DOK Leipzig 2022 gibt Programm und Schwerpunkte bekannt
Vom 17. bis 23. Oktober 2022 findet das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm statt. Die Präsenzveranstaltung wird durch vereinzelte Online-Elemente in der Festivalwoche ergänzt. DOK Leipzig wird von Alain Ughettos „No Dogs Or Italians Allowed“ eröffnet, eine Stop-Motion-Animation mit dokumentarischem Unterbau. Der Regisseur folgt darin der Geschichte seines Großvaters Luigi, der am Bau des Simplontunnels und weiteren bedeutenden Gebäuden in Frankreich und der Schweiz beteiligt war.
DOK Leipzig als „Festival der menschlichen Begegnung“
Man wolle ein „Festival der menschlichen Begegnung sein“, so Festivalleiter Christoph Terhechte in der Programm-Pressekonferenz am 29. September 2022, „mit hoffentlich vollen Kinos und spannenden Diskussionen, die man eben nicht über einen Bildschirm mit vielen briefmarkengroßen Köpfen wahrnimmt.“ Denn, so ist sich Terhechte sicher: „Die Wirklichkeit bringt ein ganz anderes Gefühl dafür, wie Menschen auf Filme reagieren.“
Wer gewinnt die Goldene oder Silberne Taube?
Rund 2.700 Produktionen wurden laut den Veranstaltern für die 65. Festivaledition eingereicht; 255 Formate (Langfilm, Kurzfilm, XR-Arbeiten) aus 55 Ländern haben es ins Programm geschafft. 74 Filme konkurrieren um die Goldene und Silbernen Taube des jeweiligen Wettbewerbs, davon 48 Beiträge als internationale oder Weltpremiere in Leipzig.
Internationaler Wettbewerb
Im Internationalen Wettbewerb ist u. a. die französische Produktion „A Hawk as Big as a Horse“ zu sehen, die Sasha Kulak 2021 bei DOK Industry vorgestellt hatte. Der kanadische Beitrag „A Night Song“ von Félix Lamarche, ebenfalls eine Weltpremiere, beleuchtet das kontroverse Thema des assistierten Suizids. Drei dokumentarische Debütfilme erzählen „mit unterschiedlichen Ansätzen von Biografien im Kontext gesellschaftlicher Institutionen“. So setzt Sofía Brockenshire in „The Dependents“ das Porträt ihres Vaters, eines weitgereisten Beamten der kanadischen Einwanderungsbehörde, in einen größeren Kontext, indem sie über Grenzen, Abhängigkeiten und Privilegien reflektiert.#
Deutscher Wettbewerb
Spannend sind auch mehrere Filme, die mit Blick auf den Einsatz von KI Fragen der Urheberschaft und des Wahrheitsgehalts digitaler Produktionen diskutieren (mehrheitlich außer Konkurrenz). Claudia Larcher treibt diesen Ansatz im positiven Sinne auf die Spitze. Auf Basis analoger Bilder hat sie von einer Künstliche Intelligenz einen kompletten Kurz-Film kreieren lassen. Im Deutschen Wettbewerb beteiligt sich „Uncanny Me“ am Diskurs um digitale „Realitäten“. In Katharina Pethkes Langfilm entscheidet sich eine junge Frau dafür, einen täuschend echten Avatar von sich für ihre Arbeit als Model anfertigen zu lassen – und stößt damit auf Fragen der Moral und Individualität. Teil des Deutschen Wettbewerbs ist außerdem einer der drei neuen Filme von Heinz Emigholz, die allesamt bei DOK Leipzig zu sehen sind: „Schlachthäuser der Moderne“. Weitere Leuchttürme im nationalen Wettbewerb sind Tilman Königs „König hört auf“ (ein Porträt seines Vaters, der als ehemaliger Jenaer Jugendpfarrer entschieden gegen Rechtsextremismus eingetreten ist) und Pepe Danquarts Künstlerporträt „Daniel Richter“.
Blick gen Ost
Als neue Sektion setzt „Panorama“ einen Schwerpunkt auf Filme aus Mittel- und Osteuropa. Eine zusätzliche Kooperation mit dem ukrainischen Filmfestival DocuDays, das wegen des russischen Angriffskrieges nicht wie geplant stattfinden konnte, holt überdies Filme und Filmschaffende des umkämpften Landes nach Sachsen. Gezeigt werden der geplante Eröffnungsfilm plus fünf weitere Dokumentarfilme des angedachten nationalen Wettbewerbs.
Als weiterer Fingerzeig auf die Ukraine tritt die mehrfach ausgezeichnete Produktion „Das Hamlet-Syndrom“, u. a. Gewinner des Roman Brodmann Preises vom Haus des Dokumentarfilms, im Wettbewerb um den Publikumspreis an.
