstöckigen Gebäude auf dem Grenzstreifen in Hebron/Westjordanland leben.

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Elisa Reznicek war für die die Online-Redaktion und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Hauses zuständig.
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