Mit Elmar Hügler ist der letzte Vertreter der „Stuttgarter Schule“ gestorben. Mit ihren Filmen für die Reihe „Zeichen der Zeit“ (SDR) war sie für den kritischen Fernsehjournalismus der jungen Bundesrepublik stilbildend.
Filmreihe im Stil des ‚Direct Cinema‘
Hügler ist vor allem bekannt für seine Reihe „Notizen vom Nachbarn“, die den neuen Stil des ‚Direct Cinema‘ konsequent umsetzte. Es ging um den Alltag in der bundesdeutschen Gesellschaft und zentrale Momente im Familienleben: „Eine Einberufung“ (1970), „Ein Tanzkurs“ (1969), „Eine Hochzeit“ (1969), „Eine Geburt“ (1969), „Eine Trennung“ (1971). „Wegnahme eines Kindes“ (1971).
Die Reihe ist als teilnehmende Beobachtung konzipiert, nur mit Bildern und O-Tönen. Sie verzichtet auf Kommentar und Musik, fügt höchstens Zwischentafeln mit den wichtigsten Informationen ein – eine Reminiszenz an Stummfilm-Zeiten. Hüglers Ziel war es, filmisch an Themen heranzugehen, wie er selbst schrieb: „Was mich reizte, war, die Herkunft der Gattung ‚Fernsehdokumentation‘, ihre Zugehörigkeit zum ‚Film‘ nicht länger zu verleugnen, die blutleeren, didaktischen Produkte der Nachfahren von 1968 mit einer nachweisbar ‚filmischen‘ Dokumentation zu kontrastieren.“
Großes Interesse an Kunst und Kultur
Elmar Hügler wurde 1933 in Laupheim geboren und studierte Germanistik, Anglistik, Theaterwissenschaft und Philosophie in Tübingen und München. Zunächst Gymnasiallehrer in Ravensburg, arbeitete er zunächst freiberuflich als Publizist. 1962 wurde er ständiger Mitarbeiter beim damaligen SDR und übernahm Redakteursaufgaben in der neugegründeten Dokumentarabteilung. Ein wiederkehrendes Thema bei ihm war Kunst und Kultur. In „Kunst und Ketchup“ (1966) porträtierte er die aufkommende Pop-Art mit ihren Happenings. Er war sich damals jedoch keineswegs sicher, ob es sich bei den Werken von Joseph Beuys, Wolf Vostell, Charlotte Moorman oder Nam June Paik wirklich um Kunst oder nur eine Modeerscheinung handele. Trotzdem versuchte er sie mit einer modernen Form zu würdigen und schuf ein einmaliges Dokument der Frühzeit dieser Kunstrichtung.
Im Januar 1974 wechselte er zusammen mit seinem Mentor Dieter Ertel zu Radio Bremen und wurde dort Abteilungsleiter für Kultur und Gesellschaft. „Stur wie ein Panzer steuert er dort seinen ‚Gegenkurs zum Aktualitätshorror‘“, wie Christiane Grefe 1989 in einem Porträt für die Süddeutsche schrieb. Mit Gordian Troellers Reportagen aus Ländern des Südens, die Reihen „Filmproben“ und „Unter deutschen Dächern“ ließ er weiterhin den Alltag in Westdeutschland in den Fokus nehmen. Er blieb auf dieser Position bis zu seiner Pensionierung 1999.
Kritik am öffentlich-rechtlichen Fernsehen
Seit 1974 war er Dozent an der Hochschule für Fernsehen und Film in München und setzte sich immer wieder theoretisch mit dem Genre auseinander. In seinem Artikel „Etiketten-Schwindel“ in der Fachzeitschrift ‚medium‘ kritisierte er 1990 ganz direkt das öffentlich-rechtliche Fernsehen: „Und die Demontage der Wirklichkeit im Fernsehen geht zügig weiter. Um das Programm dem Zeitgeschmack stromlinienförmig anzupassen, ist den Verantwortlichen nichts zu billig. Was sperrig ist, wird weichgespült – und zwar so lange, bis es den vom Konsumenten gewünschten Schmusegrad erreicht hat.“ 1994 veröffentlichte er sein Buch „Anstiftung zur Vorspiegelung falscher Tatsachen“, bei dem er sich ebenfalls kritisch mit dem Medium Fernsehen auseinandersetzte, das “uns rund um die Uhr mit Realitätspartikeln“ überflutet. Es ging ihm zentral um das Verhältnis von Film und Wirklichkeit.
Nun ist eine weitere kritische Stimme für immer verstummt.