Kinostarts 31.10.24

Kinostarts im Oktober: 31.10.

Am 31. Oktober laufen sechs Dokumentarfilme im Kino an:  RIEFENSTAHL, HEAVEN STOOD STILL, DANN GEHSTE EBEN NACH PARCHIM,  DIE RÜCKKEHR DES FILMVORFÜHRERS, WIR WERDEN ALLE STERBEN und MISTY – THE ERROLL GARNER STORY. 

Regie: Andres Veiel

Kinostart: 31.10.24

Credits: „Riefenstahl“. Dokumentarfilm von Andres Veiel. Drehbuch: Andres Veiel. Kamera: Toby Cornish. Schnitt: Stephan Krumbiegel, Olaf Voigtländer und Alfredo Castro. Eine Produktion von Vincent Productions in Koproduktion mit WDR, SWR, NDR, BR und RBB. Im Verleih bei Majestic Filmverleih.

Regie: Regie: Larry Locke

Kinostart: 31.10.24

Da steht ein Mann auf der Bühne, von Zigarettenrauch umnebelt, schlank, schulterlanges Haar, das Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. lächelt dreist und verschämt zugleich, lässt einen im Schneidezahn eingefassten Diamanten blitzen. Angeberpose aus schüchterner Verlegenheit. Singt. Die Stimme ist rau, ungehobelt und doch sinnlich. Das Timbre mäandert zwischen der Melancholie einer Edith Piaf, dem Schmelz eines Frank Sinatra und der schroffen Wut eines Jimi Hendrix. „Hey Joe!“ Wie aus der Zeit gefallen. Sein Künstlername: Willy DeVille. Seine Band nennt er Mink DeVille. Mink – das heißt Nerz. Also wild, bissig und von seidenem Pelz. Die Songs sind Rhythm and Blues, Cajun, Latin in weitestem Sinn. Mehr John Lee Hooker, nicht die Beatles, schon gar nicht Madonna oder Michael Jackson. Willy DeVille war ein muskalischer Einzelgänger, ein Original, unangepasst, aufmüpfig, eigen. Er stammte aus der New Yorker Punkszene und war in seinem ganzen Auftritt wie ein Fremdkörper, weniger Raufbold oder Mistkerl, eher wie ein „southern gentleman“. Er füllte das Pariser „Olympia“ und spielte vor wenigen Leuten in irgendeiner dunklen New Yorker Kneipe. Der Ruhm kam schnell. Und verblasste schneller. Larry Locke montiert Aussagen von Freunden und Weggefährten, die den Musiker skizzieren, schneidet Szenen von Auftritten ein, verdichtet alles zu einem Künstlerporträt in leuchtendem Halbschatten: „One celestial rhapsody / And heaven stood still“.

Credits: „Heaven Stood Still: The Incarnations of Willy DeVille“. Dokumentarfilm von Larry Locke. Drehbuch: Larry Locke. Kamera: Benjamin Wolf. Schnitt: Randi Barros. Produziert von Allison Brandin, Crispin Cioe und Diethard Küster. Im Verleih bei Arsenal Filmverleih.

Regie: Dieter Schumann

Kinostart: 31.10.24

Parchim – mecklenburgische Kleinstadt, südöstlich von Schwerin. Der Name, so eine Version, sei aus dem Slawischen abgeleitet, Anspielung auf den Sonnengott Parchom. Nach anderem Verständnis sei die Gemeinde nichts anderes als eine „Pütt“, noch heute gebräuchlich, plattdeutsches Wort für eine Pfütze. Das setzt den Alltag. Immerhin, es gab und gibt das Mecklenburgische Landestheater, 1945 gegründet, rühriges Mehrspartentheater über viele Jahre, heute kleinfusioniert mit dem Schweriner Staatstheater – „Junges Staatstheater Parchim“ – Sparte Kinder- und Jugendtheater. „Das Leben ist voller Fragen, Idioten sind voller Antworten“. So steht’s auf einem Banner an der Theaterfassade. Sokrates. Der Mann muss es wissen, immer unter dem Menschen, immer an den Menschen, Bürger der Polis. Gesa und Arikia verschlägt es von der Schauspielschule in Hamburg in die Theaterprovinz Mecklenburgs. Sie kommen von da, der lockenden Metropole, wo die Parchimer Jugend hinwill. Sie finden da Arbeit, der nicht verlockenden Provinz, wo die Parchimer Jugendlichen keine finden. Dieter Schumann hat die beiden Frauen über zwei Jahre, den Jahren der blockierenden Pandemie, begleitet. Leidenschaftlich dem Schauspielen ergeben, doch noch voller Selbstzweifel, Angst auch. Wohin führt der Weg? Vor dem Theater verteilt die NPD Flugblätter. Das ist kein Theater. Auf der Bühne laufen die Proben zu Sophokles‘ „Antigone“. Da herrscht Krieg, nicht der fauler Parolen. Verhandelt wird der Widerspruch zwischen Gesetz und Moral. Schumann formt zugeneigt zwei Porträts, bettet sie ein in zwei Wirklichkeiten, die sich überlagern. Denn, um Sokrates zu zitieren: „Wahre Weisheit erlangt jeder von uns, wenn wir erkennen, wie wenig wir über das Leben, uns selbst und die Welt um uns herum verstehen.“

Credits: „Dann gehste eben nach Parchim“. Dokumentarfilm von Dieter Schumann. Drehbuch: Dieter Schumann. Kamera: Rainer M. Schulz und Michael Kockot. Schnitt: Philipp Schindler. Eine Produktion von Basthorster Filmmanufaktur.  Im Verleih bei Real Fiction Filmverleih.