Retrospektive mit weiblichem Blick
Die Retrospektive würdigt das Schaffen von Dokumentarfilmerinnen aus der ehemaligen DDR. Angekündigt sind Institutionenporträts, Essays und Alltagsbeobachtungen von Helke Misselwitz, Tamara Trampe, Petra Tschörtner und Angelika Andrees sowie Neu- und Wiederentdeckungen der DDR-Filmgeschichte. „Wir haben viel Zeit darauf verwendet, eine Bestandsaufnahme durchzuführen“, sagt Carolin Weidner, die das Programm mit Felix Mende kuratiert hat. „Wichtiger Wegweiser dabei war das Buch ‚Sie. Regisseurinnen der DEFA und ihre Filme‘, herausgegeben von Cornelia Klauß und Ralf Schenk.“ Zentrale Fragen dabei: Was hieß es, Dokumentarfilmerin in der DDR zu sein? Welche Filme sind in vierzig Jahren entstanden? Die Matinee Sächsisches Staatsarchiv knüpft mit dem Programm „Sozialistische Frauenbilder – Die weibliche DDR“ ebenfalls daran an.
DOK Industry
Auch das parallel stattfindende Branchenevent DOK Industry setzt mehrheitlich auf den persönlichen Austausch vor Ort und bietet u. a. beim neu etablierten DOK Archive Market am 20. Oktober die Möglichkeit zur Vernetzung. Die im Haus des Dokumentarfilms angesiedelte Landesfilmsammlung Baden-Württemberg wird neben anderen nationalen und internationalen Archiven vor Ort sein und über ihre Bestände Auskunft geben.
Monika Preischl informiert als Vorstandsmitglied des neu gegründeten Berufsverbands „German Researchers und Archive Producers e.V.“ (GRAP) über dessen geplante Ausrichtung; als Archive Producerin gibt sie neben weiteren Mitwirkenden zudem Einblick in die Entstehung von Volker Heises „Gladbeck: Das Geiseldrama“ – eine True-Crime-Produktion für Netflix, die ausschließlich aus Archiv-Material besteht.
DOK Industry sucht darüber hinaus am 21. Oktober nach wichtigen Schnittpunkten und möglichen Synergien zwischen Animation und Dokumentarischem (AnimaDOK); auch Vermarktungs- und Verleih-Strategien sollen dabei zur Sprache kommen. Geplant sind u. a. ein Talk („animation@DOK Leipzig – Eine Filmgattung im Gespräch“), eine Meisterklasse mit Špela Čadež und ein Auftritt der AG Animationsfilm. Der Repräsentation von BPoC und marginalisierten Gruppen im non-fiktionalen Bereich spürt „Re-Present Media“ nach. Ausgangspunkt ist die Studie „The Power Of Personal Documentary Films“, die Erfahrungen aufstrebender Dokumentarfilmer:innen of Colour in Nordamerika abbildet. Diese werden durch europäische Blickwinkel erweitert und diskutiert.
Zum Programm von DOK Industry: www.dok-leipzig.de/en/industry-programme
Digitale Festival-Verlängerung
Vom 24. bis 30. Oktober 2022 werden ausgewählte Gewinner-Filme im Stream zu sehen sein – eine „digitale Verlängerung des Festivals wird es nicht in dem Umfang geben wie noch im vergangenen Jahr“, so Christoph Terhechte. „Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, zur Streaming-Plattform zu werden und das gesamte Programm online zu stellen – weil wir ans Kino glauben!“, betont der Festivalleiter in der Programm-Pressekonferenz am 29. September 2022. Man darf gespannt sein, welche zehn buchstäblich ausgezeichneten Filme es schließlich ins bundesweit verfügbare Digital-Angebot schaffen.
Der VVK läuft
Zugangsbeschränkungen und Auflagen, wie man sie aus den vergangenen beiden Corona-Jahren kenne, solle es nicht geben. Man setzt in Leipzig, wie überall in Deutschland, auf das freiwillige Tragen einer Maske und Eigenverantwortlichkeit. Tickets fürs Kino gibt es weiterhin für 8,50 € bzw. 6 Euro (ermäßigt) – sogar in Zeiten von galoppierender Inflation seien die Preise in Leipzig weiter stabil, und das bereits seit 2018, so die Veranstalter. Zudem gibt es im Hauptbahnhof Leipzig einige kostenfreie Screenings. Der Vorverkauf für die regulären Vorstellungen läuft.
Zum Programm von DOK Leipzig: www.dok-leipzig.de