Szene aus »Faschingskinder« © rbb / Gunther Scholz

»Faschingskinder«

Noch zu DEFA-Zeiten in der DDR filmte Gunther Scholz eine Gruppe von Kindergartenkindern, die er nun, drei Jahrzehnte später, wieder besucht. Was aus ihnen geworden ist? Das ist nicht die einzige Frage. Sondern: Ob sie es geschafft haben. Denn die »Faschingskinder« waren von Geburt an körperlich behindert. Was das heißt, zeigt dieser beeindruckende Dokumentarfilm, den der noch bis zum 18. Februar 2018 in der rbb-Mediathek zu sehen ist.

Am Anfang dieser Geschichte steht ein kleines Mädchen. Sie sagt zum Mann, der die Kamera hält: »Ich bin ein Clown.« Dann lacht sie und läuft davon. Sie ist umgeben von vielen anderen lachenden Kinder. Alle verkleidet, alle ausgelassen. Die Szene hat Gunther Scholz im Jahre 1981 für einen Dokumentarfilm der DEFA festgehalten. Sein sieben Minuten kurzer Film trug den Titel »An einem Februarvormittag«, der ebenso wie der lustige Einstieg erahnen ließ, dass hier eine ganz andere Geschichte erzählt werden würde. Diese handelte nämlich von Kindern, die körperlich behindert sind. Die Faschingsfeier von damals fand in der Ost-Berliner Schule für Körperbehinderte statt. Und die tobenden, lustigen Kleinen sollten ein zunächst ganz anderes Bild vermitteln als das, was die Zuschauer in ihren Köpfen hatten.

Mehr als drei Jahrzehnte später kehrt der Filmemacher zurück zu seinen Protagonisten von damals, aber sein Stilmittel ändert er nicht. Acht von den heute Erwachsenen werden in seinem Dokumentarfilm »Faschingskinder« porträtiert. Und auch diesmal ist der Einstieg eher eine kleine Scharade: Einen Waldweg entlang »rasen« Behinderte in ihren »behindertengerechten Fahrzeugen«. Das sieht sportlich aus und man könnte glauben, das Gleiten und Rollen auf dem unebenen Boden sei gänzlich ohne Anstrengungen zu leisten. So ganz genau kann man auch nicht sagen, ob sie wirklich eine Behinderung haben.

Filmemacher Scholz arbeitet offensichtlich gerne mit den Gegensätzen, mit den Erwartungen und eigenen Erfahrungen, die wir Zuschauer haben, wenn wir hören, das dies ein Film über körperbehinderte Menschen sein wird. Kann man da als kleiner Clown Spaß haben, kann man da eine Arbeit in Vollzeit haben, kann man da Basketball spielen und das auf Topniveau? Solche Widersprüche sollen Denkmauern erschüttern.

 
Szene aus »Faschingskinder« © rbb / Gunther Scholz
Szene aus »Faschingskinder« © rbb / Gunther Scholz

 

Faschingskinder (rbb-Mediathek)

(Video laut Sender abrufbar bis 18. Februar 2018)

Natürlich geht auch Vieles nicht, wenn man einen von Geburt an anderen und limitierten Körperbau hat. Man kann dann vielleicht nicht richtig gehen und stehen und sich auch eventuell nicht selbst versorgen. Was das heißt, zeigte der kleine DEFA-Film von damals nicht. »Faschingskinder« zeigt es heute – unaufgeregt und nicht vor Mitleid triefend, sondern mit dokumentarischer Distanziertheit und doch auch menschlicher Nähe.

Letztlich geht es um Sehnsüchten und Wünsch, und Hoffnungen und Ängsten. Und um den Mut, sich auch gegen ärgste Widerstände durchzusetzen. Der kleine Clown aus dem Jahr 1981 lernt nach einer Hüftoperation Laufen. Es ist noch ein weiter Weg, bis das ganz ohne Hilfe gelingen wird. Aber der Clown kann es kaum erwarten, auch diesen Pfad zu beschreiben. Dann lacht er.

Faschingskinder
Dokumentarfilm, D 2014, 85 Minuten
Regie: Gunther Scholz
Produktion: rbb
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Picture of Thomas Schneider
„Ich liebe Print, ich liebe Online, ich liebe es, das Beste zwischen beiden Welten zu vereinen“, sagte Thomas Schneider über seine Arbeit. Ab 2009 war er für das HDF im Bereich Redaktion sowie PR/Marketing tätig. 2019 verstarb Schneider überraschend und viel zu früh.
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