Regie: Orkhan Agahzadeh

Kinostart: 31.10.24

Dem Summen des Projektors lauschen. Den flimmernden Bildern auf der Leinwand erliegen. Aserbeidschan, Land im Umbruch. Ein alter Mann, in Trauer um seinen verstorbenen Sohn, möchte in seinem Dorf wieder Filme vorführen. Wie vor langer Zeit. In einem Jüngeren findet er einen Gefährten. Sie träumen den gleichen Traum. Doch es fehlt eine Glühbirne für den Projektor. Der stammt noch aus sowjetischer Zeit. Bringt das Internet Hilfe, das der Jüngere der beiden Kinoträumer zu Rate ziehen will? Eine rührende Reise in ein vergessenes und verlorenes Kinodunkel, in dem das Licht eines Tages doch brennt und lebendige Schatten auf die selbst genähte Leinwand wirft. Der Filmemacher findet suggestive Bilder, die zuweilen wirken, als verschwinde das Dokumentarische in einem gewollten Arrangement. Zu schön, um wahr zu sein.

Credits: „Die Rückkehr des Filmvorführers“. Dokumentarfilm von Orkhan Aghazadeh. Drehbuch: Orkhan Aghazadeh. Kamera: Daniel Guliyev.
Schnitt: Nicole Schmeier. Eine Produktion von Lichtblick Film- und Fernsehproduktion und KIDAM in Koproduktion mit ZDF und in Zusammenarbeit mit Arte. Im Verleih bei déjà-vu film.

Regie: Benjamin Knight

Kinostart: 31.10.24

Innerlich ausgelöscht. Der Journalist Ben – der Filmemacher selbst – fühlt sich verloren. Inmitten all der Krisen, Zerstörungen, Gewalttaten. Von Berlin reist er nach London, weicht nach Kansas aus, fliegt nach Norwegen und schließlich „ins Zentrum allen Verlusts“, dem Chicxulub-Krater auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán, entstanden vor 65 Millionen Jahren bei einem Meteoriteneinschlag. Auf seiner Reise begegnet er Menschen, die sich auf den Weltuntergang vorbereiten. Eine ‚Collapse Community‘. Sogenannte Prepper, Doomer oder solche, die sich einbunkern. Verschwörungsideologien, Untergangsphantasmagorien, das Grauen einer selbstverordneten Hoffnungslosigkeit. Surreal. Knight beobachtet dies aus einer freundlichen Distanz. Er reagiert auf die abstrusen, ja albernen Strategien, dem ultimativen Einschlag entkommen zu wollen, mit humorvoller Tücke und stiller Verzweiflung. Gibt es aus diesen surrealen Kratern der Apokalyptiker einen Weg zurück? Sicher ist jedenfalls: Wir werden alle sterben.

Credits: „Wir werden alle sterben!“. Dokumentarfilm von Ben Knight. Drehbuch: Ben Knight. Kamera: Amit Edelman, Ingo J. Biermann und Veronika Nad. Schnitt: Ralf Stadler. Eine Produktion von Knight Errant Films. Im Verleih bei Drop-Out Cinema.

Regie: Georges Cachot

Kinostart: 31.10.24

‘Misty’ – ein Jazzstandard des Jazzmusikers Errol Garner, 1954 komponiert, eigentlich ein Instrumental, der Text wurde nachträglich von Johnny Burke hinzugefügt. Garners Sound war beliebt, er war im US-TV präsent, man rechnete ihn zum Mainstream. Doch waren seine Kompositionen hintergründig, reich an Klangfarben und rhytmisch raffiniert. Der Film porträtiert den Künstler, dessen Managerin dafür sorgte, dass bei seinen Konzerten keine Segregaton zugelassen wurde. Seine Tochter spricht über den Vater, Musiker:innen über den Komponisten und Pianisten. Ein Lebenssound – auch geprägt von den Widersprüchen der amerikanischen Gesellschaft zwischen den 1950er- und 70er Jahren, der willkürlichen Rassentrennung, der Ausgrenzung der schwarzen Bevölkerung.

Credits: „Misty – The Erroll Garner Story“. Dokumentarfilm von Georges Gachot. Drehbuch: Gachot und Paolo Poloni. Kamera: Filip Zumbrunn. Eine Produktion von Gachot Films in Koproduktion mit 2 Pilots Filmproduction. Im Verleih bei Real Fiction Filmverleih.

Einen Beitrag zu den weiteren Dokus, die im Oktober im Kino angelaufen sind, finden Sie hier. Darunter sind Beispielsweise ARCHITECTON, ELEMENT OF CRIME. WENN ES DUNKEL UND KALT WIRD IN BERLIN oder DAHOMEY.

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Picture of Wolfgang Jacobsen
Wolfgang Jacobsen, geboren 1953 in Lübeck, bis 2019 Leiter Forschung und Publikationen an der Deutschen Kinemathek. Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher zur deutschen und internationalen Filmgeschichte. Arbeiten für Hörfunk und Fernsehen, schreibt über Film und Literatur. Lebt als freier Autor in Berlin.
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