100 Jahre (fast) ohne Pleiten, Pech und Pannen: An einer Stelle wird die Bavaria die »europäische Filiale von Hollywood« genannt und das hört man in München, wo es die Bavaria-Filmstudios unter verschiedenen Dachgesellschaften nun zum hundertsten Geburtstag geschafft haben, natürlich gerne. In der auf Tempo geschnittenen Dokumentation »Wo Träume wahr werden – 100 Jahre Bavaria Film« (bis 7. Februar 2019 in der BR-Mediathek) geht es im Sauseschritt durch deutsche/bayerische Filmgeschichte. Die findet fast Flop-frei statt. Nur wenn es um »den Film« geht, gelangt da ein bisschen Essig in den Geburtstagssekt.
Iris Berben ist nicht nur eine gute Schauspielerin, sondern auch ein rücksichtsvoller Gesprächsgast. Obwohl sie in Katarina Schickings Doku zum Bavaria-Jubiläum erst einmal schildern muss, wie sie beim Welterfolg »Cabaret« dann doch nicht genommen wurde, meistert sie auch die nächste Aufgabe mit Würde: der Blick in die Zukunft. Dazwischen darf sie noch in einem alten Film-Ausschnitt ihrer damaligen Kollegin Ingrid Steeger einen Telefonhörer – plopp! – aus dem Dekolleté ziehen. Derlei Klimbim ist natürlich keine Qualitätsgarantie, aber die Berben ist sich sicher: ihn (»den Film«) wird es immer geben. Prösterchen!
Glück gehabt, kann man da nur sagen. Denn hätte Regisseur Dominik Graf, der einige der besten und dreckigsten deutschen Filme in den Bavaria-Studios gedreht hat, mehr sagen dürfen als die paar Sätze, wer weiß, was Graf da noch alles eingefallen wäre. In seiner traumhaft garstigen Doppel-Doku »Offene Wunde Deutscher Film« und »Verfluchte Liebe Deutscher Film« hat Graf jedenfalls früher schon einmal illustriert, wie tot der deutsche Film in Wirklichkeit ist. Am Zustand der schönen Leich’ muss die möglicherweise wichtigste deutsche Filmfabrik auch ihren Anteil gehabt haben. Da hätte man, Prösterchen!, ruhig auch mal reinen Wein einschenken dürfen.
»Wo Träume wahr werden – 100 Jahre Bavaria Film« (BR-Mediathek)
Video laut Sender abrufbar bis 7. Februar 2019
Aber jetzt lassen wir solche Gedanken mal außen vor. Das hat sich ja möglicherweise auch Katharina Schicking gedacht, die mit dem großen Rechen durch 100 Jahre Bavaria-Filmgeschichte gehen musste. Immerhin erzählt sie da, wie oft die Jubilarin schon verschieden war und nur mit Transplantationen wiederbelebt werden konnte. 1932 zum Beispiel, als die 1919 gegründete »Emelka« am Ende war. Als Bavaria Film AG ging es stramm und seicht zugleich weiter. Doch trotz Anbiederung mit »SA Mann Brand« und Hans-Alber’scher Verdrängungsromantik war 1938 schon wieder Schluss. Auch da ging es irgendwie weiter, obwohl Goebbels, lernt man, die Filmmädels bei der Ufa besser fand.
Auch nach 1945 ist die Geschichte der Bavaria bewegt. Große Projekte wie »Eins, zwei, drei« von Billy Wilder, der Welterfolg »Cabaret« und »Die unendliche Geschichte« natürlich Wolfgang Petersens »Das Boot« lassen die Verantwortlichen von der Traumfabrik an der Isar träumen. Aber jene Projekte, die Arbeitsplätze sichern und nicht nur Oscars einbringen, sind alle ein bisschen kleiner, ebenso wie die Träume, die bei der neuen Bavaria wahr werden. Das Fernsehen wird Ende der fünfziger Jahre zum Helfer aus einer weiteren Krise – und ist bis heute der Motor, der die Bavaria am Laufen hält. Es ist ein gut gehender Motor. Aber ob er mit Diesel läuft oder erst noch auf eine zukunftssichere Technologie umgestellt werden muss, erfährt man nicht.
Viele Namen, Stars und Filmausschnitte vereint Katharina Schicking in ihrer schnellen Bavaria-Revue. Man hätte es sich doppelt so lange gewünscht. Von 180 Minuten, die sich Dominik Graf für seinen Totengesang einst nahm, sind wir weit entfernt. Merke: Manche Träume müssen in 45 formatierte Minuten passen. Und das ist nicht die Wahrheit, sondern leider die Realität. Ist eigentlich noch Sekt da?