Filmstill aus "Volksvertreter"

„Volksvertreter“: Kinostart am 26. Mai 2022

Die inzwischen als rechtsextrem eingestufte Partei Alternative für Deutschland (AfD) zog 2017 in den Deutschen Bundestag ein. Der Dokumentarfilmer Andreas Wilcke begleitet in „Volksvertreter“ vier ihrer Abgeordneten in der ersten Legislaturperiode.

Beobachtender Dokfilm

Es ist spannend zu sehen, wie nah Andreas Wilcke in seiner Langzeitbeobachtung über drei Jahre den AfD-Funktionären gekommen ist. Er verzichtet ganz auf einen Kommentar und seine Kamera beobachtet die Entwicklung und zunehmende Radikalisierung der neuen Partei. Der Film lief beim IDFA-Festival in Amsterdam und CPH:DOX in Kopenhagen und hatte gerade seine Deutschlandpremiere beim DOK.fest München. Dessen Leiter Daniel Sponsel kommentiert: „’Volksvertreter’ zeigt rein beobachtend und unkommentiert die Strukturen und den Habitus AfD’scher Parteipolitik – und überlässt uns als Publikum die Einordnung und Haltung zu ihrer Politik.“

Stills aus Volksverteter © wilckefilms

Stimme des Volkes?

Die Bundestagsabgeordneten der AfD inszenieren sich als „verfolgte“ Minderheit und sind davon überzeugt, dass sie mit ihren Positionen eigentlich die Mehrheit des Volkes vertreten. Im englischen Titel „The Voice of the People“ kommt dieser Anspruch noch deutlicher zum Ausdruck. Dass sie dabei durchaus taktisch geschickt handeln und sich sehr bewusst sind, wie man sich medial am besten verkauft, wird sehr deutlich. Reden werden eingeübt und Meldungen für die Sozialen Medien ausführlich diskutiert und optimiert.

Trotz dieses schönen Scheins der Normalität haben sie ein Problem mit der Abgrenzung zum rechtsradikalen Flügel, der in dieser Zeit deutlich an Einfluss in der Partei gewinnt. Nach ernüchternden Wahlergebnissen bei der Bundestagswahl 2021 und heftigen Machtkämpfen gab Anfang dieses Jahres der gemäßigtere Ko-Parteivorsitzender Jörg Meuthen auf und verließ die AfD. So stärkte er den rechtsextremen Flügel der Partei. Wilcke begleitet seine Protagonisten auch auf Besuchen in ihren Wahlkreisen und auf Kundgebungen, wo sie sich für die Probleme und Sorgen ihrer Wähler:innen interessieren. Auf einem Seminar werden Kommunalpolitiker auf Fundamentalopposition eingeschworen.

Provokative Vermarktung der Flüchtlingskrise

Auf der Berlinale lief „Eine deutsche Partei“ von Simon Brückner, ebenfalls eine Langzeitbeobachtung der AfD, die auf einen Kommentar verzichtet und darauf setzt, dass sich die rechten Politiker selbst entlarven. Beide Filme dokumentieren den Besuch ihrer Protagonisten in einem Flüchtlingslager und zeigen, wie die Flüchtlinge für die eigenen Ziele instrumentalisiert werden. Wilcke dokumentiert in „Volksvertreter“ den Besuch eines Flüchtlingslagers in Griechenland. Dort lassen sich die AfD-Politiker ihre Vorurteile bestätigen, dass die Flüchtlinge alle nach Deutschland wollen. Eine Empathie über die schrecklichen Bedingungen in den Lagern oder ein wirkliches Interesse an den Flüchtlingen und ihren Schicksalen bleibt aus. Sie werden einfach für ihre Zwecke und provokative Filmchen fürs Internet missbraucht. Solche Momente entlarven die populistische Strategie der AfD zur Polarisierung der Gesellschaft. Andreas Wilcke gelingt insgesamt ein spannender Blick auf das Innenleben der AfD.

Dokumentarfilme mit Haltung

Seit 2009 ist Andreas Wilcke als politischer Dokumentarfilmer aktiv. 2016 veröffentlichte er „Die Stadt als Beute“ über Immobilienspekulation und die Gentrifizierung ganzer Stadtviertel in Berlin. Mit dem Film war er Gast bei der HDF-Filmreihe DOK Premiere im Caligari Kino in Ludwigsburg. In „Macht das alles einen Sinn? – Und wenn ja – warum dauert es so lange?“ (2019) porträtierte er die Volksbühne in Berlin.

Weitere Infos zu „Volskvertreter“ gibt es auf der Website zum Film.

image_pdfAls PDF speichernimage_printDrucken
Picture of Kay Hoffmann
Dr. Kay Hoffmann war langjähriger Studienleiter Wissenschaft im HDF und Gesamtkoordinator des DFG-Projekts „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“. Zusätzlich war er bis Mai 2024 Kurator der DOK Premieren in Ludwigsburg.
Facebook
Twitter