Etwas auszusprechen, hilft, es zu begreifen. So ist es im Privaten, vor Gericht und auch im Film. Marc Bauders grandioser Dokumentarfilm »Der Banker – Master of the Universe« lebt ganz davon, dass es dem Regisseur gelang, einen hochrangigen Investment-Manager zum Sprechen zu bringen. Bis zum 23. November 2017 in der SWR-Mediathek zu sehen.
Aus einem ausgedienten Bankgebäude heraus mit Blick auf die Frankfurter Finanzwelt erzählt in Marc Bauders preisgekröntem Dokumentarfilm »Master of the Universe« ein aussortierter Ex-Finanzbanker, wie »das Universum« funktioniert. Er war Teil eines Irrsinns, der die Welt in existenzielle Krisen stürzt. Wer das Ungeheuer verstehen will, dessen gieriger Atem ganze Länder verschlingen kann, findet in diesem meisterhaft erzählten und atemberaubend gefilmten Werk besten Anschauungsunterricht. Eines verspricht der Film allerdings nicht: Hoffnung, dass das Universum nicht untergehen möge. Rainer Voss, ein Insider und Aussteiger zugleich, plaudert über das Finanzsystem, die Bankenkrise und die aktuelle Situation. Er nennt Fakten, die man in dieser Offenheit noch nicht gehört hat: »Vor 20 Jahren war die Haltedauer einer Aktie im Durchschnitt vier Jahre und heute sind wir bei 22 Sekunden.«
Der Banker – Master of the Universe (SWR Mediathek)
(Video laut Sender abrufbar bis 23. November 2017, 16 Uhr)
Es ist nicht die Frage, ob wir in einem Universum leben wollen, wie es die in diesem Dokumentarfilm von Marc Bauder beschriebenen »Master of the Universe« errichtet haben. Ein Universum, das auch seine Schöpfer nicht durchschauen. Ein Universum, das vor dem Kollaps steht, weil es ein künstliches Universum ist, ein lebensfeindliches, das auf Ausbeutung und Fehlern gebaut ist. Marc Bauder will mit seinem mehrfach auf Festivals preisgekrönten Film, der zudem für den Deutschen Filmpreis 2014 nominiert ist, keine Dokumentation als Basis für eine Veränderung betreiben. Sein Ansatz ist düster, eine Dystopie des Dokumentarischen: Bauder dokumentiert den Untergang.
Rainer Voss ist der gefallene Engel aus dem Himmelreich der Waren-, Termin-, Wett- und anderer Irrsinnsgeschäfte, mit denen sich Millionen verdienen und Milliarden verbrennen lassen. Voss war jahrzehntelang mittendrin im Herz des Molochs Finanzwelt, im Hamsterrad der globalen Finanzwelt. Er hat es genossen und heute, wenn er in Bauders Film von seiner Vergangenheit spricht, dann merkt man schnell, dass bei Sehnsucht das zweite Wortglied noch immer die Oberhand hat. Nun steht er vor der Kamera und berichtet Internas, die in Wirklichkeit auch sein Innerstes offenbaren. Doch wo es zu intim wird, verlangt er, man solle die Kamera ausschalten. Es sind seltene Momente, in denen man um jede Sekunde froh ist, in der das Bild weiterläuft. Überhaupt sei an dieser Stelle die wunderbare Bildgewalt dieses Filmes erwähnt. Zu verdanken ist sie dem Kameramann Börres Weiffenbach, der aus einem einfachen Interviewfilm ein visuelles Meisterwerk zauberte. Die sparsame, aber sehr effektvolle Instrumentierung durch den Musiker B.Fleischmann rundet das ästhetische Auftreten des Filmes ab. Ein Meisterwerk in jeglicher Hinsicht.
Ex-Banker Voss gibt 90 Minuten lang Einblicke in seine Motivation, die lange schon, bevor er genug Geld zum Leben verdient hatte (»Schon vom ersten Tag an verdiente ich mehr Geld als mein Vater«), eher vom Dazugehören geleitet sein muss. Teil zu sein dieser Parallelwelt, dieses Universums, in dem alle Gesetze der Physik und des Verstandes ausgehebelt sein müssen. Der ehemalige Finanzbanker ist kein Nestbeschmutzer. Er erklärt die irren Konstruktionen für Geschäfte mit imaginären Produkten nicht durchweg als Modelle für den gezielten Betrug. Das Scheitern des Marktes, zuletzt gipfelnd in der seit 2008 schwelenden internationalen Finanzkrise, sieht Voss vielmehr als Folge der menschlichen Schwäche, das Richtige zu erkennen und das Falsche zu lassen.
Wie soll es der Mensch auch können, wenn seine Götter selbst das Universum vernichten werden. Der Ausblick in die Zukunft ist kein schöner.