Bild einer Großstadt von oben

»Myanmarket«

Achtung, hier kommt der Kommerz – und er bringt zunächst eine schlechte Nachricht für die Hersteller von Blubberbrause: In Myanmar, vormals Burma, »mag niemand Coca-Cola«. Diese Erkenntnis entnehmen wir Eva Knopfs Dokumentarfilm »Myanmarket«, den der SWR als letzten Beitrag der Reihe Junger Dokumentarfilm zeigte. Der Film zeigt, was geschieht, wenn der »freie Markt« auf ein lange abgeschottetes Land losgelassen wird.

SWR, 23:30 Uhr: Myanmarket

Das kleine asiatische Land Myanmar rückt in den letzten Wochen zunehmend in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Um die muslimische Minderheit, die Royhingya, sind blutige Kämpfe ausgebrochen – es wird von gezielten Vertreibungen und Ermordungen berichtet. Doch das ist nicht das Thema von Eva Knopfs Dokumentarfilm »Myanmarket«, der vor den Unruhen entstanden ist. »Myanmarket« zeigt das Land aus einem anderen Blickwinkel: an der Schwelle zur Konsumgesellschaft. Was bewirken der Kapitalismus und die Globalisierung in einem Land, das viele Jahrzehnte unter der Käseglocke einer Militärdiktatur vor sich hin gammelte?


Myanmarket (SWR Mediathek)

(Video laut Sender abrufbar bis 31. Oktober 2017)

Das Team lässt sich in den wilden Trubel eines Landes zwischen alten Traditionen und neuen, kapitalistischen Werten ziehen und pickt aus dem Strom der Bilder und Worte einige sehr interessante Protagonisten heraus. Zum Beispiel die junge Frau, die sagt, sie finde die Werbung, die es jetzt überall für die neuen Waren gibt, toll. »Von der Werbung lerne ich«, sagt sie allen Ernstes.

Ein so unverfälschtes, offenes Zugehen auf die Lockungen des Kommerzes hat man hierzulande wohl 1989 zuletzt erlebt, als die DDR-Bürger ihr bankrottes Land gegen Nutella, Bananen und das Versprechen auf blühende Landschaften in die Mülltonne der Geschichte warfen.

So weit ist es in Myanmar nicht gekommen. Noch nicht. Das Land hat fünf Jahrzehnte einer strengen Militärdiktatur hinter sich – aber auch seit 2011 eine völlig überraschende Öffnung hin zum Westen. Oder müsste man besser sagen: hin zum globalen Markt. Und so sind nun als Vorboten kommender Verheißungen die Marktforscher und Werbefachleute nach Myanmar gekommen. Sie wollen alles über die unbekannten Wesen wissen, die bis dahin noch auf keinem Businessplan auftauchten.

Eva Knopf, die sich auf ein tolles Team verlassen kann (vor allem die Kamera von Stefan Sick ist großartig), findet eine Geschichte, die zwischen Moderne und Tradition pendelt. Dort die Lockungen eines tollen Waschmittels; da die Einwohner eines Dorfes, die gar keine Waschmaschine haben, geschweige denn einen Herd. Hier die junge Frau, die alles, was kommen mag, mit dem Optimismus der Jugend inhaliert; dort ihre Mutter, die ihre persönliche Rolle nicht mehr tragen kann und buddhistische Nonne wird.

So ist dieser Film im besten Sinne eine hoch spannende Entdeckungsreise in ein unentdecktes Land mit unbekannten Möglichkeiten. Ein Film, der hinschaut und zuhört, der Wege findet, im Chaos eines Aufbruchs auch die Ruhe zu bewahren. Alles richtig gemacht!

Myanmarket
Dokumentarfilm, D 2017, 75 Minuten
Produktion: AMA Film / Südwestrundfunk / Filmakademie Baden-Württemberg
Regie: Eva Knopf
Kamera: Stefan Sick
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Picture of Thomas Schneider
„Ich liebe Print, ich liebe Online, ich liebe es, das Beste zwischen beiden Welten zu vereinen“, sagte Thomas Schneider über seine Arbeit. Ab 2009 war er für das HDF im Bereich Redaktion sowie PR/Marketing tätig. 2019 verstarb Schneider überraschend und viel zu früh.
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